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Von Felizitas Küble

Was vor 70 Jahren ein katholisches Großereignis war, ist der Bischofskonferenz heute keine Zeile mehr wert, weder in ihrem amtlichen Internetportal „Katholisch.de“ noch als Pressemeldung oder einer sonstigen Form des Gedenkens. Wer sucht, der findet – rein gar nichts.

Dabei beinhaltete das damalige Weiheritual vom 4. September 1954 in Fulda nicht nur eine kirchlich-marianische, sondern auch eine patriotische Note im Sinne einer Fürbitte und Anempfehlung für unser Volk und Land. Dies geschah in einer an Gott-Vater gerichteten Weiheformel, die wir hier noch vollständig zitieren werden. 

Doch zunächst zur Vorgeschichte der Deutschlandweihe, denn dazu gehört ein wichtiges Ereignis mitten in der vom Zweiten Weltkrieg zerrissenen Welt: Papst Pius XII. weihte bereits am 31. Oktober 1942 die Völker dem makellosen Herzen der Gottesmutter.
Im Laufe der Zeit folgten einzelne Diözesen, Verbände und Pfarrgemeinden dieser besonderen Form der Marienverehrung.

Weiheakt 1943 durch NS-verfolgten Bischof Sproll

Herausragend war hierbei das schwäbische Bistum Rottenburg mit seinem Weihegebet am Rosenkranzfest 1943 durch den von der NS-Diktatur aus seinem eigenen Bistum vertriebenen Bischof Joannes Babtista Sproll (1870 – 1949). Er war ein mutiger Kämpfer gegen die NS-Ideologie ähnlich wie der große Bischof und spätere Kardinal von Galen in Münster.

Da eine Weihe als persönliche Übereignung mehr bedeutet als lediglich ein Gebet um Mariens Fürsprache oder ein Patrozinium, wurde im Vorfeld darüber diskutiert, wie sich denn eine ganze Diözese auf diese Weise „weihen“ könne.

In diesem Fall verstand man das Weihe-Ritual als Ausdruck eines besonderen Schutzverhältnisses zwischen dem Bistum und der Gottesmutter.

Im Laufe der nächsten Jahrzehnte folgten Oberhirten aus Dutzenden von Ländern dem päpstlichen Vorbild und der Initiative von Bischof Sproll; sie vollzogen ihre jeweilige Herz-Marien-Weihe, zum Beispiel Belgien und die Niederlande 1943, Polen 1946, Österreich 1947, England 1948, die USA 1959, dann 1960 die Schweiz  – und „dazwischen“ Deutschland im Jahre 1954.

Für 1954 war von Papst Pius XII. das „Marianische Jahr“ ausgerufen worden – und zwar im Hinblick auf das Jahrhundert-Gedenken des Immaculata-Dogmas von 1854. Es definierte die makellose Empfängnis Mariens, ihre „vorauserlösende“ Bewahrung vor der Erbsünde durch einen Gnadenakt des allmächtigen Gottes.

1200 Jahre nach dem Tod des hl. Bonifatius

1954 wurde zugleich die Erinnerung an das Martyrium des hl. Bonifatius vor 1200 Jahren begangen, des großen Bischofs und Apostels der Germanen. Aus diesem Anlass fand der 76. Deutsche Katholikentag in Fulda statt, der damals noch eine echte Glaubenskundgebung bzw. Bekenntnisveranstaltung war.

Dabei erfolgte auf dem Domplatz eine bereits länger geplante „Weihe Deutschlands“ vor dem altbekannten Gnadenbild „Unserer Lieben Frau vom Frauenberg“ (siehe Abbildung).

Es handelt sich um das vielverehrte Standbild der „freudenreichen Jungfrau“ mit dem Christkind auf dem Arm, das sich im Franziskanerkloster auf dem Frauenberg hoch über Fulda befindet.

Vor dieser Madonnendarstellung vollzog Kardinal Dr. Joseph Frings, der Erzbischof von Köln, am Samstagabend, dem 4. September 1954, die Weihe Deutschlands als Repräsentant aller deutschen Bischöfe und Bistümer, aber auch namens des katholischen Kirchenvolkes in Deutschland, von dem in Fulda ca. 100.000 Besucher versammelt waren.

Jeder 4. Gläubige kam von „drüben“

Als Vertreter der englischen Oberhirten nahm der Erzbischof von Westminster, Kardinal Griffin, an dem Weiheakt teil. Aus der „Sowjetzone“ beteiligten sich 25.000 Gläubige, somit kam jeder 4. Teilnehmer von „drüben“.

Die Deutschlandweihe enthielt auch eine christlich-patriotische Note, denn es heißt in der Anrufung, die an Gott-Vater gerichtet ist:

„Ihr (Maria) weihen wir unsere Familien, ihrem mütterlichen Schutz empfehlen wir unser Volk; dieses Volk mit seinen Sünden und Nöten, mit seiner Hoffnung und Bereitschaft…. Durch ihre mächtige Fürsprache empfehlen wir Dir das Schicksal unseres deutschen Volkes: Nimm es in Gnaden auf, mach aus uns einen Stamm Deines heiligen Volkes!“

Auch für die noch hinter dem Eisernen Vorhang gefangenen Soldaten oder Heimatverbliebenen im Osten und für die  Wiedervereinigung Deutschlands wurde gebetet:
„Wende, o Gott des Erbarmens, unsere Not! Laß enden die Spaltung unseres Vaterlandes! Laß heimkehren unsere Schwestern und Brüder, die noch in der Fremde sind.“

Hier folgt zunächst der Wortlaut des feierlichen Weiheritus durch Kardinal Frings:

EINLEITENDES GEBET:

Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, Du berufst die Völker in freier Wahl und verwirfst, die Dein Wort mißachten. Sieh an das Volk, das sich vor Dir versammelt hat, um sich dem makellosen Herzen Mariens, der allerseligsten Jungfrau, zu weihen.

Inständig bitten wir Dich: Segne unser Tun in dieser abendlichen Stunde! Reinige uns von allem Makel der Schuld! Mach uns würdig, der unbefleckt Empfangenen zu eigen zu werden, die Du zur Mutter Deines Sohnes berufen und auch uns zur Mutter bestellt hat: Der Du lebst und herrschest, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Der WEIHE-VOLLZUG:

Wahrhaft würdig ist es und recht, Dich, heiliger Vater, ewiger Gott, HERR des Himmels und der Welt, in der hohen Freude unseres Herzens zu preisen:

Denn Du hast uns, die durch Adams Schuld verlorenen Evaskinder, nicht verstoßen, sondern Deinen vielgeliebten Sohn, unseren HERRN Jesus Christus, vom Himmel herabgesandt in den Schoß Mariens, der reinsten Jungfrau.

Ihr, der unbefleckt Empfangenen, hast Du durch den Mund des Engels die Botschaft verkündet; Du hast sie bereitgefunden als Deine allergetreueste Magd.

Preis und Dank sei Dir, daß Du sie auch uns zur Mutter gegeben durch Deinen Sohn und nach Vollendung ihrer Pilgerschaft glorreich mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen hast.

Zu ihr, der Zuflucht des Menschengeschlechtes, erheben wir, die Abgesandten aus allen Stämmen unseres deutschen Volkes, am Grabe unseres heiligen Schutzpatrons, Deines Bischofs und Blutzeugen Bonifatius, unsere Seele voll Vertrauen.

Wir weihen uns ihrem makellosen Herzen, auf daß wir Dich, unseren HERRN und Gott, lieben, wie sie Dich geliebt hat: aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele, aus all unseren Kräften.

Ihr weihen wir unsere Familien, ihrem mütterlichen Schutz empfehlen wir unser Volk; dieses Volk mit seinen Sünden und Nöten, mit seiner Hoffnung und Bereitschaft. 

Also bitten wir Dich, heiliger Vater: Erfülle uns mit Deinem Heiligen Geiste, mit dessen Kraft Du ihre Seele überschattet hast, auf daß wir alle Tage unseres Lebens mit ihr sprechen: Siehe, ich bin die Magd des HERRN.

Durch ihre mächtige Fürsprache empfehlen wir Dir das Schicksal unseres deutschen Volkes: Nimm es in Gnaden auf, mach aus uns einen Stamm Deines heiligen Volkes!

Wende, o Gott des Erbarmens, unsere Not! Laß enden die Spaltung unseres Vaterlandes! Laß heimkehren unsere Schwestern und Brüder, die noch in der Fremde sind. Schenk uns die Einheit im Glauben! Laß umkehren alle, die nicht mehr wissen, daß sie Deine Kinder sind! Gib uns und der ganzen Welt Eintracht und Frieden!

Durch unseren HERRN Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, GOTT von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

SCHLUSSGEBET:

Nachdem die Gläubigen das Marienlied „Wunderschön prächtige“ gesungen hatten, erfolgte diese abschließende Anrufung:

Kardinal: Bitte für uns, heilige Gottesgebärerin

Alle: Auf dass wir würdig werden der Verheißungen Christi. 

Kardinal: Lasset uns beten: O Gott, vor Deinem heiligen Angesicht hat sich dieses Dein Volk der allerseligsten Jungfrau und Mutter Maria geweiht und ist ihr zu eigen geworden. Wir bitten Dich, Gott unserer Väter: Bewahre diesen Willen; laß diese Weihe Frucht tragen in unserem Leben. Mache uns zu lebendigen Zeugen Deines Sohnes. Durch Christus, unsern HERRN.

Alle: Amen.

Lichterprozession zum Festplatz in Fulda

Nach der Deutschlandweihe formierten sich auf dem Domplatz viele Männer der Stadt Fulda sowie Jungmänner aus Ost und West zu einer Lichterprozession, die sie zum Festplatz des Katholikentages führte. Mit Litaneien und Gesängen begleiteten sie die Reliquien des hl. Bonifatius. Tausende begaben sich nachts zu Betstunden in die Kirchen der Bischofsstadt.

Im Anschluss an die Deutschlandweihe erging der offizielle Aufruf, diesen Ritus am 8. Dezember (oder notfalls an dem vorausgehenden Sonntag) in allen Pfarrgemeinden nachzuvollziehen, so dass man tatsächlich von einer Weihe sprechen kann, die von der gesamten deutschen Kirche vollzogen wurde.

In stark erscheinungsbewegten Kreisen machte sich damals eine gewisse Ernüchterung breit, weil sich dieser Weiheakt nicht direkt an die Gottesmutter gewandt hat. Zudem wurde sie nicht vor einer Fatima-Statue vollzogen und in den Gebeten keine Bezugnahme zu diesen Marienerscheinungen in Portugal vorgenommen.

Offensichtlich bevorzugten die deutschen Bischöfe bewusst eine Marienstatue mit Jesuskind, die zudem traditionell und altbewährt ist, wie dies bei dem über 400 Jahre alten Frauenberger Gnadenbild der Fall ist. Bei der Fatima-Statue ist einzig die Madonna zu sehen; ihre künstlerische Qualität ist überdies mit einer „klassischen“ Mariendarstellung nicht vergleichbar, was vermutlich zusätzlich eine Rolle spielte.

Keine Berufung auf Privatoffenbarungen

Überdies missfiel es manchen Marienverehrern, dass die Weiheformel keine „Sühne gegenüber dem Unbefleckten Herzen Mariens“ ausdrückte, wie dies von Sr. Lucia (der Hauptseherin von Fatima) explizit gewünscht worden sei. Freilich ist zu bedenken, dass dieser marianische Sühne-Aspekt zuvor bei der „Weltweihe“ von Papst Pius XII. ebenfalls fehlte.

Sodann war es naheliegend, dass die deutschen Bischöfe ihre amtliche Weiheformel nicht allzu direkt auf eine  –  wenngleich kirchlich approbierte –   „Privatoffenbarung“ beziehen wollten, da auch anerkannte bzw. gebilligte Erscheinungen nicht verpflichtend für die Gläubigen sind.

Zum Einwand, in der Weihe-Präfation sei nicht direkt zur Gottesmutter gebetet worden: Tatsächlich sprach der Kardinal von der seligen Jungfrau stets in der dritten Person („Wir weihen uns ihrem makellosen Herzen…“)  –  und wandte sich in seiner Anrufung allein an den allmächtigen Gott(-Vater) „durch Christus, unseren HERRN“.

Liturgische Haltung wie beim eucharistischen Hochgebet

Diese Vorgangsweise entspricht einer sog. „liturgische Haltung“, denn dasselbe geschah und geschieht auch in der hl. Messe (sei es der „alte“ oder der „neue“ Ritus): auch hier findet im eucharistischen Hochgebet keine direkte Ansprache an Maria statt; vielmehr richten sich die priesterlichen Gebete stets an Gott (meist Gott-Vater, mitunter auch Gott-Sohn); die Gottesmutter wird darin gepriesen und gewürdigt, jedoch nicht unmittelbar angesprochen.

Von dieser „liturgischen Haltung“ war offensichtlich auch die Deutschlandweihe von 1954 geprägt.

Selbstverständlich kann jeder Gläubige allein oder in Gemeinschaft die Gottesmutter unmittelbar im Gebet ansprechen; das hat bereits Gabriel als Bote Gottes getan, als er die selige Jungfrau begrüßte: „Sei gegrüßt, Du Gnadenvolle, der HERR ist mit Dir!“ 

Diesem Beispiel des Erzengels dürfen und sollen wir jederzeit nacheifern  – dies geschieht auch beispielsweise im Rosenkranzgebet, auf Wallfahrten, bei Marienfeiern usw.

Eine „Deutschlandweihe“ ist freilich amtlicher als ein persönliches oder gemeinschaftliches Gebet, es ist auch mehr als eine Maiandacht, sondern eine feierliche kirchliche Handlung.

Den Bischöfen kam es bei ihrer Deutschlandweihe offenbar darauf an, zu verdeutlichen, dass wir uns bei jeder marianischen „Weihe“ zwar der Fürsprache unserer Himmelsmutter anvertrauen, dass gleichwohl der „eigentliche“ Adressat einer Weihe letztlich GOTT selber ist.

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM ehrenamtlich betreibt

Titelfoto: Agnes Reichle

 

Kommentare

6 Antworten

  1. Danke für diese tolle Erinnerung an diese Weihe im Jahr 1954!
    Freilich sollte solches immer wieder vertieft werden und einen Sitz im Leben der Gläubigen bekommen. Lasst uns doch wenigstens heuer zum Jahrestag die Gottesdienste am Sonntag, woimmer es geht, mit einem Marienlied beschließen!
    So kommt das feminine Element schönstens zum tragen und wir brauchen keine Mariazweipunktnullerinnen! Die PGRs könnten doch den Pfarrer dazu anregen, viel öfter ein Marienlied einzubauen. So viele Kinder entbehren den ganzen Tag über ihre Mutter!
    In vielen Pfarreien hört und singt man von Maria vielleicht mal was im Mai und manchmal noch im Oktober. Ein Ave wird von den meisten das ganze Jahr über nicht gebetet. So leicht könnte man hier etwas zarte Marienfrömmigkeit einbauen. Die wenigsten Leute haben ja Zeit für Maiandacht und Rosenkranz.

  2. Weihegebet
    „Die deutschen Bischöfe haben am10. Januar 1915, inmitten der Kriegswirren das Weihegebet
    verwendet, das Papst Leo XIII. für die Weihe der Welt an das heiligste Herz Jesu entworfen hat
    Liebster Jesus, Erlöser des Menschengeschlechtes, blicke herab auf uns!
    In Demut knien wir hier vor Deinem Altar. Dein sind wir, Dein wollen wir sein. Um jedoch immer
    inniger mit Dir verbunden zu werden, darum weiht sich heute ein jeder von uns freudig Deinem
    heiligsten Herzen.
    Viele haben Dich niemals erkannt, viele lehnen Deine Gebote ab, weisen Dich zurück. Erbarme
    Dich ihrer aller, gütigster Jesus, und ziehe alle an Dein heiligstes Herz.
    Sei Du, Herr, König nicht nur über die Gläubigen, die nie von Dir gewichen sind, sei es auch über
    die verlorenen Söhne, die Dich verlassen haben. Gib, dass sie bald ins Vaterhaus zurückkehren und
    nicht vor Elend und Hunger zugrunde gehen.
    Sei Du König auch über die, die durch falsche Lehren sich täuschen lassen oder durch Spaltungen
    von Dir getrennt sind. Rufe sie zur sicheren Stätte der Wahrheit und zur Einheit des Glaubens
    zurück, damit bald nur eine Herde und ein Hirt werde.
    Sei Du König über alle, die immer noch vom alten Wahn des Heidentums oder des Islams umfangen
    sind; entreiße sie der Finsternis und führe sie zum Licht und Reiche Gottes. Blicke endlich voll
    Erbarmen auf die Kinder des Volkes, das ehedem das auserwählte war. Möge das Blut, das einst auf
    sie herabgerufen wurde, als Bad der Erlösung und des Lebens auch über sie fließen.“

  3. „dass gleichwohl der „eigentliche“ Adressat einer Weihe letztlich GOTT selber ist.“ Auch Papst Franziskus erzählt von diesem Gott.

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