Top-Beiträge

Links

Natur Mensch Umwelt

Von Dr. theol. Holger Heydorn

Medizinethische Themen schlagen medial keine so großen Wellen wie die Corona- oder die Klimakrise. Vielfach zu Unrecht, denn bei der Organspende geht es wirklich um Leben und Tod. Seit Jahren klagen Mediziner, Politiker und Medien, dass es zu wenig Spenderorgane gibt. Seit Jahren wird mit teils intensiver Werbung versucht, mehr Menschen für einen Organspendeausweis zu begeistern.

Und seit Jahren gibt es immer neue Versuche, die Gesetzeslage zu verschärfen. Bisher vergeblich. Nun gibt es einen neuen Versuch. Die Öffentlichkeit wird jedoch nur einseitig über das Thema informiert ‒ ebenfalls seit Jahren. Was wird verschwiegen?

Die Ausgangslage

Die Deutsche Stiftung Organspende gibt an, dass rund 8400 Menschen auf eine Organspende warten. Dem gegenüber stehen im vergangenen Jahr 965 Menschen, die ein Organ oder mehrere Organe gespendet haben. (1+2)  „Täglich versterben drei Menschen auf der Warteliste.“ (1) 

Deshalb wird Druck gemacht auf die Politik, die Gesetzeslage zu ändern. Das klar definierte Ziel dabei ist nicht eine ausgewogene Information der Bürger mit einer ergebnisoffenen Beratung, sondern die Erhöhung der zur Verfügung stehenden Organe.

Damit entsteht bereits eine gefährliche „Schieflage“. Bei einem so sensiblen Thema muss eine ergebnisoffene Beratung stattfinden. Bereits die öffentliche Diskussion darf nicht einseitig auf den Organempfänger ausgerichtet sein. Sonst wird der potentielle Organspender nur noch als Ersatzteillager gesehen.

Die gewünschte Widerspruchslösung

In Deutschland gilt seit der Reform des Transplantationsgesetzes 2012 die „Entscheidungslösung“. Alle Bürger über 16 Jahren werden regelmäßig über ihre Bereitschaft zur Organspende von ihren Krankenkassen befragt, erhalten Informationsmaterial und somit auch die Möglichkeit, einen Organspendeausweis zu unterzeichnen. (3, S. 127 – 130)

Eine Pflicht, sich zu entscheiden, gibt es nicht. Falls keine schriftliche Erklärung vorliegt, gilt weiterhin die „erweiterte Zustimmungslösung“. Das heißt, Familienmitglieder werden nach dem mutmaßlichen Willen ihres betroffenen Angehörigen gefragt und sollen stellvertretend entscheiden.

Der Bundesrat hat nun beschlossen, „einen Gesetzentwurf für die Einführung einer Widerspruchslösung in den Bundestag einzubringen.“ (2) Eine fraktionsübergreifende Gruppe hatte dort ebenfalls für eine solche Änderung geworben. (1)

Nach der Widerspruchslösung ist jeder ein Organspender, wenn er sich nicht dagegen ausspricht. Diese Gesetzeslage besteht bereits in anderen europäischen Ländern wie zum Beispiel in Österreich oder Spanien. (4; 3, S. 154 – 155)

Emotionales Thema mit viel Zuspruch

Da vielen erkrankten Menschen der Tod droht, wenn sie kein Spenderorgan erhalten, ist das Thema sehr emotional und es ist schwierig, darüber nüchtern zu diskutieren. Vor allem, wenn Kinder betroffen sind.

Dazu kommt, dass die Berichterstattung in den Medien einseitig positiv ist. Dies beginnt bereits mit der Wortwahl: „Der Begriff ‚Spende‘ impliziert ein bewusst altruistisches Handeln, ein Handeln, das ‚höheren Werten und Zielen‘ dient und mit ‚Menschlichkeit‘ und ‚Barmherzigkeit‘ assoziiert wird.“ (5, S. 207)

In der Regel wird aus der Sicht des Empfängers berichtet und die Organspende wird ausschließlich als Rettung zum Leben dargestellt. Und die Lobby ist groß, angefangen von der Medizin über die Medien und die Politik bis hin zu den Kirchen. Die Sache ist scheinbar eindeutig.

Probleme der Widerspruchslösung

Befürworter der Widerspruchslösung sind der Ansicht, dass es jedem Bürger zuzumuten ist, einmal in seinem Leben über das Thema Organspende nachzudenken und eine Entscheidung darüber zu treffen, ob man Spender sein möchte oder nicht. (4)

Über die eigene Sterblichkeit und den Tod nachzudenken, ist wichtig. Es ist auch gut, sich dabei über Organspende zu informieren. Problematisch bei der Widerspruchslösung ist jedoch der Zwang dazu. Es geht bei ihr weder um Überzeugung noch um Freiwilligkeit.

Nicht jeder will oder kann sich mit dem Thema auseinandersetzen, aus welchen Gründen auch immer. Dennoch wird er im Notfall zum Spender. Die Widerspruchslösung ist allein schon deshalb keine sinnvolle Gesetzesänderung. Sie „greift zu tief ins Selbstbestimmungsrecht der Menschen“ (1) ein und verletzt das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Noch bedeutender ist jedoch Folgendes:

Der Zuspruch zur Organspende hängt mit der Überzeugung zusammen, dass der Organspender zum Zeitpunkt der Organentnahme bereits tot ist. (6) Denn sonst wird das Leben dieses Menschen für das Leben eines anderen aktiv beendet, was nicht sein darf.

Schon Papst Johannes Paul II. sagte zu recht: „Es ist niemals erlaubt, einen Menschen zu töten, um einen anderen zu retten.“ (7, S. 135) Natürlich „versichern“ alle Befürworter der Organspende, dass der Spender bei einer Organentnahme bereits tot sei. So einfach ist das aber nicht. Es spricht viel dagegen.

Ein neuer Tod: Der „Hirntod“

In der Mitte des letzten Jahrhunderts gab es zwei entscheidende Fortschritte in der Medizin. Zum einen im Bereich der Langzeitbeatmung. Es wurde möglich, Menschen längere Zeit zu beobachten, die sich in einem Zustand tiefer Bewusstlosigkeit befanden. Ihre Atmung wurde dabei künstlich aufrechterhalten und ihr Herz schlug noch.

Zum anderen in der Transplantationsmedizin. 1967 fand in Kapstadt die erste Herztransplantation durch den Arzt Christiaan Barnard statt. (7, S. 25+30)

Die Schwierigkeit war (und ist) jedoch, dass entnommene Organe „lebensfrisch“ sein müssen, das heißt, der Spender muss zu diesem Zeitpunkt noch atmen und sein Herz schlagen. Denn hören diese Funktionen auf, werden die Organe nicht mehr durchblutet und durch die eintretenden Zerfallsprozesse vergiftet.

Um nicht des Totschlags angeklagt zu werden, musste der „Tod“ neu definiert werden. Bis dahin galt der Herz-/Kreislauf- und Atemstillstand als Tod des Patienten. (7, S. 40) Nun gab es auch den „Hirntod“.

Er wird folgendermaßen von der Bundesärztekammer erklärt:

„Der Hirntod wird definiert als Zustand der irreversibel erloschenen Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Dabei wird durch kontrollierte Beatmung die Herz- und Kreislauffunktion noch künstlich aufrechterhalten.“ (8, S. 580)

Die warme „Leiche“

Dem Gehirn des Menschen wird bei dieser Todesdefinition eine Sonderstellung eingeräumt. Beim „Hirntod“ existiere angeblich nur noch ein „vegetatives Leben in einem Restkörper“ (7, S. 43).

Dieser „Restkörper“ ist aber noch erstaunlich aktiv. Menschen, denen Organe entnommen werden, besitzen nicht nur noch einen Herzschlag und eine Atmung. Unter anderem ist ihre Körpertemperatur normal, sie haben Reflexe und es kann auch noch zu Bewegungen kommen bis hin zum Aufrichten oder einem Umfassen der Pflegeperson. Möglich sind auch gurgelnde Laute. (9, S. 102)

Schwangere Frauen haben in diesem Zustand Kinder zur Welt gebracht. Der Spender kann frieren, schwitzen oder auch Fieber haben. Er bekommt Nahrung und hat eine Verdauung. Die Nieren des Spenders arbeiten und er scheidet Urin aus. Bei dem Schnitt mit dem Skalpell steigen Blutdruck und Herzfrequenz des Spenders an. Der Spender wird bei Herzstillstand reanimiert, also „wiederbelebt“.

All dies kann nur schwerlich mit einer Leiche in Verbindung gebracht werden, sondern nur mit einem Menschen, der noch lebt. Nach der Organentnahme ist der Spender jedoch mit Sicherheit tot.

Der Mensch ist mehr als Materie

Neben der Problematik, dass der Mensch allein von seiner biologischen Seite her mehr ist als sein Gehirn, wird der Mensch ausschließlich materialistisch definiert. Dies widerspricht jedoch dem biblischen Menschenbild.

Aus biblischer Sicht ist der Mensch eine differenzierte Einheit aus Leib, Seele und Geist. Während der Leib aus Materie erschaffen ist, sind Seele und Geist immateriell. Diese beiden Wesensaspekte kommen von Gott, wie zum Beispiel Jesaja 42,5 deutlich macht:

„So spricht der einzige Gott, Jahwe, der den Himmel geschaffen und ihn wie ein Zelt ausgespannt hat, der zuerst die Erde ausgebreitet hat und anschließend das, was sie hervorgebracht hat, der den Menschen den Lebensodem auf ihr gibt und die Geistseele denen, die auf ihr gehen“. (10)

Dieser Vers verdeutlicht, dass bei der Schöpfung des Menschen nicht bloß der Lebensodem als Grundlage für jedes irdische Leben (hebräisch neschama) von Gott kommt, sondern dass er den Menschen darüber hinaus mit etwas Zweitem ausstattet (hebräisch ruach). Ruach kann in diesem Fall nicht den Leib meinen, weil der Leib von der Erde genommen ist und nicht von Gott kommt.

Es wird also eine weitere Wesenskomponente genannt, die sich von der Art her deutlich vom Leib unterscheidet. Während andere Bibelstellen Seele und Geist getrennt aufführen (Sprüche 15,13b; Psalm 13,3), werden sie hier als ein „mentaler“ Bereich genannt („Geistseele“).

Begrenzte Aussagekraft medizinischer Geräte

Die medizinischen Messgeräte können nur Aussagen über die leibliche/materielle Seite des Menschen machen. Die immaterielle Seite mit Geist und Seele können sie nicht erfassen. Zwar ist es richtig, dass alle Ereignisse/Geschehnisse, die auf einen Menschen einwirken, in der Regel zu Aktionen aller drei Wesensaspekte führen, also Leib, Seele und Geist.

Das heißt jedoch nicht, dass Seele und Geist nicht mehr vorhanden sind, wenn zum Beispiel nach heutigem Stand keine Gehirnströme aufgrund der leiblichen Gehirnerkrankung mehr messbar sind. Eine Aussage über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein der immateriellen Wesensaspekte Geist und Seele ist mit den Geräten also nicht möglich und somit auch keine Aussage über das Denken und Empfinden des Spenders.

Der Tod von Nabal

Das 25. Kapitel des 1. Samuelbuches enthält in diesem Zusammenhang wichtige Informationen. Dort wird Nabal als ein sehr reicher Mann mit riesigen Viehherden vorgestellt. Als er ein Fest nach seiner Schafschur feiert, erreichen ihn einige von Davids Männern mit der Bitte um Verpflegung als Dank für den Schutz seiner Hirten.

Nabal weist das Anliegen scharf ab und erweist seinem Namen „Dummkopf“ damit alle Ehre. Als David von der Ablehnung erfährt, bricht er mit mehreren hundert Männern auf, um Vergeltung zu üben. Auf dem Weg treffen sie auf Nabals Frau Abigajil. Sie hatte von dem Vorfall mit ihrem Mann erfahren und die Gefahr erkannt.

Abigajil demütigt sich vor David und distanziert sich von dem Verhalten ihres Mannes. David erkennt, dass er einen Fehler gemacht hätte und bricht sein Vorhaben ab. Nabal ist so betrunken, dass ihm seine Frau erst am nächsten Morgen von ihrem Handeln erzählt. Darüber erregt er sich sehr.

Bedeutsam sind dann die folgenden Verse 37b – 38: „Da versagte sein Herz in seinem Inneren, und er wurde zu einem Stein. Und nach ungefähr zehn Tagen schlug Jahwe Nabal, so dass er starb.“ (10)

Im ersten und letzten Teilvers ist das Verb kursiv geschrieben, weil es im Hebräischen dasselbe ist. Im letzten Teilvers geht es nach dem Gericht Gottes um den Tod Nabals und das Verb (mut) ist sicherlich mit „sterben“ zu übersetzen.

Im ersten Teilvers handelt es sich aber noch nicht um den Tod Nabals; er lebt noch 10 Tage weiter. Sein Herz wird durch seine übermäßige Erregung aber geschädigt, sodass sein Zustand danach mit einem Stein verglichen wird. Offenbar hatte er jegliche Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit verloren.

Die beschriebene Krankheit wird vielfach als Schlaganfall mit massiver Lähmung und Bewusstseinsverlust gedeutet. Dann wäre es nach heutigem Stand der Medizin eher eine Schädigung des Gehirns als des Herzens. Dies könnte sein, wenn vorausgesetzt wird, dass die Israeliten auch für eine solche Krankheit das Herz als Ursache annahmen, weil es für sie das zentrale innere Organ war.

Es ist jedoch ebenso denkbar, dass (zusätzlich) eine Schädigung des Herzens stattgefunden hat (durch einen Herzinfarkt), sodass das hebräische Wort lev an dieser Stelle durchaus mit „Herz“ wiedergegeben werden kann.

Nach 10 Tagen stirbt Nabal dann infolge eines Eingreifens Gottes. Wie dies genau geschah, wird nicht gesagt. Vielleicht erneut durch einen Infarkt. Offenbar hätte sein Zustand sonst noch länger so bleiben können.

Sicher ist durch die Beschreibung, dass Nabal durch sein Erschrecken massivste körperliche Defekte erlitt. Er war vollständig gelähmt und lag wohl im Koma. Trotz dieser starken körperlichen Ausfälle wird vom Tod Nabals aber erst gesprochen, als er nach zehn Tagen stirbt. Bis dahin lebt Nabal als Person.

Es wird nichts davon gesagt, dass lediglich ein Teil von ihm existiert. Der Mensch Nabal wird nicht von weiter lebenden Organen seines Körpers überlebt, er lebt als Person bis zu seinem Ende.

Nabal ist erst dann tot, wenn sein Herz aufgehört hat zu schlagen. Ein Ausfall oder eine Schädigung einzelner Organe beendet nicht das Leben von Nabal. Nabal lebt als Person, so lange der Sterbeprozess nicht abgeschlossen ist.

Die andere Seite: Der Organspender

„Hirntote“ Menschen können sich nur schlecht selbst helfen. Sie haben keine Lobby. Zu begehrt sind ihre Organe und zu viele machen damit gute Geschäfte bis hin zum Organraub.

In der Berichterstattung werden vielfach eine ganze Reihe von Punkten verschwiegen, zum Beispiel die Komplikationen der Organempfänger nach einer Transplantation. Verschwiegen wird, dass es sich bei vielen Transplantationen um Re-Transplantationen handelt, weil Organe abgestoßen werden.

Verschwiegen werden die großen Belastungen des medizinischen Personals, welche die Transplantationen durchführen. Verschwiegen werden die großen Probleme, die Angehörige eines Spenders entwickeln, wenn sie diesen nach einer (multiplen) Organentnahme nochmals sehen.

Organspende und ein Sterben in Würde widersprechen sich. Dies spüren viele Menschen intuitiv und stehen einer Organentnahme kritisch gegenüber.

Die Diskussion um Organtransplantation hat auch damit zu tun, wie die Gesellschaft zum Tod und Sterben eingestellt ist. Wenn der Mensch nur diesseitig orientiert ist, versucht er vielfach, sein Leben um jeden Preis zu verlängern. Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich aber gerade daran, wie sie mit den Schwerstkranken, in diesem Fall den „Hirntoten“, umgeht. Natürlich ist es ein Drama, wenn junge Menschen oder gar Kinder sterben müssen, wenn sie kein Spenderorgan bekommen. Aber dies ist eben nur die eine Seite der Medaille dieses Themas.

Die Kirchen und die Nächstenliebe

Organspende wird von den Kirchen vielfach als Form der Nächstenliebe verstanden. Nächstenliebe hat sich jedoch immer an den Geboten Gottes zu orientieren. Beides kann nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nächstenliebe ist nicht beliebig.

Jeder Mensch hat von Gott für sein Leben seinen unverwechselbaren Körper bekommen. Dieser Leib ist, soweit es an jedem Einzelnen liegt, unversehrt und in Ehren zu halten. Mit diesen Organen soll er leben und sterben. Der Leib in seiner Einzigartigkeit gehört zu seiner individuellen Identität.

Es ist also nicht verwunderlich, dass es Abstoßungsreaktionen gibt, wenn fremde Organe in einen Körper gelangen. Es ist kein Akt der Grausamkeit und schon gar nicht unchristlich, wenn jemand seine Organe behalten und mit ihnen sterben will. Und es ist andererseits kein Akt der Nächstenliebe, wenn Organempfänger Organe einfordern und durch den Tod anderer beanspruchen, weiterzuleben.

Es gibt keinen rechtlichen und keinen moralischen Anspruch auf die Überlassung von fremden Organen aufgrund der Würde des potentiellen Organspenders. Es gibt kein Recht auf Gesundheit und kein Recht auf ein fremdes Organ.

Das Recht des „hirntoten“ Patienten, nicht getötet zu werden, wiegt schwerer als der verständliche Wunsch des anderen Patienten nach einem längeren Leben. Gilt das nicht mehr, wird eine Gesellschaft inhuman.

In Johannes 15,13 steht: „Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ 

Dies gilt für diejenigen, die in einer Gefahrensituation ihr Leben für andere einsetzen, um sie zu retten. Der Feuerwehrmann, der in ein brennendes Haus eindringt, um dort vorhandene Kinder zu retten, stellt sich der Gefahr, dass er sein Leben verlieren könnte, jedoch er beendet es nicht aktiv, so als wolle er nicht mehr weiterleben. Er wird alles tun, damit er trotz der Gefahr wieder lebend aus der Situation herauskommt.

Ebenso bei Jesus. Er lässt sich nicht selbst ans Kreuz schlagen, sondern will vielmehr, dass der Kelch an ihm vorübergeht.

Der Hirnverletzte hat noch die Möglichkeit auf Heilung, solange er nicht gestorben ist. Es gibt Berichte über „hirntote“ Patienten, bei denen sich die Kreislaufinstabilität kompensiert hat, sodass sie in Pflegeheime oder nach Hause verlegt werden konnten. Der „Hirntote“ ist also noch nicht einmal in jedem Fall ein Sterbender. Somit wird sein Leben durch die Organspende aktiv beendet. Deshalb ist aus meiner Sicht Organspende abzulehnen.

Fazit

Die zentrale Frage bei Organtransplantationen von lebenswichtigen Organen ist, ob der Spender zu diesem Zeitpunkt bereits tot ist. Dem ist von den Aussagen der Bibel und von der warmen „Leiche“ her eindeutig zu widersprechen.

Der Mensch ist nach biblischer Auffassung erst tot nach einem irreversiblen Herz-/Kreislaufstillstand und dem Aufhören der Atmung, also wenn alle zentralen biologischen Funktionen zum Erliegen kommen und nicht bereits bei einem Hirninfarkt/Koma oder einer vollständigen Lähmung.

Erschütternd ist die Aussage eines Transplantationsmediziners: „Wenn wir die Gesellschaft aufklären, bekommen wir keine Organe mehr!“ (9, S. 66)

Die eigene persönliche Entscheidung

Die Entscheidung für oder gegen Organspende ist rein persönlich. Niemand kann für jemand anderen entscheiden. Dieser Artikel soll dazu anregen, über dieses Thema nachzudenken. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen, sich von niemandem unter Druck setzen zu lassen oder gar manipulieren bzw. einschüchtern zu lassen.

Es gibt auch gute kritische Informationen zu dem Thema. (11) Niemand ist ein schlechterer Mensch, weil er sich gegen eine Organspende entscheidet. Und jeder hat das Recht, in Würde und in körperlicher Unversehrtheit sterben zu wollen.

Es geht darum, über das eigene Leben und den eigenen Tod nachzudenken. Das ist nicht leicht und kostet Mut. Was ist mir mein Leben wert? Wo setze ich medizinisch-ethische Grenzen? Was erwarte ich nach dem Tod? Wenn ich mir über meine Ewigkeit nicht klar bin, dann sind es meine Ansichten über den Tod ebenso wenig.

Und eines ist weiterhin klar: Wenn ich für mich entscheide, keine Organe zu spenden, kann ich schlecht verlangen, dass andere für mich ihre Organe spenden. Dies mag für mich persönlich bereits eine schwere Entscheidung sein, im Hinblick auf meine Kinder allerdings ist es noch viel schwerer. Halten Sie Ihren Entschluss schriftlich fest und teilen Sie ihn anderen mit!

Anmerkungen:

(1) Anonym/AFP, „Neuer Anlauf für Organspende-Reform: Abgeordnete wollen bereits abgelehnte Widerspruchsregelung erneut in den Bundestag bringen“, Neue Osnabrücker Zeitung, 57. Jahrgang, Nr. 146, 25.06.2024, Seite 2.

(2) Anonym/dpa, „Bundesrat schlägt Organspende-Reform vor: Länderkammer legt in letzter Sitzung vor der Sommerpause auch Cannabis-Grenzwerte für Autofahrer fest“, Neue Osnabrücker Zeitung, 57. Jahrgang, Nr. 156, 06.07.2024, Seite 2.

(3) Richard Fuchs, Organspende: Die verschwiegene Wahrheit, Lahnstein: emu, 2012.

(4) Lars Laue, „‚Das ist dem Bürger zuzumuten‘: Gesundheitsminister Philippi über Organspende und die Auseinandersetzung mit dem Tod“, Neue Osnabrücker Zeitung, 57. Jahrgang, Nr. 150, 29.06.2024, Seite 5.

(5) Brigitta Hauser-Schäublin u.a., Der geteilte Leib: Die kulturelle Dimension von Organtransplantation und Reproduktionsmedizin in Deutschland, Frankfurt: Campus Verlag, 2001.

(6) Davon zu unterscheiden ist die „Lebendspende“, bei welcher der Spender danach noch am Leben ist und die paarige Organe (Nieren) oder Organteile (Leber) betrifft.

(7) Stefan Rehder, Grauzone Hirntod: Organspende verantworten, Augsburg: Sankt Ulrich Verlag, 2010.

(8) Wolfgang Joachim Bock, „Todesfeststellung/Todeskriterien/Todeszeitpunkt: 1. Zum Problemstand“, Lexikon der Bioethik, Hg. Wilhelm Korff u.a., Band 3, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2000, S. 578-581.

(9) Renate Greinert, Konfliktfall Organspende: Unversehrt sterben! Der Kampf einer Mutter, München: Kösel, 2008. Befürworter des „Hirntods“ sind der Ansicht, dass diese „Lazaruszeichen“ vom Rückenmark ausgehen; vgl. 7, S. 73-76. Aber selbst dann zeigen diese Zeichen, dass der Mensch nicht tot bzw. sein Sterbeprozess nicht abgeschlossen ist.

(10) Eigene Übersetzung. Eine Klammer stellt eine ergänzende Verdeutlichung zum hebräischen Text dar.

(11) Eine erste gute Informationsquelle ist die Webseite der KAO (Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V.) unter: https://initiative-kao.de

Angaben zum Autor: Dr. theol. Holger Heydorn, Arbeit in einem biochemischen Labor, Studium der evangelischen Theologie, Promotion im Fachbereich Altes Testament, Dozent für biblisches Hebräisch, Publizist.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift „VIER. Die vierte Gewalt“, Nr. 4/24 (August/September) auf den Seiten 32 – 36.

Kommentare

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Kategorien

Aktuelle Beiträge

Archiv

Archive

Artikel-Kalender

September 2024
M D M D F S S
 1
2345678
9101112131415
16171819202122
23242526272829
30  

KOMM-MIT-Kalender

Erfahren Sie mehr über den "KOMM-MIT-Kalender"

Blog Stats

813905
Total views : 9078274

Aktuelle Informationen und Beiträge abonnieren!

Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, wenn Sie kostenlos über neu erschienene Blog-Beiträge informiert werden möchten.