Top-Beiträge

Links

Von Felizitas Küble

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand im protestantischen Raum und in freikirchlichen Kreisen der USA die Pfingstbewegung, die sich schon bald auch in Europa und speziell in Deutschland ausbreitete, vor allem im Siegerland.

Von diesen Schwarmgeistern haben sich bibelorientierte Evangelikale (Pietisten, „Gemeinschaftsleute“, Gnadauer) in ihrer „Berliner Erklärung“ von 1909 deutlich distanziert und eindringlich vor ihren geistig-seelischen Sumpfblüten gewarnt.

Katholischerseits entstand erst 60 Jahre später die charismatische „Gemeinde-Erneuerung“, die sich etwas zurückhaltender gibt, aber trotzdem letztlich dasselbe in grün bzw schwarz ist.

Den verschiedenen Enthusiasten ist eines gemeinsam: sie erwarten eine weltweite Erweckung, eine kommende „Ausgießung des Heiligen Geistes“, sozusagen ein „zweites Pfingsten“, mitunter auch „Spätregen“ genannt (das „erste“ Pfingsten war also der „Frühregen“). 

Solche Zukunftsvorstellungen sind aber unnüchtern und unbiblisch, denn das Neue Testament lehrt, daß dem Ende der Zeiten alles andere als ein weltweiter Glaubensaufbruch vorausgeht, sondern vielmehr ein allgemeiner Glaubensabfall:

„Wenn ich wiederkomme, werde ich noch Glauben finden auf Erden?“, fragt Christus (Luk 18,8).

Was den Menschen am Ende der Zeiten vor der Wiederkunft Christi blüht, ist kein christliches „Friedensreich“ bzw ein eben falsches: das des Antichristen nämlich:

„Laßt euch nicht irreführen“

Hierzu schreibt der Völkerapostel Paulus warnend in 2 Thess 2,1 ff:

„Brüder, wir schreiben euch über die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus! … Laßt euch nicht irreführen und nicht aus der Fassung bringen, wenn in einem prophetischen Wort… oder in einem Brief, der angeblich von uns stammt, behauptet wird, der Tag des
Herrn sei schon da… Denn zuerst muß der Abfall kommen und der Widersacher, der Mensch der Gesetzlosigkeit, offenbar werden. Jesus, der Herr, wird ihn durch den Hauch seines Mundes töten und durch seine Ankunft und Erscheinung vernichten…“

Ähnlich heißt es in 1 Tim 4,1, daß „in den letzten Zeiten einige vom Glauben abfallen und verführerischen Geistern und satanischen Lehren anhängen.“

Abfall vom Glauben setzt doch den Glauben voraus, also geht es hier nicht um die „gottlose“ Welt, sondern um den Abfall innerhalb der Christenheit!

Vonwegen „weltweite Erweckung“ und „Ausgießung des Heiilgen Geistes“ – diese Charismatiker-Visionen widersprechen der Heiligen Schrift!

Dabei wollen wir zunächst zwei unterschiedliche „Endzeit-Schwärmereien“ (Chiliasmus-Modelle) unterscheiden:

A. Prä-Millenarismus (Millennium = tausendjähriges Reich, prä = vor):

Dieser Standpunkt geht davon aus, daß Christus vor dem tausendjährigen Reich erscheint, das er glorreich auf Erden errichtet (das entspricht einer wortwörtlichen Auslegung eines entsprechenden Passus in der Johannesoffenbarung).

Die kath. Kirche glaubt, daß sich dieses Reich des HERRN nicht auf das Diesseits bezieht, doch sie toleriert gleichwohl diese prä-millenaristische Ansicht, zumal sie auch von einigen früheren Kirchenvätern vertreten wurde (beileibe nicht von allen, z.B. nicht von Augustinus). Wer als Katholik unbedingt prä-millenaristisch glauben möchte, kann das tun, doch die Kirche vertritt diese Sichtweise nicht in ihrer amtlichen Verkündigung.

B. Post-Millenarismus (post = nach):

Dieser Standpunkt geht davon aus, daß durch christliche Predigt, Geist-Aussendung oder ein gewisses Eingreifen Gottes ein Friedensreich auf Erden entsteht und Christus erst danach als Weltenrichter kommen wird – also Wiederkunft n a c h dem „Millennium“ bzw „tausendjährigen Reich“:

Diese These, die in Charismatikerkreisen weit verbreitet ist, wird von der kath. Kirche a b g e l e h n t , da sie der Heiligen Schrift eindeutig widerspricht, die ja einen Glaubensabfall ankündigt.

Kardinal Ratzinger gegen Chiliasmus

Ein praktisches Beispiel sei erwähnt: Als Papst Benedikt noch Kardinal Joseph Ratzinger und Chef der Glaubenskongregation war, hat er im Oktober 1995 eine Notifikation zur orthodoxen „Seherin“ und angeblichen „Stigmatisierten“ Vassula Ryden erlassen.

In diesem Dekret werden eine Reihe theologischer Irrtümer der „Visionärin“ aufgelistet, darunter auch ihre post-millenaristischen bzw. „chiliastischen“ Vorstellungen; so heißt es wörtlich in der Vatikan-Note über Vassulas „Botschaften“.

„In chiliastischer Weise wird ein entscheidendes und glorreiches Eingreifen Gottes prophezeit, der im Begriff sei, auf Erden noch vor der endgültigen Ankunft Christi ein Zeitalter des Friedens und des allgemeinen Wohlergehens zu errichten.“

Dies war also einer der Gründe für die Ablehnung der „Botschaften“ von Vassula Ryden, die übrigens vor im Jahre 2011 seitens ihrer griechisch-orthodoxen Kirche exkommuniziert wurde, was aus meiner Sicht überfällig war, denn auch die Apostel verstanden keinen Spaß, wenn Irrlehren verbreitet wurden – noch dazu im mißbrauchten Namen des „Glaubens“ oder des „Heiligen Geistes“.

Mit dem Montantismus fing es an

Die Kirche mußte sich von Anfang an gegenüber selbsternannten „Propheten“ und enthusiastischen Gruppen abgrenzen:

Bereits Mitte des 2. Jahrhundert ging es los mit der (erstaunlich erfolgreichen!) Bewegung der „Montanisten“, gegründet von einem Wanderprediger namens Montanus, der sich für besonders „geisterfüllt“ hielt und zudem zwei „Seherinnen“ mit sich führte, die dann in Gottesdiensten ihre „Visionen“ verkündeten, darunter auch den „Anbruch“ eines Heilig-Geist-Reiches, das mit Montanus begonnen habe und nun die „endgültige Offenbarung“ biete (über die Heilige Schrift hinaus).

Dieser Prophet wurde als der „Paraklet“ verkündet, der gottgesandte Beistand von oben, die Personifizierung des Heiligen Geistes, weshalb jetzt das Geist-Reich vor der bald anstehenden Wiederkunft Christi angebrochen sei.

Diese Schwärmerbewegung hatte erheblichen Zulauf innerhalb der damaligen Christenheit, so daß die Kirche sich deutlich distanzierte, um diesen Unfug zu stoppen, was aber nur begrenzt wirksam war, denn gegen Schwarmgeisterei ist kaum ein Kraut gewachsen, wie die heutige Zeit ebenfalls aufzeigt.

„Das dritte Reich“ des Joachim von Fiore

Etwa ein Jahrtausend später gab es nochmal eine Neuauflage der Endzeitschwärmerei in anderer Variante:

Der italienische Ordensgründer und Abt Joachim von Fiore legte eine neue Sicht der „Heilsgeschichte“ vor,
gegliedert in drei Zeitalter:
Das Reich des Vaters im Alten Bund
Das Reich des Sohnes im Neuen Bund
Das beginnende Reich des Heiligen Geistes (auch „Drittes Reich“ genannt).

Abt Fiore – und noch mehr seine enthusiastischen Anhänger – erklärten, dieses glückselige irdische Friedensreich werde vom Geist Gottes derart erleuchtet sein, daß sich die „Institution Kirche“ mehr oder weniger erübrigen werde.

Daß das kirchliche Lehramt diesen „höheren Unsinn“ nicht billigen konnte, war klar:
zum einen wegen des indirekten Angriffs auf die Kirche im mißbrauchten „Namen des Hl. Geistes“, vor allem aber wegen des Widerspruchs zur Heiligen Schrift (siehe die bereits erwähnte Kritik am Post-Millenarismus).

Einige dieser Endzeit-Lehren wurden von Joachims Anhängern noch verstärkt und fanden vor allem in „spiritualen“ Strömungen des Franziskanerordens starken Nachhall. Diese Bewegung der „Joachimiten“ wurde von Papst Alexander IV. im Jahr 1256 offiziell als irrig abgelehnt.

Da die Nationalsozialisten (und übrigens indirekt auch die Kommunisten mit ihrem anstrebten „Arbeiterparadies“) eine politische Variante der Endzeitschwärmerei vertraten und sich für die Urheber eines „tausendjährigen Reiches“ hielten, haben sie diesen Ausdruck Fiores vom „Dritten Reich“ übernommen und für sich vereinnahmt.

Das „zweite Pfingsten“ der Charismatik

Diese alten Vorstellungen von einer weltweiten Erweckung, einem irdischen Friedensreich vor der Wiederkunft Christi, einem „zweiten Pfingsten“ und dergl. sind in der „Charismatischen Erneuerung“ wieder lebendig geworden, beginnend mit der Entstehung des protestantischen Pfingstlertums Anfang des 20. Jahrhunderts in Los Angeles.

Das Schwärmertum zieht sich also durch die ganze Kirchengeschichte – und auch bei der gnostischen Sekte der Katharer in Südfrankreich (die sich auch für besonders „geist-erleuchtet“ hielten) gab es entsprechende Tendenzen einschließlich einer Geist-Taufe, dem sogenannten „Consolamentum“ mit Handauflegung bei gleichzeitiger Ablehnung aller (!) katholischen Sakramente einschließlich der Ehe.

Enthusiastische Endzeitvisionen kommen wie Wellenbewegungen immer wieder von neuem – zwar in abgewandelter Form, aber im Grunde gilt hier das bekannte lateinische Sprichwort: semper idem = immer dasselbe!

Paulus mahnt die Gläubigen in 2 Tim 4,3: „Denn es wird eine Zeit kommen, da man die gesunde Lehre nicht mehr erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen Lehrer aussucht, die den Ohren schmeicheln; sie werden sich von der Wahrheit abwenden und den Fabeln zuwenden.“

Beherzigen wir auch die Aufforderung des Völkerapostels in 1 Thess 5,6: „Laß uns nüchtern und wachsam sein!“

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt

Kommentare

7 Antworten

  1. Also, an ein kommendes !000jähriges Reich des Friedens glaub ich auch nicht mehr. Wir leben aber in der Endzeit und das kommen und die endgültige Erlösung Jesu Christie steht wirklich bald an (jedenfalls so wie ich das sehe :)). Nur für Gott sind 1000Jahre wie ein Tag, also mit genauen Zeitangeben sollten wir sehr vorsichtig sein. Wir Menschen haben es leider nicht geschafft mit der Natur in Einklang zu leben, die böswillige Zerstörung der Natur liegt an unseren Sünden, z.b. Habgier, Herrschsucht u.s.w.

  2. „Als Jünger Jesu sollten wir Kirche nicht als Kopie gesellschaftlicher Strömungen gestalten“

    Eichstätter Bischof Hanke: Manche Deutungsmuster für die Zukunft basierten auf einer negativen Sicht des Menschen. Der Mensch würde als die Wurzel vieler Probleme gesehen, die es ohne ihn nicht gäbe.

  3. Herzlichen Dank für den guten Bericht.
    Leider muss ich auch feststellen, daß bei den Christlichen Sendern wie Horeb , EWTN … zu oft diese Gruppen erscheinen.
    Man kann gut durch die Medien die Menschheit manipulieren.
    Bei Matthäus 24.6 Ankündigung der Zerstörung des Tempels.
    Es muss alles erst geschehen, daß der HERR kommen kann.
    Man kann vieles in der Bibel für unsere heutige Zeit erkennen.

    1. Ja, in den aufgezählten Sendern bekommen diese charismatischen Sachen immer mehr Sendezeit.
      K-TV und Bibel TV ebenfalls.
      Man muss einfach abstellen, wenn die auf Sendung sind.
      Jedoch viele merken es nicht. Deshalb ist das christliche Forum von Frau Küble wichtig, um sich zu informieren.

  4. Vielen Dank für den Artikel mit den Ausführungen.
    Bleiben wir der katholischen Lehre treu.

    Etwas anders, aber auch bedenkliches.
    In Neuenkirchen, Kreis Steinfurt, hat sich der Pfarrer von St. Anna in der letzten Woche dazu bekannt, den Zölibat gebrochen zu haben.
    Er lud Presse und Gemeinde ein und verkündete an dem Abend seinen Zölibatsbruch. Die Gemeinde stand trotzdem hinter ihm und möchte den Pfarrer in der Gemeinde behalten.
    Bischof Genn sagte in dem Gespräch mit dem Pfarrer: „wer von den Menschen macht keine Fehler.“ Und gab sich barmherzig am Telefon. So wie der Pfarrer berichtete.
    Wie es weitergeht, ist unklar. Ob der Pfarrer heiraten wird, ist auch unklar.

    Nun ich denke, das sind die Früchte des synodalen Wegs, der den Pflichtzölibat ablehnt.
    Hier sieht man schon die Freizügigkeit von Bischof und Gemeinde. Dabei bringt es der Gemeinde keinen Mehrwert, wenn der Pfarrer eine Freundin hat.
    Das Gegenteil ist der Fall. Siehe bei den Protestanten.
    Und so etwas finden wir auch häufig in den charismatischen Gemeinschaften. Der Zölibat kann nicht eingehalten werden, weil Charismatik Gefühlsglauben ist.

  5. Ich frage mich, warum ich in diesem Zusammenhang an Lotto, an Glücksspiele denken muss:
    Das große Versprechen bei nur wenig eigener Leistung gilt für alle; den großen Segen erhalten nur wenige und diese nicht mal zwingend, die anderen machen sich etwas vor, rackern sich ab, vielleicht dass der Taumel noch etwas abwirft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Kategorien

Aktuelle Beiträge

Archiv

Archive

Artikel-Kalender

Oktober 2024
M D M D F S S
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
28293031  

KOMM-MIT-Kalender

Erfahren Sie mehr über den "KOMM-MIT-Kalender"

Blog Stats

826267
Total views : 9110356

Aktuelle Informationen und Beiträge abonnieren!

Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, wenn Sie kostenlos über neu erschienene Blog-Beiträge informiert werden möchten.