Der bekannte katholische Publizist und Jesuitenpater Lothar Groppe (siehe Foto) wandte sich mit der folgenden Zuschrift an die FAZ und äußert sich darin sachkundig zu dem immer wieder diskutierten Thema Waffen-SS – diesmal im Zusammenhang mit der Causa Horst Tappert.
Da die „Frankfurter Allgemeine“ die Stellungnahme des Geistlichen leider nicht abdruckte, veröffentlichen wir sie hiermit gerne in unserer Webzeitschrift:
Leserbrief zum FAZ-Artikel „ZDF zeigt sich befremdet“ vom 25.3.2013
Legt die FAZ nicht „politisch unkorrekte“ Maßstäbe an, wenn sie sich über die Waffen-SS-Vergangenheit von Horst Tappert „befremdet“ zeigt, aber über jene von Günter Grass Verständnis walten läßt? Es scheint, dass sie über Waffen-SS und allgemeine SS nicht hinreichend im Bilde ist.
Ich selber wurde wegen „Schmähung des Führers“ drei Stunden von der Gestapo verhört und hatte noch 20 mal den „Vorzug“, „Gast“ der SS (Gestapo) – nicht der Waffen-SS – zu sein.
Einer der ranghöchsten Offiziere der Waffen-SS, Generaloberst Paul Hausser, war der „wichtigste Entlastungszeuge für die Waffen-SS“ (Mitcham). – Bekannt wurde sein Briefwechsel mit Bundeskanzler Adenauer, der ihn korrekt mit „Herr Generaloberst“ anredete. Hausser war Mitbegründer der HIAG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS.)
Freiwilligkeit vielfach höchst fraglich
Ob sich Horst Tappert freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hat, scheint nicht festzustehen. Fest steht aber, dass Angehörige der Waffen-SS in die Oberstufe der Höheren Schulen kamen und für die „Elite-Truppe“ Waffen-SS warben. Es gab hierbei folgende Möglichkeiten: “Vortreten, wer nicht bereit ist, in die Waffen-SS einzutreten“ oder auch: Die Tür wurde abgeschlossen und „Keiner kommt heraus, der sich nicht freiwillig meldet.“
Mit meinem Vater habe ich mehrmals über Hausser gesprochen. Hausser und er waren 1925/26 unter Rundstedt im Wehrkreiskommando II Stettin. Hausser war Ia, mein Vater Ic. Mein Vater hat mir gegenüber stets sein Bedauern ausgedrückt, dass Hausser später zur Waffen-SS ging. Er sei an sich ein sehr tüchtiger und honoriger Soldat gewesen.
Es gibt bemerkenswerte Eigentümlichkeiten, die normalerweise unbekannt sind. So wurde mein Bruder, Jahrgang 1925, im Jahre 1943 aufgefordert, in die Leibstandarte einzutreten. Als Sohn eines Generals mit Pour le Mérite sei er besonders dazu berufen. Zu dieser Zeit war mein Vater allerdings von Herrn Hitler bereits aus der Wehrmacht ausgestoßen worden.
Ich selber war mittels einiger Tricks niemals Mitglied der Hitlerjugend, bekam aber im Juli 1944 – vor der Verhaftung meines Vaters – die Aufforderung zur Teilnahme an einem Führerlager der HJ. Die Formulierung der Einberufung wirkte geradezu komisch: „Du willst vom … bis …. August am Führerlager teilnehmen“. – Ich wollte aber nicht und warf das Schreiben weg. Passiert ist nichts.
Nehmen wir einmal an, Horst Tappert hätte sich tatsächlich freiwillig zur „Elite-Truppe“ der Waffen-SS gemeldet. Nun war er wohl kein Intellektueller, aber ein begnadeter Schauspieler.
Wir hatten jedoch ausgesprochen Intellektuelle in der Bundesrepublik , die bis in die höchsten Positionen aufstiegen, obwohl sie, wie Horst Ehmke, Hans-Jochen-Vogel und Helmut Schmidt, brave HJ-Führer im Tausendjährigen Reich waren, die ihre Jungen für den „Führer“ begeisterten. Oder waren sie etwa im Stillen „Widerstandskämpfer“?
Das „Befremden“ des ZDF gereicht ihm gewiss nicht zur Ehre, war doch Horst Tappert einer der bei weitem erfolgreichsten Schauspieler, der weltweit bekannt wurde.
Wie sagte Gottfried Benn so treffend: „Das Abendland geht nicht zugrunde an den totalitären Systemen, auch nicht an seiner geistigen Armut, sondern an dem hündischen Kriechen seiner Intelligenz vor den politischen Zweckmäßigkeiten.“