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Gemeinde debattiert in der Hl.-Geist-Kirche über die Predigt von Pfarrer Zurkuhlen

Von Felizitas Küble

Am gestrigen Montagabend (9. Juli) versammelten sich in der Heilig-Geist-Kirche von Münster etwa 120 bis 150 Besucher, die über die „umstrittene“ Predigt des Ruhestandspfarrers Ulrich Zurkuhlen sprechen wollten, der selber nicht anwesend war. 

Die Veranstaltung war von Presseleuten und Kameras begleitet, die teils vorne im Kirchenschiff standen.

Der  –  seit Jahrzehnten als theologisch liberal bekannte  –  Geistliche Zurkuhlen hatte in seiner Predigt vom 30. Juni in diesem Gotteshaus (siehe Fotos) zur Vergebung – auch für Missbrauchstäter – aufgerufen, was zu großer Empörung bei einigen Gläubigen und danach bundesweit in vielen Medien führte.

Der zuständige Pfarrer Dr. Stefan Rau hatte zu der Veranstaltung eingeladen, wobei nicht ganz klar war, warum sie nicht im Pfarrgemeindehaus stattfand, zumal es keinerlei gottesdienstliche Handlungen gab, weder ein gemeinsames Gebet noch einen priesterlichen Segen zum Ende der Versammlung. 

Vielleicht hätte auch ein Vaterunser-Gebet mit seinem Vergebungsthema („…wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“) zu sehr daran erinnert, daß der in dieser Zusammenkunft  kritisierte Pfarrer Zurkuhlen auf einer rein grundsätzlichen Ebene durchaus richtig lag, denn die christliche Verzeihung gehört gleichsam zur DNA des Christentums – und sie hört nicht bei Mißbrauchstätern auf, auch nicht bei sonstigen schweren Sündern.

Freilich setzt dies echte Reue und Umkehrbereitschaft beim Täter voraus.

Unabhängig von dieser prinzipiellen Sachlage scheint freilich klar zu sein, daß der 79-jährige Zurkuhlen seine Predigt ungeschickt „aufgezogen“ und sein Anliegen daher wohl auch mißverständlich präsentiert hat.

Ein einseitiger Blick auf die Täter  – und deren Wunsch nach Vergebung –  wirkt zudem verstörend, wenn nicht zugleich die Sichtweise und das Leiden der Opfer klar zur Sprache kommt.

Andererseits konnte der Priester wiederum seine Worte nicht zu Ende führen, weil etwa 1/3 der Meßbesucher aus Protest die Kirche verließen. Es wurde auf der Versammlung zwar von einigen Teilnehmern bestritten, daß es hierbei besonders lautstark zugegangen sei – allerdings berichtete eine ältere Dame von einem „Tumult am Altar“, von dem ihr Mann (der jene Messe Pfarrer Zurkuhlens besuchte) ihr erzählt habe.

Der leitende Pfarrer Stefan Rau übte sowohl in seiner Ansprache zu Beginn wie auch zum Ende der Versammlung scharfe Kritik an der Predigt seines priesterlichen Mitbruders, weil der Täter kein „Recht“ und das Opfer keine „Pflicht“ zur Vergebung hätten.

Allerdings ist nicht ersichtlich, daß der kritisierte Prediger von einem „Recht“ auf Vergebung sprach, auch erwähnte er keine „Pflicht“ zur Verzeihung, schon gar nicht seitens der Opfer, was als Forderung völlig abwegig wäre. 

Vielmehr plädierte der Priester offenbar dafür, daß die „kirchlichen Hierarchen“ – also oberen Amsträger – den Tätern irgendwann mal vergeben sollten. Seine Frage lautete angeblich – wie ein Teilnehmer erklärte – folgendermaßen: Wie sollten die Schuldigen sonst seelisch-psychisch weiterleben können?

Von daher hatte der Priester – auch seiner eigenen Darstellung zufolge – keineswegs von den Opfern selbst eine Haltung der Vergebung verlangt.

Wenn bestimmte Aussagen beanstandet werden, sollte man sie zuvor korrekt darstellen, weil sonst leicht ein Zerrbild entstehen, weil die Fairneß einer Debatte durch emotionale Reaktionen schnell unter die Räder gerät.

Sodann kritisierte Pfarrer Rau in seiner Schlußansprache einen „perfiden Vergleich“, den es in der Predigt Zurkuhlens gegeben habe, nämlich zwischen jenen Frauen, die an ihren verstorbenen Ehemännern kein gutes Haar lassen  – und den Missbrauchsopfern, die ihren Tätern nicht vergeben.

Aber eben dieser Vergleich geht nicht eindeutig aus der Predigt-Darstellung Zurkuhlens hervor (zumal er betr. Vergebung anscheinend nicht die Opfer, sondern die „kirchlichen Hierarchen“ ansprach).

Wie dem auch sei: Daß der Prediger evtl. zu abrupt von seiner Rüge über unversöhnliche Witwen zum Thema Vergebung für Mißbrauchstäter gelangte, daß er hier  keine erklärende und relativierende Überleitung brachte, ist durchaus möglich, aber vielleicht als verbale Ungeschicklichkeit zu werten, auf die man nicht unbedingt mit dem rhetorischen Hammer reagieren muß.

In den Medien wurde angekündigt, in dieser Versammlungen sollten auch jene Mißbrauchsopfer zu Wort kommen, die bei der umstrittenen Predigt anwesend waren und besonders betroffen gewesen seien. Diesbezüglich hat sich niemand zu Wort gemeldet. Einzig am Schluß sprach ein älterer Betroffener aus Rhede, er habe ein entsprechendes Netzwerk gegründet, was ja auch sehr zu begrüßen ist.

Pfarrer Rau lobte mehrfach seine eigene Gemeinde, weil sie gegen die Predigt des Ruhestandspfarrers aufgestanden sei, was deutschlandweit für große Zustimmung gesorgt habe. Es gehe um die „Ermächtigung“ und „Selbstermächtigung“ der Gläubigen, betonte er hierbei.

Während der Versammlung hatten sich mehrere Personen gemeldet, die aus der Kirche ausgetreten waren, aber ebenfalls die Heilig-Geist-Gemeinde lobten (und die Zurkuhlen-Predigt kritisierten).

Sodann wurde von weiteren Besuchern mehrfach beklagt, daß Pfarrer Zurkuhlen nach dem Tumult während seiner Predigt die Messe einfach   – als sei nichts geschehen –  zu Ende geführt habe. Einer ärgerlichen Dame kam das vor „wie in den 60er Jahren“.

Was hätte der Priester denn sonst tun sollen? Die heilige Messe einfach ausfallen lassen? Immerhin sind zwei Drittel der Gläubigen im Gotteshaus geblieben. Hatten sie kein Recht auf eine Fortsetzung der Eucharistiefeier? Oder gilt allein der Wunsch einer protestierenden Minderheit?

Zudem waren die „Herausgelaufenen“ kirchlich gesehen verpflichtet, ihre Sonntagspflicht in einer anderen Kirche nachzuholen, zumal es in Münster etliche Abendmessen gibt. Ob das der Fall war? Oder gilt dies Kirchengebot nicht mehr, wenn sich jemand in einem „erhöhten Erregungszustand“ befindet?

Ein Mitglied der reformkatholischen KFD (Kath. Frauengemeinschaft Deutschlands) erklärte sodann, Pfarrer Zurkuhlen von früher her in sehr guter Erinnerung zu haben, er habe vor zwanzig Jahren KFD-Tagungen geleitet oder begleitet – und hierbei konzilsgemäße und „fortschrittliche“ Standpunkte vertreten. Umso mehr erstaunt sei sie über seine umstrittene Predigt.

„Fortschrittlich“ scheint nicht nur der kritisierte Ruhestandspriester, sondern auch die Gemeindeleitung der Pfarrei Heilig-Geist zu sein: Auf dem Schwarzen Brett in der Kirche befindet sich ein Riesen-Plakat der Aktion „Maria 2.0“, die bekanntlich „alle kirchlichen Ämter“ für Frauen fordert, somit Priestertum, Bischofsweihe und Papstamt.

Wie Pfarrer Rau den Versammelten ankündigte, sei nach den Sommerferien eine weitere Veranstaltung zu dieser Predigt und der ganzen Missbrauchs-Thematik geplant, an der dann Pfr. Zurkuhlen teilnehmen solle.

Abschließend stellt sich die Frage, warum Pfarrer Rau sich einseitig gegen seinen attackierten Mitbruder positionierte, statt eine vermittelnde Haltung einzunehmen und zu versuchen, die Wogen zu glätten und Brücken zu bauen.

Unsere Autorin Felizitas Küble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in Münster, das dieses CHRISTLICHE FORUM betreibt.

Stellungnahme zur Causa Zurkuhlen von evangelikaler Seite: https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/kirche/2019/07/08/auch-missbrauchstaeter-duerfen-um-vergebung-bitten/

 

Kommentare

0 Antworten

  1. Ich kann nur wiederholen, was ich früher schon einmal geäußert habe: ich verstehe die Fokussierung des Pfarrers auf „die Hierarchie“ nicht. Die Hauptgeschädigten sind doch die Opfer. Und von dienstlicher Seite drohten priesterlichen Missbrauchstätern in der Vergangenheit oft viel zu wenig Konsequenzen. Das ist ja auch der Grund, warum die Leute heutzutage so empört sind. Auch ich.

    Auf menschlicher Ebene mag es anders zugegangen sein. Ein Bischof hat seinen übergriffigen Priester wohl nicht in seine Privatwohnung zum Kaffee eingeladen. Aber die Öffentlichkeit sieht eben das, was öffentlich ist. Und das war oft viel zu viel Nachsicht, viel zu viel Vertuschen. Von daher ist der Ruf nach „Vergebung“ mehr als irritierend. Man könnte es wie einen Ruf nach erneuter Vertuschung verstehen. Von daher ist die Aussage Pfarrer Zurkuhlens zumindest sehr unsensibel.

  2. Der gute Hirte, der den Wolf kommen sieht, schlägt sich für seine Schafe.
    Der Mietling flieht oder heult mit dem Rudel.

  3. Der durchdachte und abwägende Bericht über die Gemeindeversammlung in der Münsteraner Heilig-Geist-Kirche, der zudem wichtige, bisher unbekannte Details nennt, nimmt sich wohltuend aus gegenüber dem populistischen, auf Skandalisierung und Verurteilung von Pfarrer Zurkuhlen abzielenden Tenor in den Elaboraten der Leidmedien, die dem nahezu identischen Wortlaut nach zu schließen ohnehin nur voneinander abgeschrieben haben.
    So ergibt sich durch den vorliegenden Bericht ein differenziertes, genaueres Bild, das auch dem angegriffenen Geistlichen – bei aller Kritik – gerecht zu werden versucht.
    Klar sollte eigentlich sein: Auf der Ebene von „Recht“ (auf Vergebung) und „Pflicht“ (zur Vergebung) ist der Herausforderung christlicher Verzeihung nicht beizukommen. Papst Franziskus würde hier wohl manchem der empörten Gläubigen (pharisäischen) „Legalismus“ bescheinigen.
    Umso bedenklicher, dass sich auch der leitende Pfarrer Dr. Stefan Rau darauf eingelassen und sich zulasten seines Mitbruders einseitig auf die Seite von dessen Kritikern geschlagen hat, obwohl ja immerhin zwei Drittel der Messbesucher dem Gottesdienst bis zum Schluss beiwohnten.
    Hier wäre tatsächlich seine vermittelnde Rolle wünschenswert, angemessen und fair gewesen.
    Blieb Dr. Rau etwas anderes übrig, als solcherart die „Flucht“ nach vorn anzutreten, um von den tonangebenden Wortführern nicht zur Schnecke gemacht zu werden – so wie das seit geraumer Zeit nicht wenige Bischöfe und Priester praktizieren, wenn lautstarke, medial verstärkte Kritik aus dem Kirchenvolk kommt?
    Es ist ein gefährlicher Weg, als Pfarrer die eigene Gemeinde zu loben und anzufeuern, weil sie gegen einen predigenden Kollegen in der heiligen Messe „aufgestanden“ sei.
    Solch legitimierte „Selbstermächtigung“ der Gläubigen könnte sich als Bumerang erweisen und eines Tages Pfarrer Rau selbst treffen.

  4. „Abschließend stellt sich die Frage, warum Pfarrer Rau sich einseitig gegen seinen attackierten Mitbruder positionierte, statt eine vermittelnde Haltung einzunehmen und zu versuchen, die Wogen zu glätten und Brücken zu bauen.“
    Diese Frage stelle ich mir auch. Ich sehe die Antwort im heutigen Zeitgeist der Anbiederei, der politischen Korrektheit und Ausgrenzung. Hinzu kommt, daß die meisten Menschen nicht mehr zuhören können. Schon nach den ersten Worten „wissen“ sie alle Antworten und haben den Gegenüber be- und verurteilt. So war es offensichtlich auch in der Kirche.
    Öffentliche Empörung kann so erregend, so herrlich berauschend sein. Besonders in der Gemeinschaft der Erregten und Berauschten kann man sich so herrlich gehen lassen.
    Wir brauchen mehr Pfarrer wie Zurkuhlen, die den Menschen den Spiegel vorhalten und die wieder predigen, was in der Bibel steht. Für Schönwetterchristen ist das natürlich nichts. Die möchten Streicheleinheiten, möchten hören, wie toll sie sind. Gelegentlich mal einen erhobenen Zeigefinger nimmt man lächelnd mit, das tut nicht weh und kostet nichts.
    Ein vorgehaltener Spiegel allerdings tut weh. Der zeigt, wo man in der Nachfolge Christi selber steht. Wie sagt man heute im „Neudeutsch“: Das geht ja gaaaar nicht.
    Die Menschen, die die Kirche voreilig verlassen haben, stellen sich über das Wort Gottes. Eine Predigt hinterher zu zerreißen, ist dazu die ultimative Steigerung. Ein Priester, der sich nicht zu schade ist, für solch einen Zirkus noch Benzin ins Feuer zu gießen, dürfte auch so seine Schwierigkeiten mit dem Blick in den Spiegel haben.
    Allen anderen sei gesagt: Vergebung ist immer freiwillig. Jeder Christ sollte das wissen. Sie ist an keine Formalien gebunden. Sie benötigt keine vorhergehende Buße, keine Entschuldigung vom Täter. Seien wir dankbar, daß Christus nicht gewartet hat, bis alle Menschen Buße getan haben und sich bei ihm und seinen Vater entschuldigt haben. Es würde heute noch keine Christen geben.

  5. „Freilich setzt dies echte Reue und Umkehrbereitschaft beim Täter voraus. “ Das ist mir nicht bekannt und steht auch nirgendwo in der Bibel. Die Predigt, die ich selbst nicht gehört habe, hat dann etwas Gutes, wenn ehrlich danach gefragt wird, was Jesus dazu sagt und was die Apostel dazu lehren. Für mich wird immer klarer, dass die sachliche Ebene viel zu schnell verlassen wird und einfach Dinge behauptet werden, die man meint gehört zu haben oder so verstanden hat. Die Kritik von Pfarrer Rau an seinem Kollegen, den er selbst nicht gehört hat, finde ich sehr fragwürdig und schwach. Ich wüsste auch nicht, was daran zu loben ist, gegen eine Predigt und einen Prediger, der Gottes Wort verkündigt, aufsteht und den Gottesdienst verlässt. Das ist nicht christlich. Es ist kein gutes Zeugnis für eine Gemeinde. „Ihr sollt wissen: Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. 20 Denn des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. “ Jak 1

  6. Mit derartigen, Predigten wie jener des Pfarrers Zurkuhlen, wird die Kirche zahlenmäßig erheblichen Verlust an Mitgliedern/ Gläubigen erleben. Angesichts der immer häufiger stattfindenden Gewalt gegen Frauen, werden Aussagen wie jene Zurkuhlen´s auf massives Unverständnis stoßen, welche dann leider zu zahlreichen Kirchenaustritten führen werden, denn wer will schon gern potenzielles womögliches Opfer gegenüber einer immer größer und offensiver agierenden Zahl an gefühlslosen Menschen sein.

    1. Umgekehrt wird eher ein Schuh daraus.
      Außerdem, was haben die Frauen mit der Predigt von Pfarrer Zurkuhlen zu tun?
      Was haben potenzielle womögliche Opfer mit der Predigt zu tun?
      Pfarrer Zurkuhlen hat niemanden zur Vergebung gezwungen.
      Schmeißen sie ihre Bibel angesichts der immer häufiger stattfindenden Gewalt gegen Frauen und wegen potenzieller, womöglicher Opfer weg?

      1. Pfarrer Zurkuhlen hat in geradezu widerlicher Weise die Leiden der Opfer relativiert und den Opfern eine Mitschuld zugesprochen. Er sagt sinngemäß, sie hätten ja nicht ständig zu ihren Missbrauchstätern hingehen müssen. Und das wurde so im WDR Fernsehen ausgestrahlt.

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