Top-Beiträge

Links

Ein konvertierter katholischer Priester und Familienvater plädiert für den Zölibat

Von Pfarrer Wolfgang Tschuschke

In der gegenwärtigen Diskussion um den Zölibat der Priester wird gerne darauf hingewiesen, dass es ja in der katholischen Kirche schon verheiratete Priester gibt: die unierten Priester der ostkirchlichen Riten und Konvertiten, die vorher ordinierte protestantische Pfarrer waren.

Es würde sich nun nahelegen, diese verheirateten Priester nach ihren Erfahrungen zu fragen und nach ihrer Meinung zum Thema Zölibat aufgrund ihrer Erfahrungen. Ich bin ein solcher verheirateter Priester.

Aber noch nie hat mich jemand nach meinen einschlägigen Erfahrungen gefragt, kein Gläubiger, kein Mitbruder und auch kein Bischof; keiner, der das Argument „es gibt doch schon verheiratete Priester“ für die Abschaffung des Zölibats im Munde führt.

Vielleicht ist es gut, wenn ich nun von mir aus etwas über meine Erfahrungen als verheirateter lutherischer Pfarrer und verheirateter katholischer Priester sage. Ich halte den Zölibat der Priester aus vielerlei Gründen für unverzichtbar. Hier will ich aber nur von meinen persönlichen Erfahrungen reden.

Neun Jahre lang war ich verheirateter lutherischer Pfarrer. Da hat alles zusammengestimmt. Meine Frau war (und ist) für mich eine wunderbare Stütze. Durch die Kinder gab es vielfältige Berührungen und Gemeinsamkeiten mit den Leuten in der Pfarrgemeinde durch Kindergarten und Schule und durch die musikalische Arbeit meiner Fr

Das evangelische Pfarrhaus ist ein sehr überzeugendes und erfolgreiches Modell als Lebens- und Arbeitsform. Für einen evangelischen Pfarrer ist es gut, verheiratet zu sein. Amt und Ehe passen zusammen.

Jetzt bin ich seit 28 Jahren katholischer Priester, zunächst mit verschiedenen kleineren Aufgaben bedacht, dann 13 Jahre als Krankenhausseelsorger, die letzten zwei Jahre im Ruhestand. Meine Grunderfahrung: evangelischer Pfarrer und katholischer Priester sind zwei sehr verschiedene Dinge. Der Priester wird in ganz anderem Maß in Anspruch genommen, und zwar erstens durch Gebet und Gottesdienst und zweitens von den Gläubigen.

Gebet und Gottesdienst: Im Protestantismus gibt es hier keine Verpflichtungen. Freilich soll ein Pfarrer ein Leben des Gebetes führen und mit der Heiligen Schrift leben. Aber er hat keine verpflichtende Regel. Ein durchschnittlich frommer lutherischer Pfarrer beginnt den Tag mit Losung (ein Vers aus dem Alten Testament) und Lehrtext (ein Vers aus dem Neuen Testament) aus dem Herrnhuter Losungsbuch, dazu noch ein kurzes Gebet oder eine Liedstrophe. Zeitbedarf fünf Minuten.

Der katholische Priester ist dagegen zum Stundengebet verpflichtet und wird „nachhaltig eingeladen“ (CIC can. 276), täglich das eucharistische Opfer darzubringen. Der Zeitbedarf für Stundengebet und Messe: zwei Stunden.

Aber nicht nur ein bestimmtes Zeitquantum wird durch Gebet und Gottesdienst beansprucht. Vielmehr soll das Stundengebet den ganzen Tag heiligen und strukturieren, von der Frühe bis zur Nacht. Im Kloster lässt sich das leicht verwirklichen. Für einen in der Seelsorge tätigen Priester ist das schon schwieriger. Und für einen verheirateten Priester erst recht.

Evangelischer Pfarrer und katholischer Priester werden zweitens in sehr unterschiedlichem Maß durch die Gläubigen in Anspruch genommen. Es sind vor allem die drei Sakramente Eucharistie, Beichte und Krankensalbung, zu deren Spendung der katholische Priester immer bereit sein muss.

Als Krankenhauspfarrer habe ich knapp 400 Krankensalbungen pro Jahr gespendet oder, wie man heute sagt, gefeiert; die meisten als Sterbesakrament – „letzte Ölung“. Zu jeder Tages- und Nachtzeit, denn die Menschen halten sich beim Sterben nicht an irgendwelche Bürozeiten.

Evangelische Christen haben dieses Sakrament nicht und können im allgemeinen gut ohne Pfarrer sterben. Nur in seltenen, besonderen Fällen lassen sie den Pfarrer oder die Pfarrerin holen.

Die Beichte ist nicht abgeschafft im Protestantismus. In den neun Jahren als evangelischer Pfarrer habe ich im ganzen eine Beichte gehört. In meinen ersten neun Jahren als katholischer Priester waren es einige tausend. Und das gerne zu familienunfreundlichen Zeiten, z. B. Samstag von 19 bis 22 Uhr.

Schließlich die Eucharistie. Weil immer noch recht viele Katholiken dem Sonntagsgebot der Kirche folgen, ist der katholische Priester sonntags in stärkerer Weise gefordert als sein evangelischer Kollege. Ich habe durchgehend an jedem Sonntag drei oder zwei Gottesdienste zu halten gehabt. Familienfeste, Familienbesuche? Da musste ich Vertretungen besorgen, und das war nicht immer leicht. Mein evangelischer Kollege dagegen hielt vierzehntäglich Gottesdienst – an jedem zweiten „Wochenende“ war er frei.

Ich will mit dem allem nicht sagen, dass evangelische Pfarrer weniger tun als katholische. Durchaus nicht. Aber sie sind in ihrem Tun viel weniger fremdbestimmt. Und das macht ihren Beruf familienfreundlich.

Die Zeiten ändern sich. Katholische Priester gleichen sich mehr und mehr ihren protestantischen Kollegen an. Eine große Befragung von Priestern in den Jahren 2012 bis 2014 hat gezeigt, dass ein Viertel der Priester selten oder nie das Stundengebet verrichtet. Zunehmend verzichten die Mitbrüder auf die tägliche Zelebration der hl. Messe.

Auch das Kirchenvolk passt sich den protestantischen Mitchristen immer mehr an. Sonntagspflicht, Sakramentenempfang? Mit der Verflüchtigung des traditionellen katholischen Milieus werden Fremdworte daraus, und damit nimmt auch die Beanspruchung der Priester ab.

Ich befürchte, dass man bei dieser Entwicklung die Verpflichtung zum Zölibat schließlich nicht mehr aufrecht erhalten kann. Ob man damit aber eine nennenswerte Zahl von jungen Männern (oder demnächst auch Frauen) für den Priesterberuf gewinnen kann, möchte ich angesichts der Krise des Pfarrer- bzw. Pfarrerinnennachwuchses im Protestantismus durchaus bezweifeln.

Aber ich wollte ja von meinen Erfahrungen berichten und nicht meine Prognosen ausbreiten. Ich habe das Glück, dass meine Frau meinen Beruf mitträgt. In unseren Anfangszeiten war sie mit Leib und Seele Pfarrfrau. Die Konversion war ein gemeinsamer Weg, und jetzt trägt sie geduldig alle Einschränkungen des Familienlebens, die mein Priesterberuf mit sich bringt.

Ja, in mancher Hinsicht geht sie mir im geistlichen Leben voran. Eine Priesterehe ohne diese geistliche Übereinstimmung? Das kann ich mir schlechterdings nicht vorstellen. Aber ich kenne evangelische Ehen, wo die Frau mit dem Pfarrerberuf ihres Mannes nicht eigentlich etwas zu tun haben will.

Eine Beobachtung will ich schließlich noch anführen. In meiner Kindheit und Jugend, als Student und als junger Pfarrer bin ich vielen evangelischen Pfarrern begegnet. Sie haben mich vielfältig angeregt und vorangebracht in meinem Glauben und Denken. Drei von ihnen aber haben mir nicht nur Anregungen gegeben, sondern einen prägenden Einfluss auf mich ausgeübt, und ich denke, dass ich ohne sie nicht katholisch geworden wäre. (Mich katholisch zu machen, war keineswegs ihre Absicht; sie selbst sind diesen Weg nicht gegangen.)

Diese drei für mich so wichtigen Pfarrer waren zölibatär lebende Geistliche. Im Protestantismus ist der Zölibat ja nicht verboten. Sie hatten gerade als Unverheiratete die Zeit und die Freiheit, sich um einen Schüler, Studenten und schließlich um einen jungen Mitbruder zu kümmern. Sie waren geistlich sehr profilierte Persönlichkeiten, die insofern für mich als jungen Menschen große Anziehungskraft besaßen.

Dass es gerade zölibatär lebende Pfarrer waren, die dieses geistliche Profil haben, will mir nicht als Zufall erscheinen.

Kommentare

0 Antworten

  1. In der syrischen bzw. assyrischen Kirche von Antiochia u.a. nach dem Apostel Petrus gibt es auch verheiratete Priester. Wie auch in mit der katholischen Kirche unionierten Ostkirchen.

    Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien Siegel der Syrisch-Orthodoxen Kirche
    Die Syrisch-Orthodoxe Kirche (aramäisch ܥܕܬܐ ܣܘܪܝܝܬܐ ܬܪܝܨܬ ܫܘܒܚܐ Ito Suryoyto Triṣath Shubħo) ist eine selbständige altorientalische Kirche, erwachsen aus dem altkirchlichen Patriarchat von Antiochien. Nach Jakob Baradai, dem Begründer der Unabhängigkeit der Kirche, wurden ihre Mitglieder häufig Jakobiten genannt, besonders in der arabischen Sprache (يعاقبة, DMG Yaʿāqiba oder يعقوبيون / Yaʿqūbiyyūn). Diese Bezeichnung wird von ihnen selbst aber abgelehnt. Oberhaupt ist seit März 2014 Ignatius Efräm II. (Cyril Afrem Karim); er war zuvor Metropolit und Patriarchalvikar für den Osten der USA.[1] Es gibt rund 2 Millionen, nach anderen Angaben 3,5 Millionen Gläubige, Dreiviertel davon leben in Indien,[2][3] etwa 100.000 in Deutschland.[4]

    https://de.wikipedia.org/wiki/Syrisch-Orthodoxe_Kirche_von_Antiochien

    Ursprünge bis zum 3. Jahrhundert Die Kirche von Antiochien ist nach der Urgemeinde in Jerusalem die älteste unter den langfristig bestehenden Gemeinden. Laut der Bibel wurde hier für die Gläubigen erstmals die Bezeichnung „Christen“ verwendet (vgl. Apg 11,26 EU).[5]

  2. Apokryphen

    http://hauszellengemeinde.de/die-apokryphen/%20Die%20Apokryphen

    Tja, nun, etwa der Barnabas-Brief wurde durchaus ursprünglich zur Heiligen Schrift gezählt.
    Ebenso wie die gesamte Septuaginta-Bibel mit der darin enthaltenen „Weisheitsliteratur“.
    Der Heilige Irenaeus von Lyon zählte auch noch den 1. Clemensbrief und den Hirtenbrief des Hermas zum biblischen Kanon bzw. zum Bibel-Kanon des Neuen Testamente der Bibel.
    Siehe auch den breiteren und engeren Bibel-Kanon der Kopten Äthiopiens bzw. der koptisch-äthiopischen Tewahedo-Kirche, zu dem etwa u.a. auch noch das äthiopische Henoch-Buch und das Jubiläen-Buch gehören. Siehe ferner die Kirchenväter und Kirchenlehrer wie Justin den Märtyrer mit seiner Logos-Theologie, und den Heiligen Irenaeus von Lyon, der diese von ihm übernahm. Oder auch den jüdischen Theologen und Merkaba-Mystiker und hermetischen Philosophen und Gelehrten Philo(n) von Alexandrien, dessen Schriften der Apostel Paulus kannte und von dem er auch zitierte.

  3. Erstmal mein Dank für diesen angenehmen Artikel, der frei ist vom teilweise einfach nur widerlichen Eifertum einiger katholischer Konvertiten. Die Aspekte, die der Autor pro Zölibat vorbringt, können aber „nur“ auf das eine Argument zusammen gefasst werden: Zeitliche Inanspruchnahme. Das ist mir etwas zu wenig, auch wenn mir klar ist, dass das ein spürbares Problem sein kann.

    Zunächst denke ich, dass es nicht Sinn und Zweck sein kann, als allzuständiger Einzelkämpfer zu agieren. Viele katholische Priester haben das erkannt – oft gezwungener Maßen – und angefangenen, das zu delegieren, was nicht ihre Kernaufgabe betrifft. Zum Anderen sagt der Autor nichts darüber, dass eine funktionierende Ehe ein erheblicher stabilisierender Faktor ist, der den Pfarrer erdet und ihm auch ein Maß an menschlicher Zuneigung schenkt, das er als Zölibatärer so schlicht nicht bekommen kann.

    Als verheirateter Mann bin ich immer wider glücklich darüber wie sehr der Vollzug meiner Ehe, Freude und Energie freisetzt.

    Der Autor sagt wenig dazu und er versucht vor allem nicht, sich sein Leben mal ohne Ehefrau vorzustellen, um auf diese Weise mal zu „schmecken“ wie sich das für ihn anfühlen würde. Und wenn es nur darum geht, das Ende eines harten Tages allein verbringen zu müssen, ohne Feedback, Verständnis und persönlicher Zuneigung einer „Kampfgefährtin“ (wie das Wort, das in der Genesis gerne als „Gehilfin“ für Eva übersetzt wird, auch übersetzt werden kann.)

    Deshalb ist die Ehelosigkeit immer eine frei geschenkte Gnadengabe und darf nie ein bloßes menschliches Opfer sein. Der biblisch verstandene Zölibat kann daher nie ein Pflichtzölibat sein, denn nicht alle katholischen Priester haben diese Gnadengabe, was ganz offensichtlich ist. An dieser Überzeugung halte ich fest.

    1. Tatsache ist eben auch, dass viele verheiratete Priester und Pfarrer weniger hysterisch und besser geerdet und besser verwurzelt in der Gemeinde sind. Und naturgemäß deutlich weniger sexuelle Fehlverhaltensweisen und Skandale und Mißbrauchsfälle aufweisen, auch dazu gibt es nämlich Studien und statistische Häufigkeiten und Beispielfälle und Kriminalakten. Zumindest der Gang zur Prostituierten und Onanie bzw. Masturbation ist bei denen weniger häufig. Sie können besser den Anfechtungen der heutigen westlichen Gesellschaften widerstehen. Und Bibel-Gemäßer als die unbiblische Pflicht zum Zölibat ist dies ohnehin. Denn in der Tat wird die Fähigkeit zur Ehelosigkeit bzw. das Zölibat dort als eine Gnadengabe bzw. Charisma beschrieben bzw. definiert und eingeordnet. Als eine Gabe des Heiligen Geistes, die zwar wertvoll ist, die aber eben nicht jeder hat als Fähigkeit bzw. Befähigung. Deswegen wäre ich dafür, das Zölibat freizustellen bzw. freiwillig zu machen.

      1. Oder auch Orthodoxe.

        Siehe auch zu den sogenannten „Apokryphen“:

        http://hauszellengemeinde.de/die-apokryphen/

        Der Heilige Augustinus ordnete die Schriften der jüdisch-hellenistischen ägyptisch-alexandrinischen Weisheitsliteratur in der griechischsprachigen Septuaginta-Bibel den anderen biblischen Schriften zwar unter und ich sehe sie auch als von diesen ausgehend zu interpretieren an, aber auch Augustinus anerkannte sie als katholischer Kirchenlehrer voll.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Kategorien

Aktuelle Beiträge

Archiv

Archive

Artikel-Kalender

April 2024
M D M D F S S
1234567
891011121314
15161718192021
22232425262728
2930  

Blog Stats

688559
Total views : 8774801

Aktuelle Informationen und Beiträge abonnieren!

Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, wenn Sie kostenlos über neu erschienene Blog-Beiträge informiert werden möchten.