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Glaubensstark: 63. Gelöbniswallfahrt der Donauschwaben nach Altötting

Von Stefan P. Teppert

Die Entstehung dieser Gelöbniswallfahrten

Der 24. März 1946 –  am Vorabend des Festes Mariä Verkündigung –  war der Tag, an dem Pater Wendelin Gruber zusammen mit seinen hoffnungslos im Vernichtungslager Gakowa (Jugoslawien) dahinsiechenden donauschwäbischen Landsleuten in einer Messfeier bei überquellendem Gotteshaus gelobte, jährlich aus Dankbarkeit zu pilgern, „wenn wir am Leben bleiben“.

Zu Pfingsten 1946 wiederholte er dieses Gelöbnis bei einem geheimen Gottesdienst im Vernichtungslager Rudolfsgnad. An dieses Versprechen erinnerte der Jesuitenpater seine Landsleute, nachdem er durch Vermittlung von Bundeskanzler Konrad Adenauer aus sechsjähriger Kerkerhaft in Jugoslawien nach Deutschland entlassen worden war.

Bis heute wird dieses Gelöbnis von Überlebenden und Bekennern bei Wallfahrten in Europa, Nord- und Südamerika jedes Jahr aufs Neue eingelöst.

Längst ist es zum Klassiker donauschwäbischer Nachkriegsfrömmigkeit geworden. 1959 gründete Gruber die Gelöbniswallfahrt nach Altötting, die seither alljährlich am zweiten Wochenende im Juli stattfindet  –  unterbrochen lediglich durch die Coronakrise –  dieses Jahr zum 63. Mal.

Eröffnungsgottesdienst mit Vortrag

In der Stiftskirche zelebrierte am Samstag um 15 Uhr Stiftskanoniker Johann Palfi – wie in den Vorjahren – zusammen mit Pfr. Zoltan-Josef Kocsik, Pfr. Paul Kollar, Msgr. Andreas Straub und Pfr. Karl Zirmer den Eröffnungsgottesdienst.

In vier Sprachen begrüßte er seine Konzelebranten und Wallfahrer aus Deutschland und Österreich, dem ehemaligen Jugoslawien, Rumänien und Ungarn im Namen des St. Gerhardswerks und des Gerhardsforums und betonte, dass die Donauschwaben bis heute ihre Kultur und Religion heiliggehalten hätten und es darauf ankomme, dass sie Pater Wendelin Grubers Gelöbnis gemeinsam einlösen.

Ursula Stöckl begleitete an der Orgel die heute in Bayern heimischen, aber aus dem Banater Bergland stammenden Weidenthaler Chormädels. Die Pilger lauschten ergriffen dem harmonischen Ensemble.

Kommunismus in Rumänien: Vertreibung der Deutschen und Kampf gegen die Kirchen

Domkapitular Andreas Reinholz, Pfarrer an der Wallfahrtsbasilika im rumänischen Banat, referierte zum Thema „Märtyrer in der Zeit des Totalitarismus in Rumänien“.

Nach dem schonungslosen Angriff des kommunistischen Regimes zunächst auf die deutsche Bevölkerung des Landes mit Vertreibungsplänen, Internierung, Enteignung, Diffamierungskampagnen und Deportation zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion wuchs auch der Druck auf Religionen und Kirchen, vor allem auf die Katholische Kirche in Rumänien, dessen Auswirkungen über Jahrzehnte hinweg und teilweise bis heute spürbar seien.

Sämtliche Orden und Kongregationen, die sich mit Unterricht, Erziehung, Krankenpflege und sozialer Assistenz beschäftigten, wurden verboten, Bischöfe und Priester unter der Anklage der Spionage für den Vatikan verhaftet und ihre Kathedralen vom Staat übernommen.

Aus dem rumänischen Banat seien insgesamt 55 Priester verhaftet und teils über Jahre in Einzelhaft gehalten worden. Reinholz selbst kannte davon noch 20 Persönlichkeiten, von denen er besonders das Schicksal von Bischof Adalbert Boros genauer schilderte.

Trotz dessen langer Gefangenschaft und todesbereiten Bekenner-Schicksals habe er kirchentreu und ohne Hass auf seine Peiniger bis ins hohe Alter Mut, Freude und Optimismus ausgestrahlt und dadurch andere Menschen zum Glauben inspiriert.

Pontifikalamt mit Erzbischof Gänswein

Der Vorabendgottesdienst in der Basilika St. Anna um 20 Uhr entfiel diesmal zugunsten eines Pontifikalamtes im Rahmen eines Symposiums über Papst Benedikt XVI. Dessen ehemaliger Privatsekretär Erzbischof Dr. Georg Gänswein (siehe Foto) war dabei der Hauptzelebrant zusammen mit Kurt Kardinal Koch. Auch die donauschwäbische Priesterschaft feierte den Gottesdienst mit.

Nach der Messe prozessierten die Pilger, angeführt und mit Gebeten über Lautsprecher begleitet von dem Wallfahrtsrektor und Altöttinger Stadtpfarrer Prälat Günther Mandl, der donauschwäbischen Geistlichkeit und der Blaskapelle Altötting, in der Abenddämmerung mit ihren Kerzenlichtern von der Basilika zum Kapellplatz und umrundeten drei Mal die Gnadenkapelle, stimmten Kirchenlieder an, manche in andächtiger Sangesfreude bis weit nach 22 Uhr.

Prozession zur Basilika

Am Sonntagmorgen bewegte sich zu den festlichen Klängen der Blaskapelle der HOG Sanktanna eine Prozession von der Stiftskirche zur Basilika, vorn die Kreuzträger, dahinter einer Kerze mit Inschrift „63. Gelöbniswallfahrt“, dann in der Mitte die Fahne des St. Gerhardswerks, links und rechts flankiert von einer Tafel mit dem Bildnis Pater Grubers und einer mit der Kirche des Wallfahrtsortes Maria Radna.

Es folgten Fahnenabordnungen, vier Frauen mit Marienstatue auf einer Trage, Musikkapelle, Geistlichkeit, Trachtenträger und Pilger.

Kirchenverfolgung in Südosteuropa

Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der LMU München, PD Dr. Angela Ilić, sprach das Wort des Laien zum Thema „Märtyrer und Glaubenszeugen als mutige Vorbilder“. Schon gleich zu Beginn des Christentums seien seine Anhänger verfolgt, gefoltert und getötet worden, mehr oder weniger intensiv während seiner ganzen Geschichte.

Im 20. Jahrhundert verankerten besonders kommunistische Ideologien und Gesellschaftsordnungen ihre feindliche Haltung gegenüber Religion und Gläubigen staatlich. So habe die Verfolgung der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie ihrer Mitglieder und Sympathisanten in Russland unmittelbar nach der sowjetischen Machtübernahme begonnen.

In Südosteuropa sei dies mit großer Intensität in den 1940er Jahren erfolgt. Bereits während des Zweiten Weltkriegs seien Gewalttaten von Partisanen und Kommunisten begangen worden. Eine intensive Kirchenverfolgung wurde nach Kriegsende offiziell gemacht und systematisiert.

In den Staaten des Ostblocks und Südosteuropas habe man religiöse Amts- und Machtträger – Bischöfe, Priester, Pfarrer, Ordensleute – gezielt zu Opfern von Gewalt gemacht, aber auch unzählige Laien wegen ihres Glaubens verfolgt, verhaftet, gequält, bei der Studien- und Berufswahl benachteiligt, in Schauprozessen verurteilt, in Umerziehungs- und Arbeitslager geschickt, sogar getötet.

Unzählige Gotteshäuser wurden zerstört oder umfunktioniert, religiöse Orden aufgelöst, kirchliche Schulen verstaatlicht, kirchliches Eigentum enteignet oder nationalisiert.

Durch die Wellen der Verfolgung über die Jahrzehnte bis zur politischen Wende wurden Tausende zu Märtyrern – und diejenigen, die Schikanen und Gräueltaten überlebten, zu Glaubenszeugen. Viele von ihnen kennen wir namentlich, wahrscheinlich seien aber viele Tausende namenlos geblieben

Erinnerung an Donauschwaben tabuisiert

Die kommunistischen Regierungen in Rumänien und Ungarn, besonders aber in Jugoslawien hätten hart daran gearbeitet, die Geschichte nicht nur dieser Märtyrer, sondern auch die Erinnerung an die Donauschwaben überhaupt zu tabuisieren und in die Vergessenheit zu treiben.

Nach dem Vorbild der Märtyrer und Glaubenszeugen sei es deshalb unsere Aufgabe, mutig die Prinzipien unseres Glaubens in bedrängter Lage zu verteidigen und die Erinnerung an die Missstände wachzuhalten und weiterzugeben, die zum Leiden dieser Menschen geführt haben.

Wenn wir merken, dass die Erinnerung an bestimmte Gräueltaten unterdrückt oder banalisiert wird, oder wenn historische Tatsachen umgedeutet oder geleugnet werden, müssen wir dem mit unerschrockener Bestimmtheit, aber ohne Hass unser eigenes Narrativ entgegensetzen.

Durch Erinnerung machen wir, so Ilić, die Versuche der kommunistischen Regierungen zunichte, welche die Donauschwaben und ihre Geschichte auslöschen wollten. Dies sei vor allem mit Dokumentationen gelungen: durch das  mehrbändige Werk „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“ sowie durch das vom St. Gerhardswerk herausgegebene, fast 800 Seiten umfassende „Donauschwäbische Martyrologium“.

Pontifikalamt mit em. Erzbischof Schick

In der Basilika feierte dann Erzbischof em. Dr. Ludwig Schick aus Bamberg zusammen mit weiteren Geistlichen das Hochamt. Die Donauschwäbische Singgruppe Landshut unter Leitung von Reinhard Scherer durchdrang die Basilika mit den Wohlklängen der Messe von Franz Schubert (1797 – 1828) sowie der Lieder „Wenn ich ein Glöcklein wärʼ …“ und „Ich bete an die Macht der Liebe“.

In seiner Predigt sagte Erzbischof Schick, Altötting sei nicht nur die Herzkammer der Wittelsbacher – wo sie ihre Herzen beisetzen ließen, sondern auch die Herzkammer des christkatholischen Lebens in Süddeutschland. „Herz Bayerns“ werde Altötting genannt.

Die Donauschwaben, so Schick, haben sich in ihrer ganzen Geschichte durch Gottvertrauen und Mut ausgezeichnet, das Christentum an den Grenzen Europas gesichert und nach Osten hin ausgebreitet. Sie haben in der Habsburgermonarchie und in allen politischen Systemen danach bis heute den katholischen Glauben hoch gehalten.

In Deutschland und Europa befinde sich das Christentum heute in einer tiefen Krise, einer Entkirchlichung. Sogar das „Friedensprojekt Europa“ stehe auf dem Spiel. Auch die christliche Ethik werde in Frage gestellt (Stichworte Legalisierung der Abtreibung, Euthanasie im Alter, Missachtung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft).

Es brauche daher mehr Spiritualität, mehr Frömmigkeit, mehr Geist Christi, mehr Mut, mehr gelebten Glauben im Alltag, mehr christliche Werte in Ehe und Familie, Gesellschaft und Politik.

Traditionsgemäß spielte nach dem Gottesdienst und vor dem Auszug zum Gedenken an die Toten bei geneigten Fahnen die Blaskapelle der HOG Sanktanna die zwei getragenen Stücke: „Ich hatt’ einen Kameraden“ und Totenmarsch „Ewige Nacht“.

Marienandacht von K-TV übertragen

Am Nachmittag wurde in der Basilika die Marienandacht von Pfr. Andreas Reinholz und Pfr. Zoltan-Josef Kocsik gefeiert. In seiner Andachtspredigt vertiefte Pfr. Kollar das Thema des vertrauensvollen Mutes. Am Ende segnete Msgr. Straub die Andachtsgegenstände der Pilger. Mit seinen 88 Lebens- und 63 Priesterjahren hat er diese Segnung heuer zum einunddreißigsten Mal vorgenommen.

In diesem Jahr wurden Teile der Wallfahrt erstmals vom Fernsehsender K-TV live übertragen. So konnten zahlreiche Menschen im In- und Ausland, in Europa und Übersee ein Ereignis mitverfolgen, an dem sie nicht selten in früheren Jahren selbst noch als Pilger teilgenommen hatten. Die Einschaltquote sei laut Sender dadurch deutlich gestiegen.

 

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