Von Dr. Josef Bordat
Ein Bild macht die Runde. Eigentlich sind es zwei, die geschickt komponiert wurden. Es stellt die Aufnahme eines Galgens neben die eines Fallbeils. Beide Artefakte symbolisieren als Instrumente einer weithin bekannten Form von Hinrichtungspraxis (Erhängen oder Köpfen) den Wunsch nach Exekution. Sie nehmen gleichermaßen Bezug auf Vize-Bundeskanzler Sigmar Gabriel.
Also: Einmal wird der Tod Gabriels durch den Galgen, ein andermal durch das Fallbeil gefordert. Beides ist bösartig, abscheulich, verwerflich – und dürfte zudem gleichermaßen strafbar sein. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen beider Entgleisungen gleichermaßen zur Rechenschaft gezogen werden.
Doch meine Hoffnung ist unbegründet. Denn nur in einem Fall – dem des Galgens – reagiert eine breite Öffentlichkeit mit Empörung und der Forderung nach Strafverfolgung. Im anderen Fall – dem des Fallbeils – schweigt sie.
Der Eindruck entsteht: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Der ganz unterschiedliche Umgang mit den beiden Fällen hat weniger mit Galgen oder Feilbeil an sich zu tun (…), sondern vielmehr damit, in welchem Kontext die Artefakte auftraten. Der Galgen bei Pegida, das Fallbeil bei TTIP. Das ist der Unterschied.
Für “TTIP Fallbeil” liefert eine vielgenutzte Suchmaschine 7.130 Ergebnisse, für “TTIP Guillotine” immerhin 69.800. Für “Pegida Galgen” sind es hingegen gleich sechsmal so viele Treffer: 437.000. Eine Strafverfolgung findet derzeit nur in Sachen Galgen, nicht in Sachen Fallbeil statt. Die einschlägige “Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten” (§ 126 StGB) braucht Störung, aber auch Öffentlichkeit.
Die Öffentlichkeit stört sich eher an Pegida als an TTIP. Das allein ist noch nicht das Problem – es gibt sogar gute Gründe, das eine Anliegen gegenüber dem anderen vorzuziehen. Da ist es nicht nur kein Problem, sondern es liegt gerade in der Natur der Verschiedenheit der Phänome diese mit zweierlei Maß zu bemessen und etwa zu der einen Veranstaltung zu gehen, zu der anderen aber nicht.
Das Problem beginnt dort, wo man gleichermaßen verwerfliches Handeln vor dem Hintergrund des unterschiedlich bewerteten Kontexts ebenfalls unterschiedlich bewertet. Es gibt aber keine gute “Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten”, die als solche nicht verfolgt werden muss. Zumindest dann nicht, wenn unser Rechtsstaat nicht auf Gesinnung, sondern auf Gerechtigkeit gebaut sein soll. (…)
Besonders verstörend ist das Messen mit zweierlei Maß aus ideologischen Gründen. Das beginnt in der Bewertung historischer Ereignisse. Während die Hexenverfolgung mit 50.000 Opfer in 350 Jahren in jedem aufgeklärten Munde ist, finden die 50.000 Terror-Opfer der Französischen Revolution aus dem Sommer 1794 kaum Beachtung (so man überhaupt von ihnen weiß).
Das setzt sich im Urteil der Medien über die Gegenwart fort. Für verfolgte Christen gibt es weit weniger Empathie als für verfolgte Jesiden.
Hier finden Sie den vollständigen Artikel unseres Gastautors Dr. Josef Bordat: https://jobo72.wordpress.com/2015/10/15/mit-zweierlei-mass/
GALGEN-Symbole bei linken Studentenprotesten der 90er Jahre: https://www.netzplanet.net/pegida-galgen-in-den-90er-jahren-kein-problem/
Eine Antwort
Auch die „linken“ Galgen, an dem die Puppen schon hingen, regte damals niemanden auf:
http://www.metropolico.org/2015/10/15/der-spiegel-und-die-galgen/
Ein paar „rechte“ Holzbalken dagegen sorgen für Empörung.