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Beten wir nur um Trost von oben oder auch um unsere Umkehr zu Gottes Geboten?

Von Felizitas Küble

Auf vielen Internetseiten von Pfarrgemeinden – und natürlich erst recht auf dem erscheinungsbewegten Portal „Kath.net“ – finden wir derzeit ein Gebet, das Dr. Johannes Hartl veröffentlicht hat, der katholische Theologe und Leiter des charismatisch-ökumenischen Gebetshauses Augsburg. In Münster entdeckte ich diesen Text auch in einer Kirche – als Flugblatt zahlreich ausgelegt neben Ostereiern und kleinen Kerzen.

In pfingstlerischen und charismatischen Kreisen gibt man sich gerne „prophetisch“, liebäugelt mit außergewöhnlichen „Geistesgaben“ wie etwa dem sogenannten „Wort der Erkentnis“ oder Visionen für die Zukunft.

Dabei wird gerne übersehen, daß die Aufgabe der biblischen Propheten weniger in  auffälligen „Vorhersagen“ bestand, sondern vielmehr in der kräftigen Bußpredigt. Es ging darum, die Gläubigen und erst recht die Ungläubigen zur Umkehr zu rufen, aus ihrer Gleichgültigkeit herauszureißen und immer wieder an Gott und seine Gebote zu erinnern.

Diese herbe Zeit(geist)kritik, dieser unbequeme Dienst, der oft zu Verfolgung oder gar Tod führte, war das eigentliche „prophetische“ Wirken dieser mutigen Persönlichkeiten „von Gottes Gnaden“.

Im Vergleich dazu ist es viel behaglicher, Gott und seine „Zärtlichkeit“ anzurufen, ihn um „Trost“ für uns selber zu bitten und an seine „Sanftheit“ zu appellieren.

Nicht daß dies völlig falsch wäre, nicht daß das Bittgebet an sich ein Problem wäre (ganz im Gegenteil) – aber wir wäre es, wenn auch um die eigene Umkehr gebetet würde?

Auch die Gläubigen bedürfen immer wieder eine stärkeren Neuausrichtung auf Gott und seinen Willen – und erst recht in Notzeiten sollen sie durch „Bußrufe“ zur inneren Einkehr gelangen.

Doch gerade in charismatischen Bewegungen wird zwar viel vom „prophetischen Dienst“ geredet, aber damit nur selten ein wirklicher Bußaufruf verbunden.

Das zeigt sich bei Dr. Hartls Gebet angesichts der Corona-Krise ebenfalls. Schon der erste Satz ist charakteristisch: „Herr, wir bringen Dir alle Erkrankten und bitten um Trost und Heilung.“

Sodann die nächsten zwei Bitten (erneut wird darin um „Trost“ gefleht): „Sei den Leidenden nahe, besonders den Sterbenden. Bitte tröste jene, die jetzt trauern.“

Kein Wort davon, daß Gott die Sterbenden zur Umkehr führen möge – oder sind etwa alle Todgeweihten im „Gnadenstand“ und bereit für den Himmel?

Sodann wird für Politiker und Pfleger etc. gebetet, ebenso für Menschen „in Panik“ oder mit „materiellem Schaden“. Auch hierbei ist keinerlei „Bußruf“ damit verbunden.

In diesem Seufzer-Stil geht es dann weiter: „Guter Gott, wir bringen Dir alle, die in Quarantäne sein müssen, sich einsam fühlen, niemanden umarmen können. Berühre Du Herzen mit Deiner Sanftheit.“

Stellt schon der „liebe“ Gott eine gewisse Verniedlichung dar, so erst recht der „sanfte“ Gott….

Immerhin heißt es noch, daß wir „irgendwann sterben werden“ und Gott allein „ewig“ ist – aber erneut keine Bitte um eigene Heiligung und verstärkte Hinwendung zu Gott im Sinne des biblischen Wortes:

„Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit – und alles andere wird euch hinzugegeben werden.“ (Mt 6,33).

Quelle für die Zitate: https://johanneshartl.org/gebet-in-der-coronakrise/

Kommentare

6 Antworten

  1. Typisch, die Charismatik. Das Gebet von Dr. Hartl passt genau in diesen Hallejuja-Glauben.
    Es geht in erster Liene um das Wohergehen der Menschen.

    Dabei wartet Gott auf die Umkehr der Sünder und dann nimmt er sie in den Arm. Siehe das Beispiel des verlorenen Sohnes.
    Es bedurfte eine riesigen Not, bis der Sohn umkehrte zum Vater. Dieser freute sich, als er ihn schon von weitem sah. Und dann kam das große Fest und sicherlich wurden alle satt.

    Aber Dr. Hartl erwartet von Gott immerzu Tröstungen und „Zärtlichkeiten“ für die Seele.
    Und dann werden leider Gottes die Tröstungen, die Gott den Menschen schenkt, nicht angenommen und sogar abgewiesen. Der Mensch sollte nach den echten Tröstungen in seinem Leben suchen. Manchmal sind es ganz andere Tröstungen, als man erwartet.

    Worin hat Hartl eigentlich seinen Doktortiel gemacht ? Ich schätze in Philosophie und Germanistik 😉

  2. Richtig bleibt aber, dass die Propheten im Alten Testament nicht in erster Linie Weissager waren, sondern Mahner.
    Wenn Prophetie vor allem als (womöglich noch spektakuläre) Weissagung verstanden wird, läuft etwas schief, oder zumindest wird sie ihrem eigentlichen Wesen nicht gerecht.

  3. Na ja, in schweren Zeiten bittet man um Linderung der Not, in Zeiten der Krankheit um Befreiung von der Krankheit. Das war im Mittelalter in den großen Seuchen sicherlich nicht anders. Natürlich soll der Mensch sich um Bekehrung bemühen, aber wenn eine reale Not da ist, ist die Befreiung von dieser Not das Nächstliegende.

    Deswegen finde ich diesen Kritikpunkt etwas überzogen.

    1. Guten Tag,
      im Mittelalter gab es natürlich – vor allem in Pestzeiten – Bittprozessionen, die aber oft den Charakter von Bußprozessionen hatten, Prediger zogen durch die Lande, oft Kapuzinerpatres, und riefen zur Bekehrung auf usw. Das nahm dann sogar bei den sog. „Geißlern“ und ihren makabren übertriebene Formen an, so daß die Kirche teilweise dagegen einschritt.
      Aber die Vorstellung, man habe damals vor allem „Trost von oben“ gesucht, trifft insgesamt nicht zu – man neigte eher zum entgegengesetzten Extrem.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  4. Danke für diese Info. Herrn Hartl muss man schon kritisch sehen, wie auch Sie das tun, was sich auch heute vor einer Woche bei der Gebetsveranstaltung über bibel-tv gezeigt hat

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