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Corona-Debatte: Kritik an Amtsenthebung eines Priesters im Erzbistum Paderborn

Von Dr. Axel Bernd Kunze

Medizinische Fragen gehören zu den irdischen Wirklichkeiten, die unter Beachtung der ihnen „eigenen Gesetze und Werte“ (Gaudium et spes 36) zu klären sind. So hat es das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Lehre von der Autonomie der irdischen Wirklichkeiten formuliert.

Urteile in zeitlichen Dingen, die auf eine der Vernunft und ihrem Sollen angemessene Weise gefällt werden, sollten dem Kriterium der Verbindlichkeit genügen, können aber keinen Anspruch auf Endgültigkeit oder Absolutheit erheben. Sie gelten immer nur bis zum Erweis des Gegenteils.

Kurz gesagt: Medizinische Fragen können durchaus eine theologisch-ethische Seite haben. Ihr Sachanteil aber muss medizinisch geklärt werden. Dabei ist nicht zwingend wissenschaftliche Einstimmigkeit zu erwarten.

Allein die Debatte über die richtige medizinische Strategie gegen COVID-19-Erkrankungen hat dies jüngst mehr als gezeigt.

Bei der Klärung wissenschaftlicher Streitfragen und der damit verbundenen ethischen Implikationen werden Christen bei gleicher Gewissenhaftigkeit dann auch durchaus zu unterschiedlichen Antworten gelangen können. Dies wusste schon das vergangene Konzil und mahnte die eigenen Gläubigen: „Immer aber sollen sie in einem offenen Dialog sich gegenseitig zur Klärung der Frage zu helfen suchen; dabei sollen sie die gegenseitige Liebe bewahren und vor allem auf das Gemeinwohl bedacht sein“ (Gaudium et spes 43).

Vor diesem Hintergrund lässt eine Meldung aus dem Erzbistum Paderborn aufhorchen. Wie Medien in der vergangenen Woche meldeten, ist ein Priester in Brilon vom Erzbischof nach eingehender kirchenrechtlicher Prüfung amtsenthoben worden.

Der Priester war durch Kritik am Synodalen Weg aufgefallen und hatte dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Glaubensabfall vorgehalten. Lassen wir diese Vorwürfe im vorliegenden Kontext einmal außen vor.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Äußerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ist ein anderer Punkt am vorliegenden Fall bemerkenswert, und zwar der Umgang mit innerkirchlichen Kritikern der aktuellen Coronapolitik.

Denn es gab noch ein zweites Thema, bei dem sich der Briloner Priester vorgewagt hatte: So hatte er die Impfaktion im Paderborner Dom im Dezember 2021 und die Impfempfehlung des Paderborner Oberhirten kritisiert.

Erzbischof Becker hatte die Coronaimpfung als „Schutz für sich und andere“, als ein „Gebot der Stunde“ und als „gelebte Nächstenliebe“ bezeichnet. Der WDR hatte bereits im März 2022 über den Geistlichen berichtet, der Priesterrat sich daraufhin von dem Briloner Amtsbruder distanziert. Im Folgenden hatte sich dieser nicht mehr auf den Internetseiten des Priesterkreises, dem er angehört, geäußert.

Wo bleibt die Toleranz in medizinisch strittigen Fragen?

Das Erzbistum wertet die Äußerungen des suspendierten Priesters gegenüber der Presse als „private Meinungsäußerungen“. Das ist in solchen Fällen zu erwarten. Nicht privater Natur sind offenbar die Äußerungen des Erzbischofs in medizinischen Sachfragen.

Als Theologe weiß Becker anscheinend sehr genau Bescheid über die Schutzwirkung der neuartigen Coronaimpfstoffe, deren Nebenwirkungen und damit verbundenen medizinischen Aufklärungs- und Abwägungsfragen. Lehramt und theologische Ethik können eine differenzierte ethische Güter- und Übelabwägung vornehmen und Hilfen für die individuelle Gewissenssentscheidung anbieten.

Dies aber mit der gebotenen Vorsicht gegenüber medizinischen Fragen, die noch ungeklärt sind oder kontrovers diskutiert werden. Denn diese werden nicht durch plakative Slogans von Kirchenleitungen, theologische Vereinfachungen oder Disziplinarmaßnahmen geklärt.

Diese Fragen müssen medizinisch geklärt werden. Und medizinische Erkenntnisse gelten wie alle wissenschaftlichen Aussagen immer nur bis zum Erweis des Gegenteils.

Wo bleibt die Selbstbestimmung des Einzelnen?

Das Erzbistum Paderborn folgte im Coronawinter 2021/22 der Linie, welche der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz vorgegeben hatte, der im November 2021 eine moralische Impfpflicht postuliert hatte. Keine Frage: In einer nationalen Krisensituation besteht für den Einzelnen eine moralische Pflicht zur sorgfältigen ethischen Gewissensbildung und Güterabwägung.

Wer aber im Sinne einer ultima ratio mehr fordern wollte, müsste eine solche Verpflichtung sorgfältig empirisch wie ethisch begründen – doch in diesem Fall Fehlanzeige: „Impfen ist in dieser Pandemie eine Verpflichtung aus Gerechtigkeit, Solidarität und Nächstenliebe“, erklärten die Mitglieder des Ständigen Rates.

Näher hergeleitet wurde dieser Verpflichtungszusammenhang nicht. Dem christlichen Personalismus entspricht ein solches Vorgehen nicht. In der Folge konnte dann der Fraktionsvorsitzende der beiden C-Parteien bei der Impfpflichtdebatte im Bundestag erklären, er vermöge bei diesem Thema gar keine Gewissenssentscheidung zu erkennen.

Der pauschale Verweis auf ethische Hochglanzbegriffe jedoch wird weder dem Ernst der ethischen Entscheidungssituation gerecht noch bietet er geistig-moralische Orientierung und Entscheidungshilfe an. Dies wäre um der Selbstbestimmungsfähigkeit des Subjekts willen aber wichtig. Denn wer die Selbstbestimmung achten will, darf eine bestimmte Entscheidung nicht gleichzeitig zur Pflicht für andere machen wollen oder eine abweichende Entscheidung als „unethisch“ verunglimpfen.

Dies gilt erst recht, wo elementare Freiheitsgüter wie das Recht am eigenen Körper bedroht sind. Am Ende bleibt der Eindruck, dass die Kirche zwar schnell bei der Hand ist, moralische Ansprüche zu erheben, sich aber nicht in der Lage sieht, diese substantiell zu begründen.

Wer das Argumentieren verweigert, nimmt den Einzelnen und dessen Anspruch auf Selbstbestimmung nicht ernst. Moralische Erkenntnis, die der Selbstbestimmung des Menschen entspricht, bleibt auf Wissen angewiesen, das vom Einzelnen selbst auf Geltung hin geprüft wird. Nur dann sind autonome Entscheidungen möglich, welche der besonderen Erkenntnisfähigkeit der praktischen Vernunft entsprechen und moralisches Handeln im Vollsinn möglich machen.

Der Gläubige wird dabei durchaus am kirchlichen Lehramt Maß zu nehmen haben und sich an dessen Aussagen orientieren. Aber diese müssen selbst hinreichend begründet sein. Medizinische Sachfragen dürfen nicht mit biligen Floskeln aus dem kirchlichen Apparat plattgewalzt werden.

Und die Moral von der Geschicht‘?

Wird über eine Impfpflicht debattiert, ist mit einer solchen Debatte implizit schon eine Ohnmacht moralischer Argumentation eingestanden. Zwang im öffentlichen Diskurs setzt bereits dort ein, wo nicht mehr auf die Überzeugungskraft des rationalen Arguments vertraut wird.

Unser Autor Dr. Axel Bernd Kunze ist Experte für Bildungsethik und betreibt einen eigenen Blog: https://bildung-und-ethik.com/

 

Kommentare

9 Antworten

  1. Der Priester hart keine wissenschaftliche Fragen klären wollen, sondern Verschwörungserzählungen verbreitet
    das hat das Ordinariat klar erklärt

  2. Es ist davon auszugehen, daß vor der Suspendierung des Priesters Gespräche zwischen ihm und dem Ordinariat stattgefunden haben. Man dürfte ihm gesagt haben, daß das Erzbistum zur Zeit andere Probleme hat, als sich hinter einen Priester zu stellen, der sich angreifbar gemacht hat. Ob er mit seinen Thesen, die ich nicht überprüft habe, recht hat oder nicht, ist zwar eine andere Frage, aber seine Äußerungen sind nicht die Baustelle eines Priesters.

    Offenbar haben diese Gespräche nichts bewirkt.

  3. Meine Hochachtung vor diesem Priester, der ganz klar Stellung bezieht, der sich einmischt, das ist aus meiner Sicht gelebte Seelsorge für Menschen. Kritik muss in einer freiheitlich demokratischen Grundordnung erlaubt sein. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen von dieser Kirche distanzieren. Schade, dass es so wenige Priester gibt, die Klartext reden. Ich werde für ihn beten.

  4. Es lohnt, die STELLUNGNAHME von Pastor Unterhalt zur Corona IMPFUNG einmal zu lesen und sich selbst ein Bild zu machen.
    Er spricht verschiedene Aspekte an, die in der Debatte überhaupt nicht (mehr) genannt werden (Literaturangaben siehe Artikel ):
    https://gloria.tv/post/T2FnB1DLpsXR4fU7zNVQydcKn

    – Verwendung fetaler Zelllinien – Verbindung zur Abtreibung
    „Der Laboratoriumsmediziner und Molekularbiologe Prof. Dr. Paul Cullen schreibt, dass in den verfügbaren „Impfstoffen“ humane fetale Zelllinien zur Anwendung kommen, „entweder unmittelbar in der Herstellung (AstraZeneca, Johnson & Johnson), oder zumindest in der Testung (BioNTech/Pfizer, Moderna)“…

    – Ugur Sahin: Lipidnanopartikel sind so ausgesucht, daß sie sich über Lymphe (und Blut) im ganzen Körper verteilen sollen
    „Die mRNA-„Impfstoffe“ bleiben nicht – wie vielfach behauptet – im Schultermuskel. BioNTech-Chef Sahin gibt zu, dass sie bewusst Lipid-Nanopartikel gewählt haben, die eine Wanderung aus den Muskelzellen in die Lymphknoten begünstigen.[46]“…

    – natürliche RNA zerfällt in Minuten, die künstliche mRNA bleibt über Wochen stabil
    „Wenn Lipid-Nanopartikel in der Zirkulation sind, verteilen sie sich überall, wie Prof. Dr. Ulrike Kämmerer, Spezialistin für Humanbiologie, Immunologie und Zellbiologie, erklärt.[47] Mit Verweis auf Sahin erläutert sie ferner, dass die hochmodifizierte künstliche mRNA bewusst so konzipiert ist, dass diese ca. zwei Wochen stabil bleibt und hohe Mengen an Spikes herstellen lässt.[48]…
    So verwundert auch das Ergebnis einer Studie[49] nicht, dass sich die produzierten „Spike-Proteine über den Blutkreislauf frei im Körper von Geimpften ausbreiten“.“…

    – Verluste von Immunzellen, wenn sie Spikes produziert haben
    „Der „Impfstoff“, der in die Muskulatur gespritzt wird, gelangt über die Lymphknoten in die Blutbahn. Wenn Immunzellen das Spike-Eiweiß nach der Produktion an ihrer Oberfläche zeigen, „werden sie von den eigenen Immunzellen angegriffen und vernichtet. Dadurch gehen massenweise Immunzellen zugrunde.“[59]“…

    – Infektionsverstärkende Antikörper
    „Bei bisherigen Versuchen, einen Impfstoff speziell gegen Coronaviren zu entwickeln, sind die Forscher immer wieder auf das Problem der infektionsverstärkenden Antikörper (antibody-dependent enhancement, ADE) gestoßen. Dabei bekämpfen die Antikörper das Virus nicht, sondern binden sich daran und verhelfen zu einem leichten Eintritt in die Zellen.[65]
    Bei Studien an Tieren erkrankten die geimpften aufgrund des ADE-Effekts heftiger und starben schneller als die ungeimpften.[66] Schon jetzt weisen Doctors for Covid Ethics, ein Zusammenschluss von mehreren hundert Ärzten und Wissenschaftlern, mit Blick auf die genbasierten Impfstoffe auf dieses bedrohliche Phänomen hin.[67]“…

  5. „Wie Medien in der vergangenen Woche meldeten, ist ein Priester in Brilon vom Erzbischof nach eingehender kirchenrechtlicher Prüfung amtsenthoben worden.“

    Und Herr Dr. Kunze kennt natürlich die genauen Gründe der Entpflichtung? Was wäre, wenn es dabei weder um das Impfen, noch um die Kritik am synodalen Weg oder um den Vorwurf des Glaubensabfalls gegenüber Bischof Bätzing gegangen ist. Wobei Letzteres durchaus ein erheblicher kirchenrechtlicher Verstoß sein dürfte.

    So ist zu lesen, der fragliche Priester habe Verschwörungstheorien und antisemitische Inhalte verbreitet:

    „Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat den bisherigen Briloner Pastor Frank Unterhalt „nach eingehender kirchenrechtlicher Prüfung“ entpflichtet. Gegenüber katholisch.de bestätigte das Erzbistum am Donnerstag einen Bericht der Westfälischen Rundschau, dass der Priester, der durch öffentlich vertretene Verschwörungsmythen und Antisemitismus aufgefallen war, mit Wirkung zum 1. Juli von seinen Ämtern im Pastoralen Raum Brilon entpflichtet wurde. „Ein seelsorglicher Einsatz von Pastor Unterhalt ist seitens des Erzbistums unter den derzeit gegebenen Umständen nicht vorgesehen“, betonte die Sprecherin des Erzbistums. Weitere Auskünfte zum Umfang der Sanktionen könne sie nicht hinzufügen. Es handle sich dabei aber entgegen der Darstellung der Westfälischen Rundschau nicht um eine Suspension. Eine Suspension ist eine Beugestrafe, mit der Klerikern einige oder alle Akte der Weihe- und Leitungsgewalt sowie die Ausübung aller oder einiger mit dem Amt verbundener Rechte oder Aufgaben entzogen werden. Gegen die Entpflichtung kann der Priester Rechtsmittel beim Heiligen Stuhl einlegen.“

    https://www.katholisch.de/artikel/40037-antisemitismus-und-verschwoerungsmythen-paderborner-pastor-suspendiert

    Vielleicht wäre es doch sinnvoll, Herr Dr. Kunze würde nichts zu einem Sachverhalt schreiben, den er in seiner Gänze gar nicht kennt.

    Davon abgesehen würde es mich interessieren, ob eine „Entpflichtung“ tatsächlich der Entzug der Priesterweihe ist oder nicht „nur“ ein Tätigkeitsverbot ggf. auf Zeit.

    1. Guten Tag,
      zu Ihrem Schlußsatz: Eine Priesterweihe kann ohnehin nicht „entzogen“ werden, denn sie gilt gleichsam für immer und ewig (prägt laut katholischer Lehre ein „unauslöschliches Merkmal“ ein), das sogar bei einem exkommunizierten Priester (was noch eine strengere Strafe als eine Suspension wäre).
      So darf z.B. ein exkommunizierter Priester im Notfall die Absolution spenden.
      Aber auch eine Suspension wäre „mehr“ als eine Entpflichtung bzw. Amtsenthebung (sei es eine auf Zeit oder dauerhaft).
      Bei der Suspension wird der Priester nicht „nur“ von seinem Amt oder seinen Ämtern entpflichtet, sondern es wird ihm die Ausübung seiner priesterlichen Vollmachten (je nachdem: ganz oder teilweise) verboten, was z.B. bedeuten kann, daß er auch privat keine hl. Messe mehr feiern darf.
      Was den Vorwurf des angeblichen „Antisemitismus“ gegen den Geistlichen betrifft, so ist Ihnen offenbar entgangen, daß hierbei nur das Schlagwort in den Ring geworfen wird – ohne jeden Beweis.
      So erging es ähnlich bereits Kardinal Müller nach seiner Kritik an einigen staatlichen Coronamaßnahmen, Impfpflichtplänen usw.
      Es war geradezu lächerlich, ausgerechnet den judenfreundlichen, theologisch heilsgeschichtlich orientierten Ex-Präfekten der Glaubenskongregation derart zu verunglimpfen (auch in diesem Falle wurde das Totschlagwort „Antisemitismus“ mit keinem einzigen Beweiszitat belegt).
      Freundlichen Gruß
      Felizitas Küble

      1. „Was den Vorwurf des angeblichen „Antisemitismus“ gegen den Geistlichen betrifft, so ist Ihnen offenbar entgangen, dass hierbei nur das Schlagwort in den Ring geworfen wird – ohne jeden Beweis.“

        Solche Beweise müssen ja nicht öffentlich erörtert werden. Sie wissen doch auch nicht ganz genau, warum er entpflichtet wurde.

        Danke für Ihre Ausführungen zu Entpflichtung, Suspension und Exkommunikation. Verstanden habe ich es noch immer nicht ganz. Aber das liegt sicher an mir.

  6. Der normale sog. gesunde Menschenverstand hat offenbar ausgedient. Und ein Recht auf eigene Meinung erst recht, wenn es der Obrigkeit nicht passt. Eine „moralische Impfpflicht“ mit einer weitgehend wirkungslosen, dafür aber mit Sicherheit toxischen Substanz. Der Irrsinn ist halt nicht nur profan, er hat in die Kirche Eingang gefunden.
    Heißer Tipp dazu: Robert F. Kennedy jr., Das wahre Gesicht des Dr. Fauci. Habe gerade die ersten 100 Seiten hinter mir und verstehe einiges noch besser. Wäre was für die Mitglieder des ständigen Rates.

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