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Die hl. Katharina von Siena erlebte eine irrtümliche „Marienerscheinung“

Von Felizitas Küble

Zu den solidesten theologischen Standardwerken über Grundfragen der Mystik  – also der außergewöhnlichen „Gnadenerweise“   –  gehört das „Handbuch der Mystik“, das der französische Jesuitenpater August Poulain SJ verfaßte.

Das Buch wurde seinerzeit vom hl. Papst Pius X. ausdrücklich empfohlen sowie  in der quasi-amtlichen, jesuitischen Vatikanzeitschrift „Civilta Cattolica“ gewürdigt.

Das tiefgründige, systematisch durchdachte Werk wurde 1925 beim Herder-Verlag in deutscher Sprache herausgebracht und umfaßt 564 Seiten.

Der Autor beschäftigt sich in seinem katholischen Kompendium sehr fundiert auch mit dem Themenkreis Privatoffenbarungen / Erscheinungen.

Dabei räumt er unter Auflistung seitenlanger Beispiele ungeschminkt ein, daß auch Selige und Heilige nicht selten durch irrige Visionen getäuscht wurden.

Hierbei ist zu berücksichtigen, daß jene vorbildlichen Katholiken, die zur „Ehre der Altäre“ erhoben wurden, ohnehin keineswegs als unfehlbar zu gelten haben, geschweige sind ihre Ansichten etwa automatisch irrtumsfrei.

Noch viel weniger kann man davon ausgehen, daß bei den von diesen Personen erlebten außerordentlichen Begleiterscheinungen der Mystik immer eine göttliche Einwirkung bzw. himmlische Ursache vorhanden war.

Sogar bei solchen Visionen oder Einsprechungen, die wahrscheinlich durchaus einen übernatürlichen „Kern“ enthalten, haben sich nicht selten menschliche bzw. allzu menschliche Irrtümer eingeschlichen, weil derlei Offenbarungen auch durch individuelle Sinneseindrücke, die Besonderheiten der jeweiligen Sprache und Gefühlswelt geprägt sind.

Aus den zahlreichen Beispielen irriger Erscheinungen bei Heiligen, welche Pater Poulain offen und konkret anspricht, erwähnen wir nun ein Beispiel, das die hier behandelte Problematik anschaulich aufzeigt:

Hl. Katharina: Maria „nicht unbefleckt empfangen“

Die heilige Katharina von Siena gehört zu den bekanntesten Mystikerinnen des Mittelalter; sie wurde 1939 von der Kirche zur „Schutzpatronin Italiens“ erklärt und 1970 von Papst Paul VI. (ebenso wie die hl. Theresa von Avila) sogar zur „Kirchenlehrerin“ erhoben.

1999 hat Papst Johannes Paul II. sie (zusammen mit der hl. Brigitta von Schweden und der hl. Edith Stein) zur „Patronin Europas“ ernannt.

Diese Ehrentitel ändern jedoch nichts daran, daß Katharina von Siena zumindest eine Erscheinung für echt hielt, die aber sicherlich nicht von „oben“ stammte:

Die stigmatisierte Ordensfrau erklärte nämlich, die Gottesmutter sei ihr im Jahre 1377 erschienen und habe ihr unmißverständlich erklärt, sie sei keineswegs unbefleckt empfangen. 

Nun muß man hierzu wissen, daß jene Auskunft damals keineswegs eine allgemeine Empörung auslöste, denn das Dogma von der Immaculata  – also der makellosen Empfängnis Mariens (Bewahrung vor der Erbsünde)   – wurde erst 1854 von Papst Pius IX. verkündet.

Im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war dieses Thema eine unentschiedene Streitfrage unter Theologen, wobei der Dominikanerorden sich an dem namhaften Kirchenlehrer Thomas von Aquin orientierte, welcher die Immaculata-These wegen seiner strikten Auslegung von der Universalität der Erbsünde ablehnte.

Stattdessen plädierte er für eine „Reinigung“ bzw. Heiligung Mariens im Mutterschoß (als sie im Leib ihrer Mutter Anna lebte). Ähnlich argumentierte bereits zuvor der große Marienverehrer und Zisterzienser-Ordensgründer Bernhard von Clairvaux.

Die Wortführer dieser theologischen Richtung nannte man „Makulisten„.

Hingegen vertraten vor allem führende Franziskaner mit zunehmendem Eifer die Auffassung von Johannes Duns Scotus, daß die selige Jungfrau Maria durch einen besonderen Gnadenakt Gottes und im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi von vornherein vor jedem Makel der Erbsünde bewahrt blieb.

Die Vertreter dieser Strömung wurden als „Immakulisten“ bezeichnet.

Beide theologischen Schulen argumentierten mit biblischen und patristischen Hinweisen, hatten aber auch jeweils „ihre“ dazu passende Erscheinung. Die Immakulisten beriefen sich auf die hl. Birgitta von Schweden, der die selige Jungfrau in einer Vision bestätigt habe, sie sei die unbefleckt Empfangene.

Papst Urban VIII. wußte sich zu helfen…

Die Päpste erlaubten ausdrücklich beide gegensätzlichen Standpunkte. Urban VIII. wurde angeblich gefragt, welche der beiden heiligen Jungfrauen  – Brigitta von Schweden oder Katharina von Siena  – mit ihrer jeweiligen Marienerscheinung denn richtig liege. Er antwortete diplomatisch: Als Privatmann plädiere er für Katharina, als Papst für Brigitta… 

Auch das Konzil von Trient vermied eine lehramtliche Festlegung in dieser Streitfrage. Allerdings wuchs die Zahl der bedeutenden Immakulisten beständig, auch in der Volksfrömmigkeit verstärkte sich diese Tendenz.

1854 wurde sodann die Immaculata-Lehre dogmatisiert und damit der jahrhundertelange Theologenstreit endgültig entschieden.

Hätte Katharina von Siena also heute bzw. in den letzten 170 Jahren gelebt, so würde die Kirche eine solche Erscheinung sogleich als unrichtig einschätzen, zumal es sich bei der Immaculata-Lehre um ein Dogma handelt, also einen letztverbindlichen, unfehlbaren Glaubenssatz der Kirche, an dem es aus katholischer Sicht nichts zu deuteln gibt.

„Marienerscheinung“ unterstützte Dominikaner-These

Nun muß man berücksichtigen, daß die hl. Katharina von Siena dem Dominikanerorden angehörte  – und damit wohl jener theologischen Richtung nahestand, welche die Immaculata-Auffassung ablehnte.

Insofern hatte sie eine dazu passende Privatoffenbarung erhalten, die sie als Himmelsbotschaft ansah. Möglicherweise war die Erscheinung im Kern sogar „echt“, doch sie hat nicht alles korrekt aufgefaßt. Mitunter können sich übernatürliche Phänomene und menschliches Mitwirken stark durchdringen.

Seit der erwähnten Dogma-Verkündigung ist jedenfalls sonnenklar, daß sich die Heilige bezüglich ihrer Marien-Auskunft geirrt hat. Dabei ist zu beachten:

Die spezielle Schwierigkeiten besteht nicht etwa darin, daß Katharina nicht an die Immaculata glaubte (das war damals  wie gesagt kein Problem; immerhin konnte sie sich hierbei auf die namhafte Autorität des hl. Thomas berufen).

Der springende Punkt ist vielmehr, daß sie sich bezüglich ihrer Auffassung nicht etwa auf Verstandeseinsichten bzw. theologische Begründungen (welcher Art auch immer) stützte, sondern auf eine Erscheinung   –  und damit ihrer Auffassung quasi einen „himmlischen Stempel“ verleihen wollte. Zumindest wird deutlich, daß jenes Visionserlebnis von ihrem theologischen Denken und Umfeld mitgeprägt war.  

Das „Handbuch der Mystik“ erwähnte diese Causa Katharina auf S. 330 und fügt hinzu, daß bereits Benedikt XIV. (siehe Abbildung) jene Marienerscheinung kritisch beurteilt habe.

In seinem vielbeachteten Werk über die Selig- und Heiligsprechungen erwähnte der Papst hierzu die Auffassung von P. Lancicius, wonach die Heilige sich offenbar „infolge einer vorgefaßter Meinung“ selber getäuscht habe.

Der Autor, Theologe und Jesuitenpater Carlos M. Staehlin äußert sich hierzu in seinem 1954 in Spanien erschienenen Werk „Visionen, Stigmata und Offenbarungen“. Es folgt ein Zitat aus dem Skriptum der deutschen Übersetzung von Theodor Baumann SJ (S. 381 f):

„Benedikt XIV. prüfte eingehend die berühmte Vision, die der hl. Katharina von Siena im Jahre 1377 zuteil wurde. In dieser Offenbarung teilte die Muttergottes selbst mit, daß sie in ihrer Empfängnis keineswegs unbefleckt geblieben sei. Der Papst zitiert einige Autoren, die in ihrem Bemühen, den guten Ruf der Heiligen als Seherin zu wahren, nicht davor zurückschrecken, die Herausgeber dieser Visionen als Fälscher anzuklagen. Als Lösung dieses Problems bietet der Papst schließlich die Meinung von P. Lancicius dar, wonach es möglich ist, daß die Heilige sich in gutem Glauben geirrt habe und wirklich meinte, die Muttergottes wiederhole ihr in jenen Ekstasen das, was Katharina wohl öfter vorher gehört hatte.“

Pater Poulain spricht angesichts dieser Causa und weiterer Beispiele, die er anführt, auf S. 309 folgende Warnung aus:

Wenn jedoch selbst Heilige getäuscht worden sind, und die Tatsachen sich nicht leugnen lassen, da muß jeder einsehen, daß auch er nach den Regeln der Klugheit vorzugehen hat.“

Amort: „Zahlreiche Widersprüche bei Offenbarungen“

Pater Poulain zitiert zu diesem Themenkreis auf S. 319 den bedeutenden Gelehrten und Kirchenrechtler Eusebius Amort (1692  – 1775), der kritische Werke über Erscheinungen und Visionen herausgab und sich insbesondere skeptisch mit den Privatoffenbarungen der spanischen Nonne Maria von Agreda befaßte.

Amort zieht als Ergebnis seiner gründlichen Studien folgendes Fazit:

„Die Offenbarungen von Personen, deren Heiligkeit und Wissenschaft von den Doktoren und Vorstehern der Kirche approbiert (akzeptiert, gebilligt) wurden, widersprechen sich untereinander, wie jene der hl. Birgitta, der hl. Gertrud, der hl. Katharina von Siena.“

(Es gab übrigens in Bern Anfang des 16. Jahrhunderts den aufsehenerregenden „Jetzer-Prozeß„, bei dem es um betrügerische Erscheinungen ging  – und zwar zu genau demselben Thema der unbefleckten Empfängnis Mariens. Vier Dominikaner wurden infolgedessen nach einem zweijährigem, vom Vatikan selbst angestrengten Verfahren hingerichtet. Die durch jene falschen Visionen entstandene Verwirrung im Volke wirkte sich verheerend aus und begünstigte damit die dortige Ausbreitung der Reformation. Näheres hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Jetzer)

Dazu muß man wissen, daß die Kirche mit einer Heiligsprechung lediglich den heroischen TUGENDGRAD der betreffenden Persönlichkeit würdigt  –  und damit aber keineswegs ihre außergewöhnlichen religiösen Erlebnisse bestätigt.Radio Vatikan Dies bringt auch Pater Poulain auf S. 326 wie folgt auf den Punkt:

„Wenn ein Diener Gottes heiliggesprochen wird, bestätigt man seine Tugenden, nicht seine  Visionen.“

Hierzu zitiert der Autor auf S. 307 erneut Papst Benedikt XIV.: „Was hat man von Offenbarungen zu halten“, so fragt er, welche durch den Vatikan approbiert (genehmigt) wurden, also von kirchlich gebilligten Erscheinungen:

„Ich antworte darauf, daß ein Akt göttlichen Glaubens ihnen gegenüber weder notwendig noch möglich ist, sondern nur ein Akt menschlichen Glaubens nach den Regeln der Klugheit, die sie uns als wahrscheinlich und fromm glaubwürdig hinstellen.“

Auf keinen Fall eignen sich Privatoffenbarungen aber dazu (und damit wären wir wieder bei der Causa Katharina von Siena), um strittige theologische Fragen zu entscheiden.

„Katholiken ist es freigestellt, an Erscheinungen zu glauben“

Hierzu zitiert Pater Poulain auf S. 307 seines Handbuchs den sachkundigen Kardinal Pitra:

„Jeder weiß, daß man ganz frei ist, an Privatoffenbarungen zu glauben oder nicht, selbst bei den allerglaubwürdigsten. Auch wenn die Kirche sie approbiert, werden sie bloß als wahrscheinlich, nicht als absolut sicher hingestellt.

Sie dürfen nicht dazu dienen, unter Gelehrten strittige Fragen der Geschichte, Physik, Philosophie oder Theologie zRadioVatikanu entscheiden. Man darf ruhig von diesen Offenbarungen abweichen, selbst von den approbierten, wenn man sich auf solide Gründe stützt.“

Hieraus ergibt sich die (theo)logische Schlußfolgerung:

Wenn ein Katholik an irgendeine „Privatoffenbarung“ eines Seligen oder Heiligen nicht glauben möchte, so ist das sein gutes Recht  – und niemand kann daraus einen berechtigten Vorwuf ableiten, zumal die Kirche es auch nicht tut.

Dasselbe Prinzip gilt allgemein für die kirchlich approbierten Erscheinungen: Das Kirchenvolk darf ihnen seine Zustimmung schenken, muß es aber nicht, denn die göttliche Offenbarung ist mit dem Tod des letzten Apostels bzw. dem Ende der apostolischen Zeit abgeschlossen.

Dies ist nicht „nur“ ein Dogma, sondern sogar ein sog. „Axiom“, also eine Denkvoraussetzung (!) für viele weitere Dogmen und Lehraussagen der Kirche.

Wegen dieses fundamentalen Prinzips sind selbst die sog. „anerkannten“  – also die kirchlich approbierten  – Erscheinungen nicht glaubensverpflichtend, sondern diese Billigung stellt lediglich eine Erlaubnis bzw. Genehmigung dar (Benedikt XVI.: „Es ist gestattet, daran zu glauben“)  –  und bedeutet keineswegs eine verbindliche Bestätigung durch das kirchliche Lehramt.  (Näheres dazu: https://charismatismus.wordpress.com/2013/10/29/was-bedeutet-die-kirchliche-approbation-einer-privatoffenbarung-genau/)

Diese kirchlichen Grundsätze zur göttlichen Offenbarung einerseits und Privatoffenbarungen andererseits sind selbst frommen Katholiken nicht immer bekannt, weshalb es nötig erscheint, sie gelegentlich einzuschärfen.

Leider sind auch die im allgemeinen zu einer gesunden Vorsicht neigenden kirchlichen Untersuchungskommissionen durchaus nicht immer kritisch genug. Welche fürchterlichen Folgen es zeitigen kann, wenn eine bischöfliche Kommission zu wenig skeptisch vorgeht, zeigt z.B. der verhängnisvolle „Fall Stella“ aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. (Bericht hierzu: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-45789205.html)

Fundierte Literatur zur Vertiefung: Vorlesung des katholischen Theologen Prof. Dr. Joseph Schumacher aus Freiburg: www.theologie-heute.de/MystikvorlesungIEndfassung2014_2015.pdf

Kommentare

13 Antworten

  1. Im frühchristlichen Mönchtum sind ekstatische Erlebnisse zwar nicht unbekannt, jedoch spielen sie keine herausragende Rolle. Die Mönche streben nach der Hesychia (Seelenruhe, Stille) und stellen bei Erlebnissen der ‚Begeisterung’ die Frage, ob sich ihnen der göttliche oder ein dämonischer Geist genähert hat.

    In die kirchliche Theologie hält die Wertschätzung der Ekstase erst durch die um 500 n. Chr. verfasste mystische Theologie des pseudonymen Dionysius Areopagita Einzug. Die Ekstase als das „freie und rein von allem gelöste Heraustreten“ ist für Dionysius das Mittel, „zum überwesentlichen Strahl des göttlichen Dunkels emporgehoben zu werden“.

    Diesen Ansatz greift die mittelalterliche Mystik des 13. Jahrhunderts auf. Bonaventura (1221-1274), der durch die Lebensgeschichte und Frömmigkeit des Franz von Assisi, der 1224 in mystischer Verzückung die Wundmale Christi empfing, religiös geprägt wurde, führt Ekstase bzw. Verzückung (verstanden als Entrückung von allen leiblichen Empfindungen) als systematische Elemente des kontemplativen Weges in die abendländische Mystik ein. In Anlehnung an die spirituelle Stufenfolge des Dionysius (Läuterung, Erleuchtung und Vervollkommnung) vollendet sich für Bonaventura der kontemplative Weg in mystischer Verzückung als Vertrautheit mit dem gekreuzigten Christus.

    Auch für Jan van Ruysbroek (1294-1381) folgt der mystische Weg einer spirituellen Stufenfolge. Der menschliche Geist hat über drei „Klippen“ zu steigen, um sich der göttlichen Ruhe anzunähern. In der Nachfolge Christi erlebt der Geist in der ekstatischen Hingabe die „Brautfahrt Christi“. Solchen schwärmerischen Erfahrungen verdankt Ruysbroek seinen Beinamen „doctor ecstaticus“.

    Stärker noch als unter männlichen Mystikern spielen Tranceerfahrungen in der Religiosität von Frauen eine Rolle. Die Anerkennung von Nonnen gründet in dieser Zeit häufig in ihrer charismatischen Autorität. Ekstatische Schilderungen finden sich etwa in den Aufzeichnungen der Mechthild von Magdeburg (ca. 1207 bis um 1282/94), die erotische Bilder des Hohenliedes aufgreift, um ihre mystischen Erfahrungen zu versprachlichen. Ähnliche erotisch-ekstatische Tendenzen herrschen bei Mechthild von Hackeborn (1242-1299) und Gertrud von Helfta (1256-1302) vor. Teresa von Avila (1515-1582) schließlich erfährt starke, auch körperlich geprägte Ekstasezustände und lehrt den mystischen Aufstieg von der Vereinigung über die Verzückung zur Liebeswunde.

    In die Reformationsbewegung findet ein mystisch-ekstatischer Ansatz Eingang durch die beiden von Martin Luther (1483-1546) besorgten Ausgaben der Theologia Deutsch (1516 und 1518), obwohl er sich in späteren Jahren von der Mystik zunehmend distanziert. Fruchtbar wird dieser Ansatz unter den Täufern, die nach einer direkten, unvermittelten Aneignung des Göttlichen suchen. Ihr religiöses Ziel ist die mystische Vereinigung mit dem Göttlichen auf der Grundlage der Einwohnung Gottes in der menschlichen Seele. Die Täufer wollen ‚das Zeugnis des Geistes in sich’ verspüren.

    In nachreformatorischer Zeit führt diesen Ansatz in Deutschland Jakob Böhme (1575-1624) weiter, für den ekstatische Erfahrungen in der Vereinigung mit Christus oder Sophia (der göttlichen Weisheit) gipfeln. Böhme beeinflusst Angelus Silesius (1624-1677) und Gottfried Arnold (1666-1714). In England löst der Wanderprediger George Fox (1624-1691) auf Versammlungen Massenekstasen aus, die bei vielen Hörern zu einem Zittern (engl. quake) führen, weswegen seine Anhänger auch als Quäker bezeichnet werden. John Wesley (1703-1791) ruft eine geistliche Erneuerungsbewegung ins Leben, die auf die Vergewisserung des eigenen Glaubens und die Erfahrung des Angenommenseins durch Gott zielt und zur Begründung des Methodismus führt. Auch bei methodistischen Evangelisationen kommt es in der Frühzeit zu Massenekstasen, die geradezu als Prüfstein des Missionserfolges gewertet werden können.

    Methodistische Einflüsse spielen eine auslösende Rolle bei der Entstehung der Pfingstbewegung im frühen 20. Jahrhundert. Neben Bekehrung und Heiligung bildet für die Pfingstler die Geisttaufe die dritte geistliche Erfahrung. Sie ist mit verschiedenen Geistesgaben verbunden, besonders mit der ekstatischen Zungenrede (Glossolalie). Die Pfingstbewegung wiederum beeinflusst die Entstehung der charismatischen Bewegung in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA, für die „die Taufe im Heiligen Geist“ im Zentrum der religiösen Erfahrung steht. Durch diese „Taufe“ werden weitere Geistesgaben wie Heilung, Prophetie und Zungenrede freigesetzt, die in der Praxis zu einer ekstatischen Frömmigkeit führen. Charismatische Kirchen sind die derzeit am stärksten wachsenden christlichen Gemeinschaften weltweit.

  2. Die Aussage, ausgerechnet diese große Heilige habe eine solche
    Marienerscheinung gehabt und geglaubt, müsste wortwörtlich aus
    den wörtlichen Aufzeichnungen der hl. Katharina selbst zitiert werden,
    weil hier eine Heilige abschätzig behandelt wird
    und wenn dies nicht vorliegt, sondern möglicherweise aus irgendeinem
    lügnerischen Buch entnommen, dann darf dieser Behauptung über die
    Heilige überhaupt keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden.

    Gute Nacht.
    Alex

    1. Guten Tag,
      die hl. Katharina hat kein Buch geschrieben, also kann man auch nicht daraus zitieren. Die Angelegenheit war seit Jahrhunderten derart bekannt (viele Gegner der Immaculata-Lehre beriefen sich auf diese Vision), so daß sogar Papst Benedikt XIV. warnend darauf hinwies (der bestimmt kein „lügnerisches Buch“ schrieb), um damit aufzuzeigen, daß sich natürlich auch Heilige diesbezüglich irren können. Das steht doch alles ausführlich im Artikel.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

      1. Ich habe geschrieben „wörtliche Aufzeichnungen“, denn es gibt Briefe. Oder zitieren Sie
        bitte aus Raimund v. Capua, der vieles aufgezeichnet hat, was sie gesagt hat.

        Alex

        1. Guten Tag,
          Sie dürfen davon ausgehen, daß Papst Benedikt XIV. in seinem amtlichen Dokument über Selig- und Heiligsprechungen korrekt vorgegangen ist. Damit wird diese Debatte definitiv beendet.
          Freundlichen Gruß!
          Felizitas Küble

    1. Guten Tag,
      nun habe ich den Link zweimal gedrückt und landete beidesmal richtig. Allerdings dauert es einige Sekunden, bis sich die PDF aufbaut.
      Andernfalls versuchen Sie es mit googeln bzw. über ein Suchprogramm.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  3. Es ist bei Erscheinungen zu beobachten, dass einige Aussagen, die der Volksfrömmigkeit entstanden sind, nicht telquel bestätigt werden, bevor es die Kirche offiziell als Dogma erklärt. Ganz im Gegenteil wurden die Seher von den Erscheinungen darauf hingewiesen, dass sie solche Aussagen, wie möglicherweise auch “makellose Empfängnis” nicht gebrauchen sollen. Das gehört zum Gehorsam gegenüber der Kirche und dem Papst. Die Mutter Gottes hat “Unbefleckte Empfängnis” in Lourdes erst genannt, als dieser Begriff bereits Dogma der Kirche war.

    Demzufolge ist es auch möglich, dass Katharina von Siena von der Erscheinung aufgefordert wurde, keinesfalls den Begriff “makellose Empfängnis” zu verwenden und die gute Katharina hat es auf ihre Weise ausgelegt. Auffällig ist auch, dass die Kirche sich nicht für “makellose Empfängnis” als Begriff entschied, sondern für den Ausdruck “Unbefleckte Empfängnis” (Vom Makel der Urschuld unversehrt bewahrt). Die Lehre von der “heiligen, immer jungfräulichen und makellosen Maria“ bezieht sich auf die jungfräuliche Unversehrtheit gemäss Lateransynode des Jahres 649 unter Papst Martin I. Die Kirche war und ist bedacht, dass Begrifflichkeiten möglichst keine Verwechslungen verursachen und immer wieder verweist die Mutter Gottes in Erscheinungen auf die Kirche, welche darüber befinden soll und ermahnt die Seher kirchlich nicht bestätigte Begriffe nicht voreilig zu verwenden. Zudem stand vermutlich – wie bereits erwähnt – Katharina von Siena unter dem Einfluss der Dominikaner. Die Begriffe “makellose Jungfrau” und “Unbefleckte Empfängnis” werden durchaus synonym im Sinne von “Unbefleckte Empfängnis” verwendet, was die Sache nicht einfacher macht.

  4. Sehr geehrte Frau Küble,

    vielen Dank für diese tiefgreifende Analyse, die sicherlich viel Zeit und Arbeit gekostet hat.

    Für Ungläubige ist eine Marienerscheinung sicher ebenso als objektiv falsch zu bezeichnen wie für Gläubige. Es gilt also: Kirche hat immer Recht. Warum werden dann nach dem 2. Vatikanischen Konzil Staatsmänner nicht genauso auf die Kirchenlehre festgelegt?

    1. Guten Tag,
      es ist ja von vornherein klar und logisch, daß Ungläubige nicht an Marienerscheinungen glauben, wenn dies sogar den überzeugten Katholiken freigestellt ist. Allerdings müssen allein wegen der zahlreichen irrigen Privatoffenbarungen nicht automatisch „alle“ Erscheinungen „objektiv falsch“ sein. Es besteht selbstverständlich die Möglichkeit echter himmlischer Kundgaben. Deshalb bedeutet die kirchliche Approbation (Genehmigung, Billigung) einer bestimmten Privatoffenbarung, daß es den Gläubigen gestattet ist, derselben ihre Zustimmung zu schenken (an die kirchlich nicht approbierten oder gar abgelehnten Erscheinungen sollte man besser nicht glauben).
      Hinsichtlich der Ungläubigen (ob Staatsmänner oder nicht) gilt das Prinzip, daß die Kirche auch von ihnen die Einhaltung des „Naturrechts“ erwartet, vereinfacht gesagt der Zehn Gebote ab dem 4. Gebot, also die Anerkennung jener moralischen Grundsätze, die keiner religiösen Grundlage bedürfen, um ihren verpflichtenden Wert zu erkennen: Recht auf Leben, Respekt vor Eigentum, Wahrheit, Ehe und Familie etc.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

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