Ostermorgen
Als das Glühn des Morgenrotes
sacht am Himmel aufgezogen,
und die Nachtschatten des Todes
wie im Frühlingswind verflogen,
Frauen ihre Schritte lenkten,
in den Töpfen Spezereien,
zu der Gruft hin des Gehenkten,
den zerschundnen Leib zu weihen.
„Wer wird von des Grabes Felsen“,
die verweinten Augen fragen,
„uns den Stein herunterwälzen“?
Langsam gehn sie voller Zagen.
Doch der Eingang ist schon offen,
abgetan der Stein, der schwere.
Und die Frauen, tief betroffen,
starren in des Grabes Leere.
Nur die Tücher, die ihn deckten,
liegen da, gelegt in Falten.
Plötzlich schauen die Erschreckten
in der Höhle zwei Gestalten,
lichtumstrahlte Osterboten,
Gottes Engel, die sie mahnten:
„Was sucht ihr Den bei den Toten,
der wahrhaftig auferstanden?!
Gehet! Eilet und verkündet
seinen Brüdern das Geschehen!
Jesus Christus überwindet
Tod und höllisches Vergehen!“
Fast wollt´ da ihr Herz zerspringen.
Zitternd bebten Knie und Hände,
Leid und Trauer, sie vergingen
in der ungeheuren Wende.
Ostermorgen! Gottes Handeln,
Einbruch himmlischer Gewalten,
will von Grund auf uns verwandeln
und die Erde neu gestalten!
Wer will da am Grab verweilen
unsrer selbstsüchtigen Sünden?
Laßt uns mit den Frauen eilen,
Osterjubel zu verkünden!
Jesus lebt! Christ ist erstanden!
Hört die Lobgesänge klingen,
wie sie heute allen Landen
Gottes Osterbotschaft bringen.
Siegfried Ernst
Aus dem Bild-und Gedichtband:
„Die Botschaft des Ulmer Münsters an unsere Zeit:
Sprechende Steine, Lebendiges Glas, Vermächtnis aus Holz“