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Erfand Luther das deutsche Kirchenlied?

Von Felizitas Küble

Heute erhielt ich die Werbung eines evangelischen Verlags zu einer Neuerscheinung mit dem Titel „Ein feste Burg“ über Luthers Kirchenlieder.  In dieser Reklame lese ich einen Satz, wie ich ihn ähnlich auch in anderen Schriften schon entdeckte: Luther sei der Erfinder des deutschsprachigen Kirchenliedes gewesen.

Keine Frage ist es, daß der Gründer des protestantischen Glaubens die deutschen Gesänge im Gottesdienst stark belebt und durch eigene Lieddichtungen erheblich bereichert hat, dasselbe gilt ähnlich für seine Bibelübersetzung, die allerdings keineswegs die erste in deutscher Sprache war, aber besonders volkstümlich gehalten und teils auch wortschöpferisch und insgesamt stilbildend.

Unrichtig ist allerdings, daß Luther zu Beginn der Neuzeit das deutsche Kirchenlied eingeführt bzw. „erfunden“ habe, denn dieses gab es bereits seit Jahrhunderten, vor allem ab dem Hoch- und Spätmittelalter.

Das gilt auch für ein frühes bekanntes Weihnachtslied, das aus Aachen stammt: Sei uns willkommen, Herre Christ. – Näheres dazu hier: https://christlichesforum.info/altestes-deutsches-weihnachtslied-aus-aachen-fehlt-im-neuen-gotteslob/

Ein gewisses Hindernis für eine schnellere und stärkere Verbreitung des deutschen Kirchengesangs war zweifellos die Tradition des Gregorianischen Chorals, der größtenteils aus Psalmversen besteht und somit sehr biblisch geprägt, aber in lateinischer Sprache abgefaßt ist. Latein war in der Spätantike die allgemeine Volkssprache, somit konnte das Kirchenvolk diese Psalmodien problemlos verstehen. Der Name „Gregorianik“ bezieht sich auf Papst Gregor den Großen, der die damals verbreiteten Gesänge sammelte, erweiterte und ordnete.

Später gab es in Gottesdiensten und Andachten allmählich Kehrverse und Sequenzen auf deutsch, vielfach von Mönchen verfaßt, z.B. auch Grates nunc omnes”. Diese Weihnachtssequenz entstand Anfang des 11. Jahrhunderts in der Regensburger Abtei St. Emmeram, wurde im 16. Jahrhundert verdeutscht („Dank sagen wir alle mit Schalle…“) und in die Kirchengesangsbücher aufnommen.

Zudem gab es ab dem Hochmittelalter die sog. (Kyrie-)“Leisen“, z.B. die Pfingstleise: “Nun bitten wie den Heilgen Geist um den rechten Glauben allermeist….Kyrieleis.“

Im späten Hochmittelalter (13. Jahrh.) entstanden zudem viele Wallfahrtslieder („In Gottes Namen fahren wir“), Mariengesänge oder Bußlieder durch die Flagellantenbewegung.

Kurz und gut bzw. es dürfte besser sein: Es gab längst vor Luther deutschsprachige Kirchenlieder, allerdings hat der frühchristliche und liturgisch-traditionelle Choralgesang eine stärkere Entwicklung verhindert.

 

Kommentare

4 Antworten

  1. Lieder hatten die Menschen schon immer und „Maria durch ein Dornwald ging“ ist ein deutschsprachiges Volkslied. Luther hat sehr viel Einfluss auf neue Kirchenlieder aus seiner Feder gehabt, ein solches Liederbuch kaufte ich mir bei der großen Wittenberger Reformationsausstellung, wo Käßmann als Sittenwächterin wahrscheinlich nicht über Bauschutt steigen wollte, denn hauptsächlich wurden Gelder zum Reformationsjahr in Berlin verprasst. Als sie bemerkte, das Luther realistischer dargestellt wurde, als es dem evangelischem Zeitgeist genehm war, ließ sie die große Lutherausstellung aprubt verkleinern. Luther hat zwar das christliche Liedgut nicht erfunden, jedoch hat er viele eigen Lieder beigesteuert. Diese wurden von seinem Freund Walter in Torgau vertont. Jetzt Luther zu diffamieren, weil die EKD das gerne hätte, dies halte ich für verfehlt, er war einer von vielen die das christliche Liedgut bereichert haben.

  2. Die Behauptung dieses evangelischen Verlages, Luther sei der Erfinder des deutschsprachigen Kirchenliedes, ist schlichtweg falsch. Genauso falsch wie jene weit verbreitete Meinung , mit Luther habe im 15. Jahrhundert erstmals in der Kirche eine Reformation stattgefunden. Doch die weltweite Kirche versteht sich von ihrem Anfang an schon immer als eine Glaubensgemeinschaft , die der ständigen Umkehr und Erneuerung bedarf. Entsprechend gab es in den 2000 Jahren ihrer Geschichte eine Fülle unterschiedlichster Prozesse der Erneuerung und Formen von Reformationen. Im Blick auf das muttersprachliche Kirchenlied entspricht es lediglich den historischen Fakten, dass vom reformatorischen Kirchenlied durchaus wichtige Impulse für das muttersprachliche Liedgut der Katholischen Kirche ausgegangen sind, das jedoch längst vor Luther vorhanden war.

  3. Danke Frau Küble. Wie gut, dass Sie nicht alles nachplappern wie so viele andere. Da es nun einmal mehr Deutsche als Österreicher gibt, und Deutschland mehrheitlich nicht- katholisch ist, und die Österreicher wie die Deutschen mehrheitlich nachplappern, glaubt man auch in Österreich größtenteils (und hält sich für entsprechend belesen), dass erst die große Deformation, dann „Reformation“ genannt, die deutsche Sprache unters Kirchenvolk gebracht habe. Daher sind wir so für Reformen.

  4. Mir fehlt ein Kirchenlied, das in meiner Kindheit noch aus voller Kehle gesungen wurde, und das auch Theologie war: „Gott Vater schau auf Deine Kinder, die um Dich her versammelt sind.“

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