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Gaucks Kritik ist richtig, aber zu kurzsichtig: Die Linkspartei hat strukturelle Probleme

Von Dennis Riehle

Ob ein Bundespräsident seine Meinung über Parteien und Tagespolitik äußern darf, hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Riehle, Dennis_5

Seine Einschätzungen über die Partei DIE LINKE im ARD-„Bericht aus Berlin“ beruhten auf seinen persönlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen, von denen auch die SPD-Mitglieder in Thüringen trotz anderslautender Befürchtungen wussten, wie sie damit umzugehen haben.

Sie haben Gaucks Zwischenrufe als seine Sicht der Dinge vernommen – nicht mehr, nicht weniger. In wie weit sie sich davon beeindrucken ließen, mag das letztendliche Ergebnis des Mitgliedervotums für Koalitionsverhandlungen gezeigt haben.

Unabhängig davon wäre von Seiten der LINKEN etwas mehr Vertrauen in die Objektivität des Bürgers angebracht gewesen, denn er kann offenbar schon ganz gut alleine und in eigener Verantwortung befinden, ob und in wieweit er sich von Aussagen des Staatsoberhauptes beeinflussen lassen will.

Fernab von all dieser Diskussion scheint mir die Frage des Inhalts von Gaucks Darstellungen von sehr viel größerem Belang: Er spricht bewusst von Menschen in seinem Alter, die Probleme hätten, einen möglichen Ministerpräsidenten der LINKEN zu tolerieren.

Viele Mitstreiter der Linkspartei waren in die SED eingebunden

Dabei blickt er auf die Vergangenheit vieler Mitstreiter innerhalb dieser Partei, die noch mehr oder weniger aktiv in das Wirken der damaligen SED eingebunden waren. Für meine Altersklasse ist es schwierig, dies umfänglich zu bewerten, habe ich doch von der DDR nur noch im Kindesalter etwas mitbekommen  –  und das zugleich lediglich von außen. 159481-3x2-teaser296

Deshalb drückt mich eine ganz andere Last: DIE LINKE betont, ihre Vergangenheit mehr als alle anderen Parteien aufgearbeitet zu haben. Ob das zutreffen mag, lasse ich zunächst dahingestellt. Mich interessiert, wie DIE LINKE heute aufgestellt ist – und das gerade in den Altersgruppen, die die Partei künftig anführen soll.

Da braucht es aus meiner Perspektive gar keine umstrittenen Argumentationen über eine Rechtsnachfolge der SED, es genügt schon ein Blick in die Strukturen der heutigen LINKEN. „Kommunistische Plattform“ oder „Antikapitalistische Linke“ – nur zwei von mehreren Arbeitsgruppen innerhalb der Partei, denen man zumindest eines unterstellen kann: Naivität und Radikalität.

„Realitätsverweigerung und politische Träumereien“

Als ich tiefere Einblicke in DIE LINKE gewann, fühlte ich mich an Magot Käßmanns Friedenspfeife oder Isomatte erinnert, mit denen der Konflikt um die Islamisten im Mittleren Osten gelöst werden soll. Denn mindestens gleichsam sinnferne Vergleiche und Träumereien sind gängige Diskussionsgrundlage in der LINKEN. Und letztlich ist solch eine Realitätsverweigerung auch eine Gefahr für die Demokratie.

Wer gleichzeitig innerparteiliche Reformkräfte, die gemobbt oder missachtet werden, nicht vor denen schützt, die gleich das gesamte „System überwinden“ wollen, der zeigt, wie ernst er es mit der Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit meint. Und natürlich mag man zugutehalten, dass jede Partei  ihre „Spinner“ hat. be2004_38_551

Doch was ist, wenn Kompromisslosigkeit und ein Umgangston in den eigenen Reihen, der wohl tatsächlich noch an manch Rigidität in der damaligen Einheitspartei erinnern mag, eben nicht nur Einzelne, sondern ganze Strömungen in einer Partei durchdringen?

Beispielhaft sichtbar wird das am neuerlich aufbrechenden Graben im Zuge des Eklats, der dieser Tage für Aufsehen gesorgt hat. Nachdem Fraktionschef Gysi im Bundestag von Journalisten – die auf Einladung von zwei Abgeordneten ins Parlament gekommen waren –auf die Toilette gedrängt wurde, versuchte er nun, die Zerwürfnisse herunterzuspielen.

Realos und Fundis im Widerstreit

Doch das half nur kurzfristig: Am Beispiel von Israelkritik und Antisemitismus wird der eklatante Unterschied von „Realos“ und “Fundis“ deutlich. Und mit ihren jeweils eigenen Initiativen, die sie trotz Mahnung Gysis im Web und unter Anhängern gestartet haben, um sich auch fortan gegenseitig aufzureiben, nimmt das Auseinanderdriften der Partei seinen Lauf.

„Offen extremistische Strömungen“ sind bei DIE LINKE zweifelsohne zu erkennen, wenn man die Rechtfertigungen liest, die für verschiedenste Verhaltensweisen eigenen Mandatsträgern oder linken Aktivisten – wie die, die die Kreuze zum Mauergedenken entwendeten – aus legitimierten Arbeitsgemeinschaften der Partei vorgebracht werden.

Damit scheint Gaucks Meinung wichtig, aber sie fällt zu kurzsichtig aus: DIE LINKE scheint nicht nur die Eindeutigkeit in der Abgrenzung von Unrecht und Intoleranz in der SED schuldig zu bleiben. Auch wenn sie in einigen Bundesländern ihre Regierungsambitionen unter Beweis gestellt haben mag, belegt das noch lange nicht ihre gesamtparteiliche Handlungsfähigkeit.

Ich verheimliche nicht, dass mich einige ihrer Forderungen berühren und ich diese auch mittragen kann. Doch wer auf gemäßigte Politik derart allergisch reagiert, dass jedwedes Ziel aus Dialog und Übereinkunft, welches Nährboden für eine lebendige Gesellschaft ist, als Scheitern der eigenen Ideologie brandmarkt, der taugt wohl tatsächlich nur als Auffangbecken für Populisten und Entnervte.

Nein, keinesfalls ist DIE LINKE in ihrer Gesamtheit eine unfähige Partei, doch sie schafft es bis heute nicht, denjenigen in ihren Reihen Rückhalt zu geben, die sich ein Mitgestalten wünschen – und jenen, die allen Wahrheiten unzugänglich sind, die Schranken aufzuzeigen. Deshalb verwundert auch nicht, dass einige Landesverbände durchaus im Stande sind, sich an Koalitionen zu beteiligen – mit welchem letztendlichen Erfolg, bleibt zunächst Ermessenssache.

Denn dass gerade ostdeutsche LINKE pragmatisch denken, zeigt sich nicht erst an der Trennlinie zu den westdeutschen Genossen, denen die Realisten ein Dorn im Auge sind. Und so braucht es wohl noch einige Zeit, bis die Einheit der Deutschen auch zur Einheit der LINKEN geführt hat. Wie keine andere Partei bleibt sie zerstritten – und deshalb auch das berechtigte Sorgenkind, nicht nur für den ein oder anderen Bundespräsidenten…

Dennis Riehle
Martin-Schleyer-Str. 27 in 78465 Konstanz
Web: http://www.Dennis-Riehle.de
Blog: http://blogger.Riehle-Dennis.de

 

Kommentare

Eine Antwort

  1. Dennis Riehle,

    wie viele andere Bürger/innen habe auch ich mich zum Thema „Gauck Rede vs. Linke / MP Thüringen“ gemeldet.

    Meine persönliche generelle Ablehnung der „Linken“ resultiert aus Erfahrungen eines Berliners (West), mit Verwandten, Freunden in Berlin (Ost ) und DDR / Potsdam, letztere waren für uns nie erreichbar.

    Auf Fahrten mit den Kindern von Berlin-Drewitz nach Helmstedt und beruflich mit LKW Transporten von in Berlin hergestellten Waren.

    Aus DDR-Diktatur resultierende menschlich / moralisch Aspekte, die viele Bürger geprägt haben, leider nicht zur Einsicht bzw. Anerkennung für begangenes Unrecht geführt haben, ist die aktuelle Programmatik / Programm der Linken eine einzige Katastrophe, fortwährende Wiederholung der „Diktatur des Proletariats“ .

    Kategorisch wird die Vergesellschaftung wesentlicher Teile der Wirtschaft Deutschlands gefordert.

    Banken, Energie, Versorgung, Logistik etc. sollen verstaatlicht werden, ausgenommen Vobas und Sparkassen, Handwerk. Immerhin.

    Letzlich ist das die Wiederherstellung der VEBs, der Kolchosen. Bedeutet Mangelwirtschaft mit allen bekannten Konsequenzen für die Menschen, für die Umwelt.

    Selbstverständlich benötigt man Die Linke zur Steuerung und Kontrolle dieser Wohltaten.

    Da erscheint es nebensächlich, daß Deutschland aus der Nato austritt.

    Die Linke ist und bleibt eine kommunistische Partei mit dem Staat als allmächtigen Gestalter, und die Partei, die Partei hat immer Recht.

    Da diese Segnungen nicht ohne Widerstand vieler Bürger/innen installiert werden können, muss Bautzen und Hohenschönhausen renoviert werden.

    Damit die Bürger/innen nicht wieder flüchten, diesmal mit höherer Mauer, geeigneter Bewachung, selbstverständlich digital.

    Ramelow ist ein gefährlicher A n t i d e m o k r a t, voller Hass, Missgunst auf alles was in Berlin (West) und in der BRD je an Positivem geschaffen wurde. Freiheit, Demokratie, relativer Wohlstand, Anerkennung in der Welt. Die eigene – auch persönliche – Vergangenheit sieht er nur Negativ.

    Daß ihn die SPD – nach 45 Leidtragende der Kommunisten – unterstützt. ist ein Skandal und völlige Untergang der Partei SPD.

    Warum Rote SPD wählen, Die Linke ist das Original.

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