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Kardinal Gerhard Müller würdigt George Pell als glaubensstarken Würdenträger

Wortlaut der PREDIGT zum 1. Todestag des Kardinal Pell:

Nur 10 Tage nach dem Tod von Papst Benedikt am Silvestertag 2022 hat uns überraschend die Nachricht getroffen, dass uns auch Kardinal Pell vorangegangen ist in das Haus des himmlischen Vaters.

Mitten im aktuellen Kampf um die „Wahrheit des Evangeliums“ (Gal 2, 14), die mit vollem Freimut einst Paulus dem Petrus ins Angesicht sagte, hat die pilgernde Kirche zwei herausragende Repräsentanten ihrer apostolischen sana doctrina verloren.

Wer aber nicht in den politischen Kategorien der Macht und den Stimmenzahl denkt, sondern mit dem hl Augustinus glaubt, „dass die Kirche zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg sicher voranschreitet“ (De civ. Dei 18,51,2), der weiß auch, dass die Göttliche Vorsehung sie uns beide neu gegeben hat als Vorbilder im wahren Glauben und ganz als mächtige Fürsprecher beim Vater.

Angesichts des Kommens und Gehens der Millionen und Milliarden von Menschen im der Folge der Generationen könnten Zweifel aufkommen an der bleibenden Bedeutung der individuellen Menschen, von denen die meisten bald vergessen sind.

Diese Zweifel werden leicht zerstreut, wenn wir auf den Heilsplan Gottes schauen, der will, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen durch den einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus.“ (1 Tim 2, 4f).

Während wir nach vorne schauen in der Hoffnung auf das zukünftige ewige Leben, wissen wir schon im vorhinein, „dass Gott uns schon erwählt hat vor der Erschaffung der Welt und dass wir von Ewigkeit her dazu bestimmt sind, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus.“ (Eph 1, 4). 

Theologisch gesagt bedeutet dies, dass wir als Geschöpfe nicht nur bestimmt sind durch die Kontingenz unsres Daseins im Wechselspiel der endlichen Welt, sondern dass unser Person-Sein ein Gleichnis ist der Aseität Gottes. Gott hat uns konstituiert in der Subsistenz unserer unsterblichen Seele.

GOTT beruft uns zu Mitarbeitern seines Heilswerks

ER hat uns bei unserem Namen gerufen, damit wir Kinder und Freunde Gottes heißen und es auch in Natur und Gnade auch tatsächlich sind.

Der Gipfel dieser uns von Gott geschenkten Würde ist es, dass Gott uns zu Mitarbeitern an seinem universalen Heilsplan gemacht hat – cooperatores veritatis et gratiae –, so dass wir am Kommen seines Reiches in die Welt und in die Herzen der Menschen mitwirken können durch die vielfältige Gnade, die jedem einzelnen von uns nach dem von Gott uns zugeteilten Maß gegeben ist (vgl. 1 Petr 4, 10).

Einer von den diesen geliebten Söhnen, den Gott bei seinem Namen gerufen hat, ist unser Bruder George Pell.

In eine christliche Familie am 8. Juni 1941 hineingeboren, ist er aufgewachsen im australischen Bundestaat Victoria. Mit seinen sportlichen Fähigkeiten und seiner hohen intellektuellen Begabung, die sich im Laufe seiner schulischen Bildung herausstellte, hätte ihm eine glänzende Karriere in der Welt offen gestanden.

BILD: Kardinal Pell neben Bischof Olmstedt (Foto: Dr. Edith Breburda)

Aber er entschied sich, dem Ruf Christi in den priesterlichen Dienst zu folgen, der über eine philanthropische Gesinnung weit hinaus die Hingabe und Opferbereitschaft des guten Hirten verlangt.

Sein Studium im weltberühmten Oxford, auf das er immer sehr stolz war, krönte er mit einer Dissertation. Ihr Titel lautet: „The exercise of the Authority in early Christianity”. Dazu gehört auch Irenäus von Lyon, den Papst Franziskus zum Lehrer der Kirche erklärte.

Festhalten an der Lehre der Apostel

Dieser größte Theologe des 2. Jahrhunderts stellte gegenüber den Gnostikern aller Zeiten die gültige Hermeneutik des katholischen Glaubens fest. Die eine Offenbarung Gottes in Christus ist uns vollständig und unveränderbar in der Kirche überliefert vermittels der Heiligen Schrift, der Apostolischen Tradition und des normativen Zeugnisses der Bischöfe in der Apostolischen Sukzession.

Die Lehre der Apostel kann weder spekulativ erweitert oder in der liturgischen und pastoralen Praxis an den wandelnden Zeitgeist angepasst noch den politisch-diplomatischen Zwängen der Kirchenpolitik geopfert werden.

Mit großen Freimut vor den Thronen der Macht, des Geldes und der Arroganz der Pseudo-Intellektuellen hat er treu und selbstlos der Kirche in Australien gedient als Priester und dann als Bischof von Melbourne und Sydney. Und schließlich kreierte ihn Johannes Paul II. am 21. Oktober 2003 zum Kardinal der Heiligen Römischen Kirche.

Eine spezielle Verantwortung in der römischen Kurie wurde ihm von Papst Franziskus übertragen, der ihn in den neu geschaffenen Kardinalsrat berief und ihn zum Präfekten des Wirtschaftsrates des Vatikans bestellte.

Persönlich erinnere ich mich sehr gut an sein Engagement für die Ehe und Familie im Sinne der Lehre Christi gegen ihre Relativierung seitens säkularistisch denkender Teilnehmer an der Synode zu diesem Thema.

Der Kardinal wurde zum Opfer der Justiz

Aber der Feind schläft nicht. An seinem treuen Diener George Pell hat sich das Wort Jesu in erschütternder Weise bewahrheitet: „Haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen… Das alles werden sie euch um meines Namens willen antun; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat“ (Joh 15, 20f).

Während der Erzbischof George Pell sich zu seiner Zeit in Australien vorbildlich und anteilnehmend um die Opfer von sexuellem Missbrauch gekümmert hat, wurde er von einer aufgeputschten Meute gejagt und von katholikenfeindlichen Agitatoren in den Medien und im Polizeiapparat selbst zum Opfer der Justiz gemacht.

Er war 404 Tage lang in Isolationshaft eingekerkert bis er schließlich von High Court of Australia mit 7 zu 0 Stimmen als ein zu Unrecht Verurteilter aus dem Gefängnis entlassen wurde.

Pells Haft-Tagebuch in drei Bänden

Mit seinem dreibändigen Prison Journal (2019 – 2021) hat er uns ein großes Zeugnis christlicher Geduld mitten im ungerechten Leiden geschenkt, dass ihn nach den patristischen Maßstäben noch zu Lebzeiten in die Reihe der Bekenner eingereiht hätte, die unmittelbar in der communio sanctorum den Märtyrer folgen.

Dieses Werk lässt uns an vergleichbare Literatur denken wie das Werk von Boethius De consolatione philosophie, das „der letzte Römer und erste Scholastiker“ im Kerker des Gotenkönigs Theoderich verfasste.

Ich denke auch an den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer mit seinen Briefen aus der Haft der atheistischen deutschen Nazi-Regierung.

BILD: „Unschuldig angeklagt und verurteilt“ (Pell-Tagebuch im Media-Maria-Verlag)

Wer Trost sucht in der Not unserer Zeit und sich des Wortes Christi versichern will „Fürchtet euch nicht, ich habe die Welt überwinden“ (Joh 16,33), dem sei neben dem Gefängnistagebuch der letzte Aufsatz von George Pell in der Festschrift für seinen Freund und großen Newman-Kenner Ian Ker empfohlen. Er trägt den signifikanten, bezeichnenden Titel „The suffering church in a suffering world.“

Die Wahrheit steht aufrecht im Sturm

Der Beitrag schließt autobiographisch mit einer Erinnerung an Gilbert Keith Chesterton, „der erklärte, er sei im Alter von zwölf Jahren ein Heide gewesen, mit sechzehn ein Agnostiker, bei seiner Heirat Anglikaner geworden und 1922 im Alter von 48 Jahren in die Kirche aufgenommen worden“.

Und danach erläutert Kardinal Pell weiter:

„In seinem bekanntesten Buch Orthodoxy (1908) schreibt Chesterton über die ‚spannende Romanze der Orthodoxie‘. Für ihn wäre es leicht, ein Ketzer zu sein, leicht, der Zeit ihren Lauf zu lassen. In „irgendeine dieser offenen Fallen des Irrtums und der Übertreibung“ zu tappen, wäre in der Tat einfach gewesen. „aber sie alle zu vermeiden, war ein wirbelndes Abenteuer; und in meiner Vision donnern die himmlischen Streitwagen durch die Zeitalter, die öden Häresien breiten sich aus und gehen wieder unter, die umtobte Wahrheit schwankt, steht aber aufrecht.“

Und schließlich sagt Kardinal Pell selbst am Ende seines Lebens und Wirkens im Weinberg des HERRN: „Nach achtzig Jahren katholischen Lebens ist dies meine Vision“ (Lead kindly Light, ed Paul Shrimpton, 2022; p. 83).

Am 10. Januar 2023 sagte hier in Rom der HERR seinem treuen Diener George Pell: „Geh ein in die Freude deines HERRN” (Mt 25,23).

WIR DANKEN KARDINAL MÜLLER herzlich für die freundliche Abdruckserlaubnis dieser Predigt, die er am 9. Januar 2024 bei der Gedenkmesse für Kardinal Pell gehalten hat

 

Kommentare

6 Antworten

  1. https://www.ostinstitut.de/documents/Besitzt_der_gegenwrtige_Konflikt_mit_Russland_eine_kulturelle_Dimension.pdf

    ——————————–
    Schließlich wird auch die für die Moderne maßgebliche Trennung von Staat und Kirche in der
    Postmoderne zunehmend in Frage gestellt. Ob es um die öffentliche Diskussion im Zuge der
    Mohammed-Karikaturen geht, um die Rechtmäßigkeit der im Judentum praktizierten Beschneidung
    oder um die Punk Band Pussy Riot. In all diesen öffentlichen Debatten wird ein neuer Wertmaßstab
    etabliert. Nämlich eine Wertsetzung, die das Recht der Religionen auf einen eigenen vom Staat
    unabhängigen Bereich bestreitet. Damit kommt in der Postmoderne den Religionen der Schutz
    abhanden, den sie in der Moderne gerade durch die Trennung von Staat und Kirche noch genossen
    haben. In der Postmoderne wird von den Religionen verlangt, die Herrschaft des Profanen nicht nur
    im Staat und in der Gesellschaft anzuerkennen, sondern zusätzlich auch noch in ihrem ureigensten
    Bereich, nämlich in der Kirche selbst, möglichst sogar während des Gottesdienstes.
    —————————————–

  2. Herzlichen Dank für die Möglichkeit, durch den Abdruck hier diese tiefgehende und brüderliche, warmherzige Predigt Kardinal Müllers zum 1. Jahrestages dieses viel zu früh verstorbenen Kämpfers für den wahren Glauben lesen zu können! Müller versteht es ausgezeichnet, in jede Predigt weitgreifende Aussagen auch für interessierte Laien einzubauen. D.h. wir erfahren immer wieder eine gründliche Katechese, was ja so nötig ist. Den Begriff Aseität Gottes habe ich gleich im Fremdwörterlexikon nachgeschaut: Er bedeutet „absolute Unabhängigkeit, reines Aus-sich-selbst-Bestehen“. Müller deutet an, dass auch in dieser Hinsicht wir „Abbild und Ebenbild Gottes“ sind: Unsere unsterbliche Seele kann niemand töten, höchstens vielleicht der Satan. Damit ist jedes Leiden, jedes Getötet-Werden von Glaubenden in das Leiden Gottes in der Person Jesu hineingenommen und wird getröstet auferstehen. Mit-Leiden ist vielleicht die Aufgabe der Kirche heute – mit dieser leidenden, wirren, friedlosen und vielfach auch orientierungslosen Welt.

    1. https://www.ostinstitut.de/documents/Besitzt_der_gegenwrtige_Konflikt_mit_Russland_eine_kulturelle_Dimension.pdf

      ——————————–
      Schließlich wird auch die für die Moderne maßgebliche Trennung von Staat und Kirche in der
      Postmoderne zunehmend in Frage gestellt. Ob es um die öffentliche Diskussion im Zuge der
      Mohammed-Karikaturen geht, um die Rechtmäßigkeit der im Judentum praktizierten Beschneidung
      oder um die Punk Band Pussy Riot. In all diesen öffentlichen Debatten wird ein neuer Wertmaßstab
      etabliert. Nämlich eine Wertsetzung, die das Recht der Religionen auf einen eigenen vom Staat
      unabhängigen Bereich bestreitet. Damit kommt in der Postmoderne den Religionen der Schutz
      abhanden, den sie in der Moderne gerade durch die Trennung von Staat und Kirche noch genossen
      haben. In der Postmoderne wird von den Religionen verlangt, die Herrschaft des Profanen nicht nur
      im Staat und in der Gesellschaft anzuerkennen, sondern zusätzlich auch noch in ihrem ureigensten
      Bereich, nämlich in der Kirche selbst, möglichst sogar während des Gottesdienstes.
      —————————————–

  3. Einen bedeutsameren Kardinal als George Bell wird man im Moment nicht finden.
    Unschuldig angeklagt, im Gefängnis sich als absolut treuer Kreuzträger Christi erwiesen, der jeden Tag in der Gefängniszelle dem Herrn aufgeopfert hat für die Untreuen in der Heiligen Katholischen Kirche. Seine im Gefängnis geschriebenen Bücher sind mit Abstand das Beste, was ich seit langem über unseren katholischen Glauben gelesen habe.
    Ein wahrer Heiliger , den wir jetzt schon um Hilfe bitten können!!

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