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Wolfgang Waldstein über Herkunft, Bedeutung und Aktualität des „Naturrechts“

Ein Vatikan-Kongress über die Geschlechterbeziehung zwischen Mann und Frau im November hat wieder an die Gemeinsamkeiten über alle kulturellen Grenzen hinweg erinnert: Vertreter von 14 Religionen waren sich einig über den Wert der traditionellen Ehe. 75743_14122011

In der Natur des Menschen ist offenbar ein Wertesystem von vornherein angelegt. Bereits im Jahr 2009 hatte sich die Internationale Theologische Kommission in dem Dokument „Auf der Suche nach einer universalen Ethik. Ein neuer Blick auf das Naturrecht“ mit diesem System beschäftigt und war damit einer Anregung Papst Benedikts XVI. gefolgt.

In dessen berühmter Naturrechtsrede vor dem Deutschen Bundestag im September 2011 wird kein anderer Autor so oft zitiert wie der österreichische Rechtshistoriker Prof. Dr. Wolfgang Waldstein. 

Michaela Koller (siehe Foto) sprach mit dem emeritierten Salzburger Professor über die Geschichte und Entwicklung des Naturrechts.M. Koller

Der Juraprofessor Stephan Rixen bezeichnete nach der Rede Papst Benedikts XVI. am 22. September 2011 im Deutschen Bundestag das natürliche Sittengesetz als „theologisches Naturrecht römisch-katholischer Prägung“. Was die Wurzeln des Naturrechts betrifft, so sind Sie zu anderer Erkenntnis gelangt…

Waldstein (siehe Foto): Rixen irrt grundlegend, weil er offenbar nicht weiß, dass das Naturrecht, vielleicht nicht dem Namen, aber der Sache nach, seit dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend in den Quellen belegt ist. 

Man hat erkannt, dass es ein Recht gibt, das nicht von Menschen geschaffen ist. Es konnte sich besonders entwickeln, da die römischen Juristen seit dem 2. Jahrhundert vor Christus begonnen haben, Rechtsfälle nach dem Naturrecht zu entscheiden. Sie waren damals mit der griechischen Philosophie in Berührung gekommen und haben es von da der Sache nach übernommen.IMG_0005

Es kann also nicht sein, dass es sich um eine christliche Erfindung handelt. Es ist eben der menschliche Geist fähig, einzusehen, dass ein Recht vor jedem menschlichen Recht existiert, das erhalten bleiben muss. Ich kenne die Quellen und habe sie studiert.

Es gibt auch Kreise, die das Naturrecht und mit ihm die Menschenrechte für eine Ausgeburt der Aufklärung halten. Welche Kontinuität schließt sich denn an die römische Blüte des Naturrechts an?

Waldstein: Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem 2. Jahrhundert vor Christus haben Juristen das klassische römische Recht bis zum 3. Jahrhundert nach Christus in Schriften entwickelt. Im Jahr 530 hat der oströmische Kaiser Justinian den Auftrag erteilt, aus diesen Schriften eine Sammlung anzulegen. Das ist das justinianische Gesetzbuch geworden, das im Mittelalter in Bologna neu entdeckt und später dann im 18. und 19. Jahrhundert in die Naturrechtsgesetzbücher eingeflossen ist.

Und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (ABGB), das immer noch gilt, ist neben dem französischen Code Civil von 1804 eines dieser Gesetzbücher. In Paragraf 7 ABGB wird in zweifelhaften Rechtsfällen auf die natürlichen Rechtsgrundsätze verwiesen.

Wann hat denn der Verfall der Achtung vor dem Naturrecht eingesetzt?

Waldstein: Bei uns hat es damit begonnen, dass das Parlament mehrheitlich den Schutz des ungeborenen Lebens aufgehoben hat. Dies war der erste schwere Einbruch. Ich habe damals gesagt, dass Österreich dadurch aufgehört hat, ein Rechtsstaat zu sein – weil man einer Gruppe von Menschen das Lebensrecht entzieht. 1_0_809751

Wenn die Demokratie Rechte nicht anerkennt, schlägt sie in einen Totalitarismus um, in eine Tyrannei der Mehrheit. Wenn man die Grundlagen des Rechts an einer Stelle verlässt, dann greift es leicht auf andere Fälle über. Beispiele dafür sehen wir bereits in der Antike bei den Griechen. 

Auch bei den Römern gab es eine totalitäre, völlig rechtlose Phase, im 2. und 1. Jahrhundert vor Christus. In der Zeit um den Beginn des 1. Jahrhunderts nach Christus kam ein Kaiser, der wieder rechtsstaatliche Verhältnisse herstellte.

Es kam und kommt wiederholt zu Rückschritten, auch gegenwärtig, was die Durchsetzung des Naturrechts betrifft….

Waldstein: Einen besonders schmerzlichen Rückschritt sehen wir gegenwärtig darin, dass der Staat schwerwiegend in das Erziehungsrecht der Eltern eingreift und die Kinder nach seinen Vorstellungen in die sexuelle Libertinage führt. Diese zwingt der Staat den Kindern gegen den Willen der Eltern auf, beginnend bereits mit dem Kindergarten, wo schon Kuschelecken eingerichtet werden. Das ist vielfach dokumentiert. Der Marxismus hat diese Ideen verbreitet.

Quelle und vollständiges Interview hier: http://www.zenit.org/de/articles/die-liebe-als-grundlage-des-rechts

PROF. WALDSTEIN: Geboren 1928 in Hangö (Finnland), kam Waldstein nach dem Ausbruch des sowjetisch-finnischen Krieges mit seiner Familie 1940 nach Salzburg. Ab 1964 lehrte er zunächst an der Universität Innsbruck, dann ab 1965 bis 1992 als ordentlicher Professor Römisches Recht und Rechtsphilosophie in Salzburg.

Von 1996 bis 1998 war er Ordinarius an der Zivilrechtlichen Fakultät der Päpstlichen Lateran-Universität in Rom. Zehn Jahre lang, von 1994 bis 2004, war Waldstein Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben. Er gilt bis heute international als führend anerkannter Experte für Naturrecht.

Dr. Wolfgang Waldstein ist katholisch, verheiratet mit Marie Theresa Waldstein. Die Beiden haben sechs Kinder, 24 Enkel und 18 Urenkel.

Buchtips: Wolfgang Waldstein. Mein Leben – Erinnerungen. Verlag Media Maria, 2013. ISBN 978-3-9815943-4-8; 18,50 EUR.  – Wolfgang Waldstein. Ins Herz geschrieben. Sankt Ulrich Verlag, 2010. ISBN: 978-3-86744-137-7; 19 EUR.

INFO-Magazin von Michaela Koller: http://www.vaticanista.info/

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