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Das "Ziehen Gottes", der Jansenismus und das "Drama der Erlösung"

Zur theologischen Debatte über die „Schar der Erwählten“

Die liturgische Evangeliumslesung vom vorigen Sonntag (Joh 6,43) ist in gewisser Hinsicht eine Antwort auf die aktuelle Diskussion, die derzeit vor allem in manchen traditionalistischen Kreisen geführt wird:

Dabei wendet sich diese eher „heilspessimistische“ Richtung gegen bestimmte „heilsoptimistische“ Vorstellungen, die in der Hoffnung gipfeln, daß letztlich doch die Mehrheit der Menschen das ewige Heil finden könne  – wenngleich sicherlich meist auf dem Umweg über das „Fegefeuer“, das die Läuterung der Seele im Jenseits bewirkt und für den Himmel „zubereitet“.

Wer hat nun recht?
Sind es jene rabiaten Vorstellungen, die im Extremfall sogar davon ausgehen, daß Gott von vornherein nur für eine kleine Schar der „Auserwählten“ das Heil vorgesehen hat und die nun meinen, darin bestehe gleichsam das „Drama der Erlösung“   –  oder liegen jene richtig, die glauben, der Triumph Gottes bestehe gerade darin, daß es letzten Endes doch mehr Gerettete als Verdammte gäbe. Dies entspräche überdies eher dem allgemeinen Heilswillen Gottes.
Pilatus stellte Christus beim Verhör einst die Frage: „Was ist Wahrheit?“ – Der Statthalter Roms im Heiligen Land wollte nicht erkennen, daß die Wahrheit in Person direkt vor ihm stand  – und das sich an IHM unser Heil entscheidet.
Die katholische Kirche hat sich allzeit vor zwei Extremvorstellungen gehütet:

Foto: Petrusbruderschaft

1. ALLVERSÖHNUNG:
Der Glaube an eine sog.  „Wiederherstellung aller Dinge“ in dem Sinne, daß schlußendlich auch die Verdammten sich gleichsam „bekehren“ und so zum Heil gelangen, wurde von der Kirche klar abgelehnt, auch gegenüber dem frühchristlichen Theologen Origenes, der diese „Allversöhnung“ lehrte.
Obwohl Origenes in zahlreichen seiner Schriften viel Verdienstvolles äußerte, obgleich er kirchliche Lehren auf anderen Gebieten  fundiert gegenüber Ketzereien verteidigte, geriet er hinsichtlich der Allerlösung selber in die Fänge der Häresie. Daher gilt der sonst so gelehrte Theologe aus dem 2. Jahrhundert nicht als „Kirchenlehrer“, sondern allenfalls als Kirchenschriftsteller.

Das kirchliche Lehramt hält in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift an der EWIGKEIT der Hölle fest; sie wird also nicht etwa am Ende der Zeiten „leergefegt“; zumal die Hölle dann im Grunde lediglich ein verschärftes und verlängertes Fegefeuer wäre.
2. JANSENISMUS:
Im 17. Jahrhundert verbreitete sich in Frankreich die rigoristische Irrlehre des Jansenismus in der katholischen Kirche, die von mehreren Päpsten deutlich verurteilt wurde.
Der Jansenismus war quasi eine „Häresie von rechts“, eine Verirrung besonders strenggesinnter Katholiken, die glaubten, Christus sei nicht für alle Menschen gestorben, sondern für eine vorherbestimmte „Schar der Auserwählten“. Diesen göttlichen Ratschluß könne der Mensch von sich aus nicht ändern. 
Die kath. Kirche hat aber gegen den Jansenismus an der menschlichen Willensfreiheit festgehalten und hat zudem die „Universalität der Erlösung“ betont, also den allgemeinen Heilswillen Gottes verkündet, wie ihn die Hl. Schrift lehrt.
Diese Lehre vom universalen Heilswillen Gottes ist in der katholischen Kirche ein Dogma, also ein unfehlbarer, für die Gläubigen höchst verbindlicher Glaubenssatz. Wer ihn bewußt und absichtlich leugnet, ist im Geiste nicht mehr katholisch.

Dieses Dogma wird in der Heiligen Schrift klar bezeugt, etwa wenn es bei Paulus heißt: „Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4)
Im gleichen Brief an Timotheus schreibt der Völkerapostel: Wir mühen uns, weil wir unsere Hoff­nung gesetzt haben auf den leben­di­gen Gott, den Ret­ter aller Men­schen“ (1 Tim 4,10).

Gott zwingt freilich niemanden zur ewigen Seligkeit  – wer Gottes Rettungstat, wer also Christi Erlösungs-Angebot verweigert, wird die ewigen Konsequenzen tragen müssen. Die menschliche Freiheit hat ihren Preis, der sich spätestens in der Ewigkeit bemerkbar macht.

Zwischen diesen beiden  –  von der Kirche verurteilten  –  Extrempositionen der Allerlösung und des Jansenismus, die wir hier nur kurz gestreift haben, gibt es natürlich eine gewisse „Spannbreite“ verschiedener Ansichten und Schwerpunkte:
Die Kirchengeschichte kennt Theologen und Heilige, die eher „heilsoptimistisch“ dachten, ohne dabei etwa die Ewigkeit der Hölle zu leugnen, die aber von der Hoffnung beseelt waren, daß doch die Mehrheit der Menschen das Heil finden möge  – zur Ehre Gottes, der alle Dinge zum Guten zu lenken weiß.

Gleichzeitig gibt es eher „heilspessimistische“ Kirchenmänner und Heilige, die von der Befürchtung ausgehen, daß die „große Masse“ wohl kaum den Weg zum Himmel finden werde.
Das kirchliche Lehramt hat sich  durchaus n i c h t  dogmatisch festgelegt hinsichtlich dieser eher optimistischen oder eher pessimistischen Vorstellungen. 
Es sollte daher in der innerkatholischen Debatte keine unsachgemäßen Verketzerungen geben, sondern vielmehr die vom Lehramt hierbei selbst praktizierte Toleranz beachtet werden.

So ist es beispielsweise nicht angemessen, wenn Heilspessimisten jene als „Irrlehrer“ denunzieren, die von der Hoffnung ausgehen, daß die Mehrheit oder gar die meisten Menschen das Heil erreichen. Das „darf“ man glauben  – ebenso wie man das Gegenteil (die Mehrheit geht verloren) befürchten „darf“.
Man darf allerdings nicht der Allversöhnungslehre oder dem Jansenismus verfallen, darf also nicht die Ewigkeit der Hölle leugnen oder den allgemeinen Heilswillen Gottes infrage stellen.
Nun aber zu jenem Evangeliumsabschnitt, den wir am vorigen Sonntag  in der Kirche gehört haben. Er ist für unser Thema durchaus von Interesse.
Der Priester las nämlich aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums vor. Dort heißt es in Joh 6,43:  „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht; und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.“
Diese Aussage Christi verwenden Jansenisten gerne, um ihre Ansichten über das „Drama der Erlösung“ zu untermauern nach der Devise: Hier sagt Jesus doch indirekt selber, daß es eine bestimmte Schar der Auserwählten gibt, die der Vater „zieht“  –  und die anderen „zieht“ er eben nicht.
Damit wollen diese Kreise ihre abwegigen Vorstellungen über eine angebliche „Vorherbestimmung“ Gottes belegen  – oder zumindest über eine festgelegte Begrenzung der Geretteten auf eine kleine Schar der „Erwählten“, was schon immer im göttlichen Heilsplan so vorgesehen sei.
Hierbei wird meist nicht unterschieden zwischen dem „Vorauswissen“ Gottes, das natürlich zu seiner Allwissenheit gehört  –  und einer strikten „Vorherbestimmung„, die über eine allgemeine göttliche „Vorsehung“ hinausgeht und die mit der menschlichen, von Gott geschenkten Willensfreiheit in Konflikt käme. Die Folge wäre letztlich eine Leugnung der Willensfreiheit und damit der menschlichen Verantwortlichkeit.
Sieht nun  das „Drama der Erlösung“ wirklich so aus, wie es auch der protestantische Calvinismus (irr)lehrt, wonach der himmlische Vater eben einen gewissen Teil der Seelen zu sich bzw. zu Christus „zieht“  –  den Großteil (die  sog.“verdammte Masse“) aber gerade nicht?
„Zieht“ er also alle Menschen zu sich oder nicht?
Befragen wir hierzu die ganze Heilige Schrift, da es leicht zu falschen Vorstellgen führt, wenn man sich bei einem vielgestaltigen Thema auf eine einzige Bibelstelle stützt:
Bereits im Alten Testament heißt es bei Jeremia: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, deshalb zog ich dich in mein Erbarmen“ (Jer 38,3)  – und der Prophet Hosea schreibt: „Ich habe sie gezogen mit den Fesseln meiner Liebe“ (Hos 11,4).
Dieses „Ziehen Gottes“ bezieht sich hier auf das ganze Volk Israel, nicht etwa nur auf einzelne Teile.
Doch wenn Gott jemanden an sich „zieht“, geschieht dies aus Liebe („mit den Fesseln meiner Liebe“) und nicht in Form eines Zwanges, der sich mit der wahren Liebe und der menschlichen Willensfreiheit nicht vereinbaren ließe.  Der Mensch kann sich also diesem „Ziehen“ des Schöpfers widersetzen und sich der Erlösung durch Christus verweigern.
 
Im Johannes-Evangelium wird folgender Ausspruch Christi überliefert:
„Bei den Propheten heißt es: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und von ihm lernt, wird zu mir kommen“ (Joh 6,45).

Damit hat Christus den Wortlaut dieses Prophetenspruchs erweitert, denn dort wurde der Stadt Jerusalem einst verheißen:
Alle deine Söhne werden Schüler Gottes sein“ (Jes 54,13).
Jesus ist eben nicht allein der Erlöser Jerusalems, auch nicht allein der Retter des erwählten Volkes Israel, sondern der ganzen Welt. Daher läßt Jesus das einschränkende Prophetenwort „deine Söhne“ weg und sagt uns allen, daß wir auf den Vater hören und von IHM lernen sollen, damit wir das ewige Leben erlangen.
Dazu ist also jeder Mensch aufgerufen, nicht nur eine begrenzte „Schar der Auserwählten“.
An einer anderen Stelle berichtet Johannes vom Ausspruch Christi:
Wenn ihr auf Moses hören würdet und auf die Schrift, dann würdet ihr an mich glauben“ (Joh 5,46).
Demnach ist es die freie Entscheidung des Menschen, auf „Moses und die Schrift“ zu hören, also auf die Offenbarung Gottes und seine Gebote, um dadurch auch zum Glauben an Christus zu gelangen. Das Alte Testament ist ja ein klarer Hinweis auf den Erlöser und auf den Willen Gottes.
Daraus ergibt sich nun die Schlußfolgerung:
Gott „zieht“ alle Menschen an sich  – dies bezeichnet man in der katholischen Theologie als jene „zureichende“ („hinreichende“) oder auch  „vorauseilende“ Gnade Gottes, die zum Glauben und zur Bekehrung des Menschen führt.
Auch der Glaube selbst ist zunächst keine Leistung des Menschen, sondern ein Geschenk Gottes  – allerdings ein Geschenk, das der Mensch annehmen oder verwerfen kann. Der Glaube bleibt gleichwohl an sich eine unverdiente Gnade des Himmels, die aber niemandem gegen seinen Willen übergestülpt wird.
Der Mensch soll dem rettenden Wort Gottes eine Ant-Wort geben  –  und das ist dann seine Ver-Antwort-ung, die auch in der Ewigkeit ernst genommen wird, also über Heil oder Unheil der unsterblichen Seele entscheidet.
Felizitas Küble, Leiterin des Christoferuswerks in Münster

 

Kommentare

12 Antworten

  1. Grüß GOTT!
    Ich gebe Ihnen Recht, Fr. Küble, nur das Hoffen und Beten, das alle gerettet werden, könnte man evtl. auch noch richtig verstehen – wie auch das Gebet von Fatima, obwohl da immer noch ein kl. Unterschied besteht. (Gegen dieses Gebet wird der von Ihnen gebrachte Einwand ja auch schon länger erhoben, insbesondere von sedisvakantistischer Seite, v.a. von Prof. Wigand Siebel in letzter Zeit, daher kenne ich den Einwand).
    Erst im Zusammenhang mit der zuerst zit. Aussage Müllers bzw. schon durch diese alleine wird die Sache so nicht mehr haltbar.
    Er sagt ja, dass wir aus prinzipiellen Gründen nicht wissen könnten, ob es überhaupt einen Menschen gebe bzw. je geben hätte, der bis zum Tod „einen
    radikalen Widerstand gegen die Liebe (Gottes) durchgetragen“ hätte (und drückt dann eben besagte Hoffnung bzw. Aufforderung zum Gebet aus, dass tatsächlich alle gerettet seien/würden).
    Dies ist aber aus 2 Gründen falsch:
    1. Wissen wir es aus Göttlicher Offenbarung für einen ganz bestimmten Menschen, nämlich Judas (ganz klar sowohl aus der Schrift wie aus der Tradition), dass er nicht gerettet ist.
    2. Wissen wir es aus Göttl. Offenbarung allgemein, da die effektive Allerlösung/Allversöhnung verurteilt ist bzw. es den von mir zit. Glaubenssatz bezgl der Pädestination und Rebrobation gibt, verbunden mit klaren Bibelstellen und auch Vernunftgründen (wir waren uns ja hierin auch einig, Fr. Küble): Die Hölle kann nicht „leer“ sein, es müssen also zumindest einige in ihr sein, zu aller mindest also einer und nicht keiner/niemand.
    Wie gesagt, das Wichtigste ist auch schön in Schumachers Artikel erklärt, s. dort.
    Und ich gebe ihnen gerne Recht: Müller formuliert hier im Vgl. zu anderen relativ zurückhaltend, ich war wie gesagt weit entsetzter, als ich etwa die Aussagen Kard. Meisners oder des YouCat gelesen habe, die noch viel deutlicher sind. Die Grundtendenz ist allerdings die gleiche.

    1. Guten Tag,
      man muß sich mit der von Ihnen zitierten Äußerung von EB nicht identifzieren, um andererseits festzuhalten, daß es sich gleichwohl um keine Häresie handelt, sondern um weit ausgedehnten Heilsoptimismus, wobei ich ja bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen habe, daß EB Müller sich an anderer Stelle klar zur Existenz der Hölle bekennt. Damit dürfte diese Sache doch beigelegt sein. – Was das „Fatima-Gebet“ betrifft, so hat Prof. Wiegand Siebel diesen Einwand schon vor vielen Jahren von mir erhalten und offenbar übernommen, was auch völlig ok ist.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

  2. Es geht den sog. „Traditionalisten“ bei der Kritik an EB Müller oder anderen hier nicht um einen „Heilsoptimisus“ vs „Pessimismus“ in eben erörterten Sinn ob nun mehr oder weniger Menschen in die Hölle kommen (was sich ja alles, wie bereits bemerkt, im Rahmen der kath. zulässigen Meinungen bewegt), sondern eben um die Tendenzen Richtung Allerlösung, also zu sagen oder es zumindest als eine berechtigte Hoffnung auszudrücken, dass am Ende niemand, kein einziger wirklich in die Hölle kommt.
    Hier zeigt ein „Traditionalist“ wie Prof. Schumacher zu Recht auf, dass das nicht mehr so einfach als zulässige „opinio“ durchgehen kann.
    Wir sind hier nämlich bei einem anderen Grundproblem des Modernismus – genau diese Tendenz, die Hölle faktisch leer sein zu lassen (zumindest als Hoffnung). Dabei ist dann nämlich wirklich das kath Dogma der Prädestination wichtig, das doch eher so zu verstehen ist, dass tatsächlich Menschen in die Hölle kommen, wenigstens einige, ganz zu schweigen von vielen Bibelstellen und der übrigen Tradition, die klar in diese Richtung weisen. „Traditionalisten“ wie Prof. Schumacher kritisieren diese moderne Tendenz also völlig zu Recht – sie ist wie gesagt ein Grundelement des Modernismus – und des heutigen mangelnden Missionseifers.
    Und sie ist v.a. so weit verbreitet, dass kaum ein heutiger Würdenträger nicht davon angesteckt wäre (das ging ja hin bis zu Papst Joh P. II, vgl. „Die Schwelle der Hoffnung“ zu Judas – Benedikt XVI in seinem JESUS-Buch hingegen ganz anders, wieder sehr traditionell!).
    Auch wenn es bei Barth und Balthasar noch deutlicher ist – auch Müller stellt die effektive Allerlösung zumindest als eine Möglichkeit, eine berechtigte Hoffnung hin.
    Und andere, ebenfalls als konservativ geltende Bischöfe gehen ja sogar noch weiter bzw. werden noch deutlicher, etwa Kard. Meisner. Auch er schreibt natürlich wie EB Müller sehr viel über die „Realität“ der Hölle – aber nur als Möglichkeit. Vgl. etwa Meisners Interview-Buch mit Früstin Gloria v. Th. u. Taxis „Die Fürstin und der Kardinal“, wo er S.190 – nachdem er zuvor auch lang und breit über die „reale“ Gefahr, in die Hölle zu kommen, gesprochen hat – durch rethorische Fragen am Ende es doch als höchstwahrscheinlich, wenn nicht gar sicher erscheinen lässt, dass tatsächlich niemand (oder fast niemand) in die Hölle kommt.
    Auf S. 189 sagt er sogar den Satz, den man eigentlich sogar als direkt häretisch bezeichnen könnte „…oder ist die Hölle nicht doch nur ein Fegfeuer, in der ich fähig werde, etwas von der Fülle Gottes in mir wahrzunehmen und aufzunehmen? Wir wissen es nicht.“ (!!)
    Wie ich das gelesen habe, hat es mir fast die Sprache verschlagen. Auch ich hielt nämlich lange Zeit Meisner (wie evtl. Müller od. andere) für einen zumindest „Konservativen“. Wirklich. Und daher war ich so enttäuscht wie entsetzt, so Sätze lesen zu müssen.
    Inzwischen verflüchtigen sich auch die letzten Illusionen bei mir, je mehr ich lese. Es ist eigentlich unglaublich – aber es ist so.
    Und der You-Cat – also eine offizielle Verlautbarung der Kirche, der Kirchenvertreter – ist ja ähnlich schrecklich, was die Lehre zu den letzten Dingen betrifft.
    Nochmals, „Tradis“ wie Schumacher tun gut und Recht daran, auf diesen Traditionsbruch zu verweisen. Es ist wichtig. Sehr wichtig sogar.

    1. Guten Tag,
      es ist völlig klar, daß man keine „leere Hölle“ verkünden kann, zumal das ein logischer Widerspruch in sich selbst wäre, da ja die Hölle wesentlich gerade in der ewigen Gottesferne unsterblicher, verlorener Seelen besteht: also wäre eine „leere“ Hölle insofern überhaupt keine Hölle. Wenn es also eine Höllie gibt – und daran halten wir fest – dann ist diese logischerweise nicht „leer“.
      Natürlich darf der Heilsoptimismus nicht soweit gehen, daß er auf eine Allerlösungs(irr)lehre hinausläuft, das ist in meinem Artikel klarstens ausgedrückt.
      Allerdings hätte ich gerne einen Beweis, wo und wann Erzbischof Müller eine leere Hölle vertreten hat oder eine „berechtigte Hoffnung“ darauf verkündete, wie Sie schreiben. (Wobei eine unverbindliche „Hoffnung“ – lediglich als Gedankenspiel – noch lange keine Häresie wäre, sondern ein naiver Wunsch.)
      Immerhin steht in dem Müller-Buch „Gott und seine Geschichte“ von 2005 etwas ganz anderes, nämlich ein klares Ja zur Existenz des Teufels und der Hölle (S. 127 und 141). Eine angeblich „leere“ Hölle wird nicht einmal als Möglichkeit angedeutet.
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

      1. Ich komme leider erst jetzt zum Antworten (hatte zuvor keine Zeit bzw. anderes zu tun).
        Die „leere Hölle“ als Möglichkeit oder Hoffnung (sogar mehr als nur angedeutet) bei Müller finden Sie (wie auch von Gaudron u. auch dem v. mir genannten Schuhmacher zitiert) hier:
        Katholische Dogmatik. Für Studium und Praxis der
        Theologie, Freiburg 1995, 564 (vgl. a. 559 f.) – zit. nach eben diesem unten verlinkten Schuhmacher.
        Das vollständige Zitat aus dem Schuhmacher-link:
        „Und selbst Gerhard Ludwig Müller scheint in seiner Dogmatik
        in gewisser Weise einen einzigen Ausgang der Geschichte zu
        favorisieren, wenngleich er die „reale Möglichkeit“ eines
        doppelten Ausgangs der Geschichte aufgrund der Schrift-
        zeugnisse zugesteht.[211]
        So meint er, wir könnten prinzipiell nichts darüber aussagen, ob
        es überhaupt Menschen gebe, die bis zu ihrem Tod „einen
        radikalen Widerstand gegen die Liebe (Gottes) durchgetragen“
        hätten, und kommt zu dem Ergebnis, dass wir „hoffen und
        beten“ sollten, „dass der allgemeine, sich auf jeden Menschen
        erstreckende Heilswille Gottes bei allen zum Ziel“ komme.[212]“
        Also, wenn Schuhmacher nicht falsch zitiert hat (was ja leicht nachzuprüfen ist, habe selbst die Dogmatik gerade aber nicht vorliegen um es nachzuprüfen), so reiht sich Müller in die Schar derer ein, die die „leere Hölle“ zwar nicht definitiv lehren, aber zumindest als Möglichkeit und berechtigte Hoffnung ansehen, was Schuhmacher wie Gaudron zu Recht an ihm kritisieren. Wie gesagt, der gesamte Schuhmacher-Artikel ist übrigens äußerst lesenswert und macht deutlich, warum auch eine solche Hoffnung oder Möglichkeits-Behauptung nicht mit dem kath. Glauben vereinbar ist.
        Beste Grüße in CHo per Mam

        1. Guten Tag,
          wenn Erzbischof Müller als Professor einst schrieb, dass wir „hoffen und beten sollen, dass der allgemeine, sich auf jeden Menschen erstreckende Heilswille Gottes bei allen zum Ziel kommt“ und Sie dies beanstanden, dann müßten Sie mit gleicher Logik auch jenes bekannte „Fatima-Gebet“ kritisieren, das oft als Rosenkranz-Zusatz vorkommt und in dem es heißt: „Führe alle Seelen in den Himmel!“ – also „alle“ Seelen wohlgemerkt, wobei diese Äußerung eindeutig weiter geht als jene Müllers, denn die Verworfenen in der Hölle sind ja durchaus auch „Seelen“, während bei Prof. Müller von „Menschen“ die Rede ist, also wohl von diesseitigen Erdenbürgern.
          Daß sich der allgemeine Heilswille Gottes auf alle bzw auf jeden Menschen „erstreckt“, ist katholisches Dogma – und daß er bei allen Menschen zum Zuge käme (insoweit sie sich zumindest zuletzt noch bekehren könnten), das wäre tatsächlich wünschenswert, keine Frage, doch die menschliche Willensfreiheit (ihr Mißbrauch) steht der Vollerfüllung dieses Zieles bekanntlich im Wege.
          Freundlichen Gruß!
          Felizitas Küble

  3. Dem Artikel ist weitgehend zuzustimmen. Bezügliche der sog. „Praedestination“ wäre allerdings zu präzisieren:
    Nach kath. Lehre gibt es in der Tat „Auserwählte“ bzw. „Vorherbestimmte/Prädestinierte“.
    Nur die protestantische Lehre der absoluten, positiven Reprobation (d.h. Verwerfung), also der absoluten positiven Prädestination (d.h. Vorherbestimmung) zur Hölle, ist als häretisch verurteilt.
    Selbst bzgl. der Reprobation, also der Prädestination zur Hölle, lehrt die kath. Kirche, dass es eine solche gibt – eben nur nicht im protest. Sinne, also nicht absolut-positiv.
    Vgl. Ott (Gnadenlehre, §13 „Das Geheimnis der Reprobation“):
    Gott hat durch seinen ewigen Willensratschluß bestimmte Menschen wegen ihrer vorhergesehenen Sünden zur ewigen Verwerfung vorherbestimmt. De fide.“
    Die Kirche lehrt also, dass die Vorherbestimmung nicht absolut ist, sondern bedingt, nämlich durch das Vorherwissen bzw. Vorhersehen Gottes unserer Sünden. Gott sieht diese ja voraus (bzw. weiß sie von Ewigkeit her – streng genommen gibt es ja kein „voraus“ bei Gott!) und aufgrund dessen prädestiniert er gewisse – unbußfertige – Sünder zur Hölle.
    Ja, Ott geht sogar noch weiter bzw. präzisiert, dass selbst die Lehre einer absoluten, wenn auch nur negativen Reprobation nicht häretisch ist und von Katholiken vertreten werden kann (s. ebd.).
    Ich selbst – wie auch Ott – stehe dieser Haltung zwar ablehnend gegenüber, weil sie mir doch zu sehr Richtung Protestantismus/Jansenismus zu neigen scheint, wenn nicht gar darauf hinausläuft – aber mit Ott ist festzuhalten: auch diese kann man nicht als häretisch verurteilen.
    Und eine Prädestination zum Himmel gibt es allemal. Wiederum Ott (Gnadenlehre, §12 „Das Geheimnis der Prädestination“):
    Gott hat durch seinen ewigen Willensratschluß bestimmte Menschen zur ewigen Seligkeit vorherbestimmt. De fide.
    Auch hier gibt es wieder die Frage, ob es eine absolute oder nur bedingte Prädestination ist.
    Ich selbst stehe klar auf der Seite, dass es auch hier nur eine bedingte Prädestination sein kann (nämlich aufgrund des „Vorherwissens“ unserer Verdienste), da mir eine absolute (d.h. unabhängig von unseren Verdiensten, einfach so) doch sehr protestantisch/jansenistisch vorkommt. Aber auch hier gilt: Selbst diese noch weiter gehende Form der Prädestinationslehre als absolute Prädestination zum Himmel ist nicht als häretisch verurteilt (sondern eben nur die prot. absolut-positive Höllen-Prädestination, s.o.!)
    Zumindest als bedingte gibt es also nach kath. Lehre die Auserwählung und Prädestination (sowohl zum Himmel wie zur Hölle) ( – nach einigen Theologen wie gesagt sogar als unbedingte, wenngleich ich diese Meinung selbst nicht teilen kann, sie der Korrektheit halber aber nennen muss).
    (Und was die Zahl der geretteten und die Frage nach „Optimismus“ vs. „Pessimismus“ betrifft, so ist weniger Joh 6, 43 ein gegen einen „Optimismus“ sprechendes Problem, weil es hier wirklich um die „vorauseilende“ oder „zureichende“ Gnade gehen könnte (wenngleich ich nicht weiß, wie die Väter die Stelle auslegen, das müsste man mal nachschauen), sondern Stellen wie Mt. 7, 13f, die die Frage nach der „effektiven/effizienten“ Gnade (gratia efficax) betreffen. [Aber keine Sorge, ich habe nicht vor, eine Debatte hierüber zu führen!])

    1. Guten Tag,
      vielen Dank für Ihre völlig zutreffenden und detaillierten Erörterungen, denen ich gerne zustimme. Insbesondere Ihre klare Abgrenzung zum Jansenismus/Calvinismus finde ich sehr erfreulich.
      Nun will dieser Artikel lediglich eine allgemeine Übersicht aus dem Ärmel schütteln und nicht etwa eine theologische Abhandlung darstellen, geschweige sich in akademische Verästelungen begeben – das würde mindestens eine Broschüre erfordern.
      Was nun die „effiziente“ Gnade betrifft, meist „wirksame“ Gnade genannt, so haben Sie recht, daß es diese wohl gibt, allerdings wiederum nur „relativ“, nämlich eben unter Einbeziehung der menschlichen Willensfreiheit. Daher wird sie auch „wirksame“ Gnade genannt und nicht „unwiderstehliche“ (wie im Calvinismus).
      Das bedeutet, daß auch bei den von Gott „auserwählten“ Menschen die Willensfreiheit keineswegs abgeschafft ist, daß ER aber ihren Lebenswandel voraussieht, ohne ihn festzulegen, weil andernfalls die betreffenden Personen nur noch Marionetten wären.
      Also: Wirksame Gnade JA, unwiderstehliche Gnade NEIN. (Auch dies hat das kirchliche Lehramt gegenüber dem Jansenismus richtiggestellt.)
      Ebenso: Relative Auserwählung zum Heil JA, absolute NEIN.
      Der Jansenismus war hinsichtlich seiner Gnadenlehre eine pseudo-katholische Neu-Auflage des protestantischen Calvinismus, dessen Prädestinationslehre bereits auf dem Trienter Konzil zurückgewiesen wurde.
      Zugleich hat der Jansenismus bestimmte – ohnehin zugespitzte – Aspekte der Gnadenlehre des hl. Augustinus derart überbetont und verabsolutiert, daß sich daraus eine irrige Position entwickelte, ohne zu bedenken, daß das kirchliche Lehramt die Gnadenlehre Augustins nur sehr begrenzt übernommen hat.
      Nicht das Lehramt ist auf die Kirchenlehrer angewiesen, sondern die Kirchenlehrer auf das Lehramt. Damit sollen die Verdienste der Kirchenväter, Kirchenlehrer und rechtgläubigen Theologen, Heiligen etc. nicht geschmälert werden, doch auch sie sind allesamt auf das Lehramt der Kirche verwiesen – einschließlich des hl. Augustinus, der sich dessen wohl bewußt war und immerhin ausdrücklich die Willensfreiheit verteidigte (vgl. seine Schrift „Vom freien Willen“).
      Freundlichen Gruß!
      Felizitas Küble

      1. Volle Zustimmung! (Ich bin was die Gnadenlehre betrifft ohnehin „Molinist“, da ich im „Thomismus“ eine Tendenz zum Protestantismus/Jansenismus etc. sehe – auch wenn der „Thomismus“ allerdings keine Häresie ist, ich weiß…).
        Für alle interessierten hier ein sehr guter Beitrag von Prof. Dr. Schumacher http://ik-augsburg.de/pdf/berichte/Buch2002.pdf , S.61-112. Insbesondere was allzu optimistische Ansichten neuerer Theologen (Barth, von Balthasar, Rahner, etc.) betrifft ab S. 87 – zu Erzbf. Müller und seiner Dogmatik S. 92 unten, zur Frage der „Hoffnung auf Rettung aller“ bes. S. 93, aber eben überhaupt ab S.87.
        Beste Grüße

        1. Guten Tag,
          hinsichtlch der Gnadenlehre bin ich auch ein Molinist, was mir bereits einige heiße Diskussionen mit Traditionellen einbrachte, die nämlich meistens strikte Thomisten sind – manchmal sogar einen ausgeprägten Augustinismus vertreten – und in einigen Fällen erlebte ich sogar eindeutig jansenistische Positionen.
          Hingegen ist der Molinismus eher typisch für das konservative Lager – schon wegen der Betonung der Willensfreiheit und der göttlichen Gebote. Denn welche persönliche Bedeutung hätte noch die Einhaltung der Gebote Gottes, wenn es ohnehin eine „Vorherbestimmung“ gäbe?
          Sie haben recht, die thomistische Gnadenlehre ist ebenso im Bereich des kirchlich Erlaubten wie der Molinismus. Allerdings steht der Molinismus bei manchen Traditionellen zu Unrecht im Verdacht des „Semipelagianismus“ – wogegen wohl etliche Super-Augustiner nicht bedenken, daß sie auf der Hut vor dem Abgleiten in den Jansenismus sein müssen.
          Ich bin gleichwohl weder „Heilsoptimist“ noch „Heilspessimist“, sondern stehe hier zwischen den Fronten. Allerdings dürfen eben weder die Pessimisten die Optimisten verketzern noch umgekehrt. Das gilt auch für Erzbischof Müllers heilsoptimistische Standpunkte, die man nicht teilen muß, die aber keine Häresie sind. EB Müller hat mehrfach über die Realität der Hölle geschrieben. Anders steht es bei Barth und von-Balthasar – beide tendieren in Richtung Allerlösung, wo es dann äußerst bedenklich wird. Rahners Position kenne ich in diesem Punkt nicht so genau und kann nicht beurteilen, ob er noch über ausgeprägten Heilsoptimismus hinausging.
          Freundliche Grüße und gesegneten Sonntag!
          Felizitas Küble

    2. Als Konvertit, der sowohl eine calvinistische als auch eine russisch-orthodoxe Lebensphase hinter sich hat, mußte ich mir über die Auserwählungs- und Gnadenlehre natürlich Gedanken machen. Das Gute am Molinismus ist die Tatsache, daß er die beiden Extreme einer absoluten, unbedingten Prädestination und Reprobation ohne Berücksichtigung der menschlichen Disposition und Verdienste meidet und zudem die Willensfreiheit des Menschen betont und unangetastet läßt. Besonders hinweisen möchte ich in diesem Kontext auf die sehr detaillierten Ausführungen des Salzburger Dogmatikers und Molinisten Matthias Premm (1890-1973) in seinem Hauptwerk Katholische Glaubenskunde, Bd. 1, Wien 1951, S. 190-226 (zum allgemeinen Heilswillen Gottes und zur Auserwählung), und Bd. 4, Wien 1953, dessen erste Hälfte praktisch von der Darstellung der Gnadenlehre und der Gnadensysteme eingenommen ist.

      1. Fairerweise möchte ich zugleich noch auf das vor nicht allzu langer Zeit erschienene Buch des Juristen und traditionell ausgerichtet katholischen Apologeten John Salza (er betreibt die ausgezeichnete Netzpräsenz http://www.scripturecatholic.com/) erwähnen, in dem zwar hinsichtlich der Gnaden- und Prädestinationslehre eine dezidiert thomistische Position vertreten wird (die ich persönlich so nicht teile), aber auch eine hervorragende, biblisch fundierte Widerlegung der gesamten calvinistischen Gnadenlehre bietet:
        John Salza, The Mystery of Predestination. According to Scripture, the Church, and St. Thomas Aquinas, Charlotte (NC): TAN Books, 2010.

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