Eine ergreifende Ballade des Dichterfürsten über das Sakrament des Altares
Zu Aachen in seiner Kaiserpracht, im altertümlichen Saale, saß König Rudolfs heilige Macht beim festlichen Krönungsmahle. Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins, es schenkte der Böhme des perlenden Weins, und alle die Wähler, die sieben, wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt, umstanden geschäftig den Herrscher der Welt, die Würde des Amtes zu üben. Und rings erfüllte den hohen Balkon das Volk in freudigem Gedränge, laut mischte sich in der Posaunen Ton das jauchzende Rufen der Menge; denn geendigt nach langem verderblichen Streit war die kaiserlose, die schreckliche Zeit, und ein Richter war wieder auf Erden. Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer, nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr, des Mächtigen Beute zu werden. Und der Kaiser ergreift den goldenen Pokal und spricht mit zufriedenen Blicken: „Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl, mein königlich Herz zu entzücken; doch den Sänger vermiß´ ich, den Bringer der Lust, der mit süßem Klang mir bewege die Brust und mit göttlich erhabenen Lehren. So hab ich’s gehalten von Jugend an, und was ich als Ritter gepflegt und getan, nicht will ich’s als Kaiser entbehren!“ Und sieh! In der Fürsten umgebenden Kreis trat der Sänger im langen Talare; ihm glänzte die Locke silberweiß, gebleicht von der Fülle der Jahre. „Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold, der Sänger singt von der Minne Sold, er preiset das Höchste, das Beste. Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt; doch sage, was ist des Kaisers wert an seinem herrlichsten Feste?“ „Nicht gebieten werd´ ich dem Sänger“, spricht der Herrscher mit lächelndem Munde, „er steht in des größeren Herren Pflicht, er gehorcht der gebietenden Stunde. Wie in den Lüften der Sturmwind saust, man weiß nicht von wannen er kommt und braust, wie der Quell aus verborgenen Tiefen: so des Sängers Lied aus dem Inneren schallt und wecket der dunklen Gefühle Gewalt, die im Herzen wunderbar schliefen.“ Und der Sänger rasch in die Saiten fällt und beginnt sie mächtig zu schlagen: Aufs Waidwerk hinaus ritt ein edler Held, den flüchtigen Gemsbock zu jagen. Ihm folgte der Knapp mit dem Jägergeschoß, und als er auf seinem stattlichen Roß in eine Au kommt geritten, ein Glöcklein hört er erklingen fern, ein Priester war´s mit dem Leib des HERRN, voran kam der Mesner geschritten. Und der Graf zur Erde sich neiget hin, das Haupt mit Demut entblößet, zu verehren mit gläubigem Christensinn, was alle Menschen erlöset. Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld, von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt, das hemmte der Wanderer Tritte; und beiseit´ legt jener das Sakrament, von den Füßen zieht er die Schuhe behend, damit er das Bächlein durchschritte. „Was schaffst Du?“, redet der Graf ihn an, der ihn verwundert betrachtet. „Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann, der nach der Himmelskost schmachtet; und da ich mich nahe des Baches Steg, da hat ihn der strömende Gießbach hinweg im Strudel der Wellen gerissen. Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil, will ich das Wässerlein jetzt in Eil´ durchwaten mit nackenden Füßen.“ Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd und reicht ihm die prächtigen Zäume, daß er labe den Kranken, der sein begehrt und die heilige Pflicht nicht versäume. Und selber auf seines Knappen Tier vergnüget noch weiter des Jagens Begier; der andere die Reise vollführet. Und am nächsten Morgen, mit dankendem Blick, da bringt er dem Grafen sein Roß zurück, bescheiden am Zügel geführet. „Nicht wolle das Gott“, rief mit Demutssinn der Graf, „daß zum Streiten und Jagen das Roß ich beschritte fürderhin, das meinen Schöpfer getragen! Und magst Du´s nicht haben zu eigenem Gewinn, so bleibt es gewidmet dem göttlichen Dienst! Denn ich hab es d e m ja gegeben, von dem ich Ehre und irdisches Gut zuLehen trage, und Leib und Blut und Seele und Atem und Leben.“ „So mög´ auch Gott, der allmächtige Hort, der das Flehen der Schwachen erhöret, zu Ehren Euch bringen hier und dort, so wie Ihr jetzt IHN geehret. Ihr seid ein mächtiger Graf, bekannt durch ein ritterlich Walten im Schweizerland, Euch blühen sechs liebliche Töchter. So mögen sie“, rief er begeistert aus, „sechs Kronen bringen in Euer Haus, und glänzen die spätsten Geschlechter!“ Und mit sinnendem Haupt saß der Kaiser da, als dächt´ er vergangener Zeiten; jetzt, da er dem Sänger ins Auge sah, da ergreift ihn der Worte Bedeuten. Die Züge des Priesters erkennt er schnell und verbirgt der Tränen stürzenden Quell in des Mantels purpurnen Falten. Und alles blickte den Kaiser an, und erkannte den Grafen, der das getan, und verehrte das göttliche Walten.