Top-Beiträge

Links

Hygiene-Regime contra Christliche Sozialethik

Von Dr. Axel Bernd Kunze

„Es ist gerecht und solidarisch, dass Ungeimpfte die negativen Konsequenzen ihrer Entscheidung tragen müssen“, befand Andreas Lob-Hüdepohl, Ethiker an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Mitglied des Nationalen Ethikrates am 29. August 2021 in der Fernsehsendung „Berlin direkt“.

Die am 10. August beschlossene 3-G-Regel sei akzeptabel. Alles in einem verbindlichen, freundlichen, lächelnden Tonfall vorgetragen, ganz „nüchtern“, wie er selber sagt.

Man reibt sich die Augen: Partizipation, soziale Teilhabe, Respekt und Anerkennung waren in den vergangenen Jahren Lieblingsthemen der Christlichen Sozialethik – und dies mitunter gesteigert bis zur unmittelbaren Anerkennung von Bedürfnissen, selbstbestimmten Identitäten und Gefühlen.

Doch jetzt soll die Verweigerung sozialer Teilhaberechte, die Suche nach den ungeimpften Sündenböcken, die Spaltung in eine Zweiklassengesellschaft gerecht und solidarisch sein?

Für Lob-Hüdepohl schon, wie er den Fernsehzuschauern erklärt: Denn die Solidargemeinschaft respektiere schließlich das Selbstbestimmungsrecht, nur müssten die Ungeimpften dann eben auch die negativen Konsequenzen tragen.

Richtig ist, dass Freiheit und Verantwortung die notwendigen Kehrseiten ein und derselben Medaille sind. Wer Freiheit in Anspruch nimmt, muss auch für die Folgen seiner Entscheidungen eintreten. Allerdings gilt dies im Rahmen einer Verfassungsordnung, die vom Vorrang des freien Subjekts und seiner Selbstbestimmung ausgeht.

Lob-Hüdepohl stellt im Interview hingegen diese Verfassungsordnung auf den Kopf: Der Staat wird dazu legitimiert, Grundfreiheiten nach Gutsherrenart zuzuteilen oder zu entziehen. Doch nicht die Inanspruchnahme von Freiheit ist im liberalen Rechts- und Verfassungsstaat begründungspflichtig, sondern deren Beschränkung. Und hierfür bedarf es triftiger Gründe.

Eine Impfpflicht durch die Hintertür einzuführen, wie es seit Mitte August geschieht, wobei die Daumenschrauben nahezu wöchentlich immer mehr angezogen werden, ist eine Misstrauenserklärung gegen das freie Subjekt.

Wer die Selbstbestimmung achten will, darf eine bestimmte Entscheidung nicht gleichzeitig zur Pflicht für andere machen wollen oder eine abweichende Entscheidung als „unethisch“ verunglimpfen. Dies gilt erst recht, wo elementare Freiheitsgüter wie das Recht am eigenen Körper bedroht sind.

Der Pädagoge und Germanist Peter J. Brenner hat Anfang September in seinem Bildungsblog gewarnt:

„Damit ist die vorletzte Bastion des abendländisch-neuzeitlichen Menschenbildes bedroht. Das ‚Recht auf körperliche Unversehrtheit‘ – Art. 2,2 GG, aber was zählt das schon – ist zur Disposition gestellt. Immerhin: Die letzte Bastion bürgerlicher Grundrechte wankt noch nicht. Jeder kann weiterhin denken, was er will, auch wenn es nicht unbedingt ratsam ist, diese Gedanken zu äußern. Hier gilt die Maxime, die Kant in seinem berühmten Aufklärungsaufsatz Friedrich II. zugeschrieben hat: ‚Räsonniert, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht!’“

Einem Mitglied des Nationalen Ethikrates hätte angesichts der gravierenden Wertkonflikte, mit denen wir es zu tun haben, eine differenziertere und sorgfältigere ethische Urteilsbildung gut angestanden.

Das fängt schon beim Blick auf die empirischen Anteile an. Die Impfung sei „kein tödliches Instrument“, in der Diskussion über etwaige Impfschäden, Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen würde etwas „hochgezogen, was abwegig ist“.

Wie andernorts auch, folgt der Berliner Ethiker einem vermachteten Diskurs, in dem kritische Stimmen nicht vorgesehen sind. Statt Gegenpositionen zu prüfen, werden diese verunglimpft.

Doch ist es gerade ein schon seit langem einseitig, manipulativ und affektgeleitet geführter öffentlicher Diskurs, der die Coronapolitik in eine Sackgasse geführt hat, sodass die Regierung nun mit immer mehr Druck gegen Teile der eigenen Bevölkerung arbeiten muss und glaubt, allein so Handlungsfähigkeit demonstrieren zu können.

Erst im August diagnostizierten Wissenschaftler mit einer in „Forschung & Lehre“, der Zeitschrift des Deutschen Hochschulverbandes, veröffentlichten Erklärung: Kritischer Geist in der Krise.

Pate im Hintergrund stand nicht zuletzt der Coronadiskurs, bei dem kritische, abweichende Stimmen deutlich an den Rand gedrängt wurden – mit deutlichen Folgen: Ein maßlos gewordenes Hygieneregime übernimmt quasireligiöse Funktionen und entpersonalisiert unser Zusammenleben.

Nicht wir machen diese Politik, sondern das Virus, erklärte erst kürzlich der baden-württembergische Ministerpräsident. Entlarvender kann man es nicht sagen.

Doch Entpersonalisierung ist nahezu ein diabolischer Vorgang. Wo niemand persönlich verantwortlich ist, erstirbt das Subjekt, am Ende aber auch die Rede von Gott. Denn das Virus spricht nicht von Gott.

Auch in einem anderen Punkt stellt Lob-Hüdepohl den medialen Dominanzdiskurs nicht in Frage: Wenn die Impfung die Geimpften schützen soll, müsste sich niemand vor Ungeimpften fürchten. Oder anders gesagt: Der Geimpfte hätte dann gar keinen ethischen Grund, vom anderen Solidarität einzufordern.

Der Risikoträger, der nicht geimpft ist, mag sich vielleicht selbst schaden. Aber das ist in Kauf zu nehmen, wenn die freie Entscheidungsfähigkeit gewollt ist. Der Staat hat seine öffentliche Schutzaufgabe erfüllt, sobald ein Impfangebot für alle vorliegt.

Mehr kann und darf der liberale Rechts- und Verfassungsstaat nicht fordern.

Quelle und FORTSETZUNG des Beitrags hier: https://bildung-und-ethik.com/2021/09/09/schlaglicht-christliche-sozialethik-scheitert-angesichts-einer-impfpflicht-durch-die-hintertur/

Kommentare

8 Antworten

  1. Gerechterweise müssen dann Personen die z. B. ihre Leber ertrunken haben und eine
    neue Leber bekommen, das auch bezahlen?
    Die Menschen die zu viel essen und deswegen Diabetes und anderes haben,
    oder all die Fehltage wegen Drogen, Alkohol.
    Oder die im Urlaub nach Afrika oder andere Entwicklungsländer fahren und einige Zeit
    später an einer eingeschleppten Krankheit leiden, die uns alle Geld kostet.
    Die alle müssten für ihre „Fehler“ dann aber auch zur Kasse gebeten werden.
    Und weil das seit Jahr und Tag nicht der Fall ist, kann das jetzt mit dem Nichtimpfen
    auch nicht gemacht werden.
    Das ist meine Meinung dazu.

  2. „Es ist gerecht und solidarisch, dass Ungeimpfte die negativen Konsequenzen ihrer Entscheidung tragen müssen“. Klar, so denken deutsche Politiker des Mainstreams, die mit Inbrunst die Spaltung der Bevölkerung vorantreiben. In diesem Fall falsch, denn es war ein Mitglied der Ethik-Kommission der Bundesregierung, das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diesen entlarvenden Satz sagte. Da ich die Öffentlich-Rechtlichen boykottiere, musste ich mir die Sendung im Internet ansehen, ebenso die Informationen über das Mitglied im Ethikrat der Bundesregierung.
    Einer der drei Schwerpunkte ihres Engagements im Ethikrat ist „Menschenrechte und Behinderung (Inklusion / Teilhabe)“. Ausgerechnet ‚Teilhabe‘! Mir blieb förmlich die Spucke weg: Ein christliches (in diesem Falle katholisches) Mitglied des Ethikrates spricht sich für die Einführung von Apartheit in unserem Land aus, die man vor einigen Jahren in Südafrika noch vehement bekämpft hatte.
    Ich weiß nicht, ob Ethik mit Logik etwas zu tun hat, aber im Fall des augenblicklichen Impf-Kriegs jedenfalls nicht. Die Regierung hatte uns versprochen, dass die Impfung vor Corona schützt, also sind Geimpfte sicher, brauchen deshalb vor Ungeimpften keine Angst zu haben, außerdem sagte damals die Regierungssprecherin in der Bundespressekonferenz: „Wir wollen keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür. Das ist der Gesellschaft nicht zumutbar.“
    Nun ist der Fall einer Ethik-Professorin an der kanadischen Western University (London, On-tario) bekannt geworden, die entlassen wurde, weil sie die Zwangsimpfung als unethisch beur-teilt hatte (Birgit Kelle in Die Weltwoche vom 9.Sept.2021). Möglich, dass es pure Angst war, schließlich ist das Mitglied im Ethikrat hauptberuflich Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin (KHSB) und Geschäftsführer des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik.
    Aber egal, es ist jedenfalls nicht ethisch, der Ausgrenzung eines Teils der Bevölkerung das Wort zu reden, und damit wild-gewordenen Politikern Argumente für ihre totalitäre Politik an die Hand zu geben. Übrigens, Hannah Arendt sagte: „Totalitäres Denken ist eine Art Geistes-krankheit“, und es gibt keinen Grund, ihr zu widersprechen.

    1. Ich habe den dringenden Verdacht, dass zwischen der Impfung sowie den Ungeimpften der ethischen Theorie des genannten Ethikers und der ethisch relevanten empirischen Sachlage ein eklatantes Missverhältnis besteht welches auf mangelnder Urteilskraft beruht. Ein schweres Leiden, das, in kritischer Masse vorhanden, ein ganzes Volk ins Unglück stürzen kann.

  3. Wenn die Politiker hierzulande die Schlinge für Ungeimpfte immer enger ziehen, dann wissen sie: Es funktioniert!
    Denn ein Blick nach Australien genügt ihnen, um freudig zu erkennen, was alles die Bevölkerung sich bieten lässt und wie sehr sie bereit ist, sich buchstäblich einsperren zu lassen.

  4. Ja, es war ziemlich klar , dass dieser Staat maximalen Druck und indirekte Impfpflicht einführen wird. Das ist ungerecht und bedeutet für jeden Bürger, der noch ein Gespür für Freiheit inne hat, diese Regierungbank komplett abzuwählen. Jedoch fehlt es dem deutschen Michel an Durchsicht.

    Wo Unrecht sich breit macht, ist Widerstand Pflicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Kategorien

Aktuelle Beiträge

Archiv

Archive

Artikel-Kalender

April 2024
M D M D F S S
1234567
891011121314
15161718192021
22232425262728
2930  

Blog Stats

686981
Total views : 8771300

Aktuelle Informationen und Beiträge abonnieren!

Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse an, wenn Sie kostenlos über neu erschienene Blog-Beiträge informiert werden möchten.