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Große Koalition uneins über Kampfdrohnen zum Schutz deutscher Soldaten

Von Michael Leh

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich im Bundestag für bewaffnungsfähige Drohnen ausgesprochen. Ob und wann diese tatsächlich der Bundeswehr bei einem Einsatz zur Verfügung stehen werden, bleibt offen.

Von der Leyen hatte lange vermieden, sich zum Thema Drohnen zu äußern. Erst letzte Woche, nach einer Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss, äußerte sie sich in der von der Fraktion der Partei „Die Linke“ beantragten „Aktuellen Stunde“ zur Beschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen.  General Fritz - Foto 3 - Leh Kopie

BILD: Generalleutnant Hans-Werner Fritz steht den Medien nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses Rede und Antwort. (Foto: Michael Leh)

Von der Leyen erklärte, die Aufklärungsdrohne „Heron“ (ein israelisches Modell) habe gute Dienste geleistet. Der Leasing-Vertrag für dieses Gerät läuft nächstes Jahr aus.

Offen ist, welcher Drohnentyp danach genutzt wird. Das Nachfolgemodell „Heron TB“ kann auch bewaffnet werden und vielleicht für eine Übergangszeit dienen.

„Bei einer Neuentwicklung“, sagte von der Leyen, „die mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen wird, plädiere ich für eine europäische Entwicklung (…) Es sollte ein bewaffnungsfähiges Modell sein, über dessen tatsächlichen bewaffneten oder unbewaffneten Einsatz in jedem Einzelfall ein Mandat des Deutschen Bundestages entscheidet.“

Sie betonte, die Bundesregierung lehne „extralegale völkerrechtswidrige Tötungen kategorisch ab“, gleich mit welchem Waffensystem. Doch gibt es beim Koalitionspartner SPD erheblichen Widerstand gegen bewaffnete Drohnen. Die Grünen und „Die Linke“ lehnen sie auch ab. Dabei fordert die Bundeswehr schon lange bewaffnete Drohnen zum Schutz der Soldaten.

So hatte etwa der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, in seinem Beitrag „Ferngesteuerte Luftfahrzeuge – maßgeschneiderter und besserer Schutz für unsere Soldaten im Einsatz“ im Januar in der Zeitschrift „Ethik und Militär“ ausführlich dargelegt, warum die Bundeswehr sowohl taktisch-operativ als auch zum Schutz der Soldaten bewaffnete Drohnen braucht, zumal bei asymmetrischer Kriegsführung.

Vorsprung anderer Staaten wächst

Bereits heute würden nach Expertenmeinung ferngesteuerte Luftfahrzeuge von ungefähr 90 Staaten militärisch genutzt. Ein Drittel davon verfüge bereits über die Möglichkeit zum bewaffneten Einsatz. Der technologische Vorsprung anderer Länder wachse rasant.

Der Trend zum Einsatz bewaffneter Drohnen steige, da die Vorteile offenkundig seien. Schon die unbewaffneten Aufklärungsdrohnen der Bundeswehr hätten in Afghanistan für ein viel klareres Lagebild gesorgt und so das Risiko für die Soldaten gemindert. Auch die Sicherheit für die Zivilbevölkerung sei dadurch erhöht worden.

Die fehlende Bewaffnung stelle jedoch, so Müllner, ein „gravierendes Manko“ dar. Ohne sie könne den Soldaten aus der Luft nur mit zeitlichen Verzögerungen und geminderter Präzision geholfen werden.

Die Verbündeten in Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden hätten dieselben Erfahrungen gemacht und entsprechende Entscheidungen für die Ausrüstung ihrer Streitkräfte bereits getroffen.

„Eine ähnliche, zuweilen emotional aufgeladene Debatte über ethisch-moralische Fragen und mögliche Folgen dieser Technologie wurde und wird in keinem dieser Länder geführt“, schreibt Müllner. In Deutschland drohe dagegen der Verlust bereits gewonnener Erfahrung und Kompetenz im Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge.

Schon seit zwei Jahren habe die Luftwaffe auf bestehende und sich entwickelnde Fähigkeitslücken hingewiesen und in politischen, kirchlichen, friedensethischen und anderen gesellschaftlichen Foren für die Beschaffung bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge plädiert.

„Heron“ bewährte sich in Afghanistan

In Afghanistan habe er mitverfolgt, wie eine deutsche Patrouille in einen Hinterhalt geraten sei. Sie habe sich gerade auch durch ein von „Heron“ geliefertes besseres Lagebild erfolgreich verteidigen können. „Hätten die Angreifer jedoch besser vorbereitet, aggressiver und entschlossener agiert, wäre eine erfolgreiche Verteidigung ohne bewaffnete Unterstützung aus der Luft nicht möglich gewesen“, so Müllner.

Wenn man erst ein Kampfflugzeug der Verbündeten hätte herbeirufen müssen, wäre wertvolle Zeit verstrichen, in der Soldaten im Gefecht am Boden höchster Gefahr ausgesetzt gewesen wären.

Die Sorge von Kritikern, wonach automatisierte Waffensysteme ohne menschliches Zutun Krieg führen könnten, teile er durchaus, „jedoch nur mit Blick auf die ferne Zukunft, wenn es darum gehen sollte, bemannte Kampfflugzeuge Schritt für Schritt durch eine künftige Generation ferngesteuerter Kampfflugzeuge zu ersetzen.“

„Im Gefecht tickt die Uhr für Soldaten“

Bei der Expertenanhörung im Verteidigungsausschuss des Bundestages unterstrich auch der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos und ehem. Kommandeur im Afghanistan-Einsatz, Generalleutnant Hans-Werner Fritz, die Notwendigkeit bewaffneter Drohnen.

„Sobald der Soldat im Gefecht ist, tickt für ihn die Uhr“, erklärte er am Beispiel eines Einsatzes in Afghanistan, bei dem Soldaten bange sechzehn Minuten auf Unterstützung durch eine Panzerhaubitze warten mussten. Eine bewaffnete Drohne hätte schneller eingreifen können.

Der Vorsitzende des Bundeswehrbandes, Oberstleutnant André Wüstner und der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus teilten die Position des Generalleutnants.

Der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg nannte den Einsatz bewaffneter Drohnen zum Schutz und zur Schonung eigener Kräfte generell völkerrechtskonform. Dass etwa ein Experte der „Kampagne gegen Drohnentechnologie“ selbige ablehnte, war ebensowenig überraschend wie das Nein von Abgeordneten der Linken und Grünen.

Unser Autor Michael Leh ist politischer Journalist und lebt in Berlin

Erstveröffentlichung dieses Beitrags in der Preußischen Allgemeinen Zeitung (PAZ) vom 12. Juli 2014

 

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