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Komfortzone: Bischof Wilmer segelt auf der Zeitgeistwelle in Kirche und Politik

Von Dr. Axel Bernd Kunze

Auf ihrer Herbstvollversammlung haben die deutschen Bischöfe zahlreiche Posten neu vergeben. Neuer Vorsitzender der für gesellschaftliche und soziale Fragen zuständigen Kommisson VI ist der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer.

Er zählt zur jüngeren Garde innerhalb der Bischofskonferenz. Seine Amtszeit im norddeutschen Diasporabistum begann er seinerzeit mit einer Wallfahrt mit Jugendlichen und der Aktion „Schreib dem Bischof“. Mittlerweile ist der Zauber des Anfangs verflogen.

Kritiker der bischöflichen Linie werden mit nichtssagenden Phrasen aus dem Kommunikations-Baukasten der kirchlichen Verwaltung abgefertigt.

Ein prominentes Beispiel ist Dr. Walter Krämer, Präsident des Vereins Deutsche Sprache, der in diesem Jahr deutliche Kritik an einer neuen Handreichung des Bistums zu vermeintlich „geschlechtergerechter“ Sprache übte und seinen Kirchenaustritt androhte.

In öffentlichen Äußerungen hängt Bischof Wilmer die Latte hingegen hoch. So erklärte er bei Eröffnung der Weltsynode in seinem Bistum, die Kirche brauche keine „Reförmchen“, sondern eine Umkehr von „kirchlichen Selbstverständlichkeiten“.

Es gehe um alles, um nichts weniger als eine andere Kirche, ohne das Gefüge von Oben und Unten, Macht und Ohnmacht, Haupt- und Ehrenamt. Kleiner geht es für den Bischof offenbar nicht.

Und die Predigt endet mit dem Appell an die Gemeinden seines Bistums, sich auf einen „radikalen Weg der Begegnung, des Zuhörens und des Unterscheidens“ einzulassen. Offen bleibt, zwischen was die Gemeinden unterscheiden sollen.

Doch um markige Worte ist der Bischof nicht verlegen, in der Tat. Was lassen sie erwarten, wenn Bischof Wilmer demnächst das sozialethische Profil der Deutschen Bischofskonferenz prägen wird? Wie die schon erwähnte Handreichung zum sprachlichen Gendern zeigt, wohl weniger eine Kirche, die zu unterscheiden weiß, als vielmehr eine, die sich als anpassungsfähig an gesellschaftliche Trends erweist.

Bereits mit Beginn seiner Bischofsweihe wirkte Bischof Wilmer bei öffentlich-medialen Auftritten stets sehr bemüht, so wie ein großer Junge, der keine Fehler machen will, der geliebt werden will. In Dienstzeugnissen heißt „bemüht“ letztlich durchgefallen.

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die Hildesheimer Ortskirche auf links getrimmt werden soll. Gendersprache, mehr Ämter für Frauen, gesellschaftliche Vielfalt, Klimabewegung, Willkommenskultur – Bischof Heiner geht voran, wenn es darum geht, mit Verve offene Türen einzurennen.

Bei strittigen Themen hält sich der innerkirchliche Revolutionär, der sich von der Weltsynode eine „spirituelle Revolution“ erträumt, hingegen merklich zurück.

Hatte der Bischof im ersten Coronastillstand in einem verunglückten Deutschlandfunkinterview die Eucharistie mehr oder weniger für entbehrlich erklärt, hört man zu den gegenwärtigen Wertekonflikten einer Coronapolitik, die Maß und Mitte, Anstand und Würde verloren hat, nichts.

Es gebe sozialethisch an dieser Stelle viel zu sagen, stattdessen herrscht aber ein dröhnendes Schweigen der Kirche, auch aus dem Hildesheimer Bischofshaus. Man will es sich mit den politischen Eliten nicht verscherzen.

Auch in Sicherheitsfragen bleibt Wilmer, der bei pax christi engagiert ist, in der Komfortzone, wo er sich der allgemeinen Zustimmung eines linksliberalen Milieus sicher sein kann.

BILD: Aufklärung über die absurde Gender-Ideologie in M. von Gersdorffs Buch „Gender – was steckt dahinter?“

Beim problematischen Experiment einer katholisch-muslimischen Kindertageseinrichtung in Gifhorn kooperiert die Kirche reichlich blauäugig mit dem umstrittenen Verband DITIB. Bei kritischen Nachfragen verweist der Bischof schmallippig auf die guten Erfahrungen vor Ort.

Wer Umkehr und Abkehr von Selbstverständlichkeiten predigt, sollte sozialetisch nicht einfach nur das kopieren, was gesellschaftlich en vogue ist. Ist die Freude und Hoffnung der Menschen auch unsere Freude und Hoffnung, fragt Bischof Heiner in der schon genannten Predigt in Richtung der Kirche. Die Beispiele, die er in seiner Antwort aufzählt, bleiben erwartbar und emotionslos.

Einmal mehr werden Flüchtlinge erwähnt. Originell und streitbar wäre es gewesen, wenn der Bischof nach den Gefühlen derjenigen gefragt hätte, die durch sachlich nicht gedeckte  2G-Regeln gegenwärtig in ihren sozialen Teilhaberechten beschnitten werden. Oder nach den Gefühlen derjenigen, die sich durch sprachpolitische Übergriffe im freien Gebrauch ihrer Muttersprache verletzt und durch gendersprachliche Vorgaben moralisch unter Druck gesetzt sehen.

Aber nein, das wäre dann doch zu viel erwartet – an Kritik gegenüber üblichen Selbstverständlichkeiten. Eine Kirche, die hier Gegenposition beziehen und kritische Fragen stellen wollte, bräuchte Standfestigkeit und Mut, gesellschaftlichen Gegenwind zu ertragen.

Amtsinhaber können mit ihrer Aufgabe wachsen. Dies soll auch dem neuen Sozialethikbischof zugestanden werden, auch wenn es bislang nicht so aussieht.

Denn Umkehr bräuchte es in der Sozialethik allenthalben, etwa eine Abkehr von gesellschaftsreformerischem „Großsprech“ und eine Rückbesinnung auf die Tradition katholischen Staatsdenkens, eine Abkehr vom allzu verschwenderischen Umgang mit staatlichen Ressourcen und eine Rückbesinnung auf jenes Ordodenken, das die Katholische Soziallehre einmal auszeichnete, eine Abkehr von gesinnungsethischen Appellen und eine Rückbesinnung auf verantwortungsethische Abwägungsprozesse bei komplexen Wertkonflikten, eine Abkehr von einer schwammigen Verklärung gesellschaflicher Vielfalt und eine Rückbesinnung darauf, dass ein Staat mitunter robuste, schmerzhafte Entscheidungen treffen muss, eine Abkehr von sozialstaatlichen Beglückungsphantasien und eine Rückbesinnung auf freiheitliche Werte … Die Liste ließe sich fortsetzen.

Bischof Wilmer könnte den Beweis antreten, dass es ihm ernst ist mit einer Kirche, die sozialethisch Verantwortung übernimmt und nicht in Selbstverständlchkeiten oder Konventionalitäten aufgeht – wenn er wollte. Er könnte der Kirche in unserem Land wieder ein sozialethisches Profil zurückgeben, indem er nicht einfach gesellsdchaftliche Trends nur innerkirchlich verdoppelt. Er könnte, doch die bisherigen Erfahrungen stimmen skeptisch.

Dennoch: Sehr geehrter Bischof Wilmer, alles Gute, das notwendige Unterscheidungsvermögen, Standfestigkeit und Gottes Segen für Ihre neue Aufgabe.

Unser Autor Dr. Axel Bernd Kunze ist Sozialethiker und Publizist – dieser Beitrag ist auf seinem Blog online: https://bildung-und-ethik.com/2021/11/01/kommentar-bischof-wilmer-geben-sie-der-kirche-sozialethisches-profil-zuruck/

Kommentare

4 Antworten

  1. In seinem „System der nationalen Ökonomie“ entlarvt Friedrich List den händlerischen Ungeist der liberalkapitalistischen Wirtschaftstheorien von Adam Smith und David Ricardo. Nach deren Meinung (bereits vorgeprägt durch David Hume 1691) wird der Wert der Güter nicht durch ihren Gebrauchs -, sondern durch ihren Tauschwert bestimmt. Mithin ist also nicht die werteschaffende Arbeit, sondern der wertevermittelnde Handel das Wesentliche. Entscheidend ist auch nicht, ob Güter sittlich oder unsittlich, nützlich oder schädlich, gesund oder ungesund sind, sondern daß es für sie einen Marktbedarf gibt. Die Übersteigerung des händlerischen Denkens gipfelt in der Forderung nach arbeitsteiligem Umbau aller Volkswirtschaften der Erde zu Absatzplantagen der Weltwirtschaft und Zinskolonien der Hochfinanz. Dieser Umbau soll sie zur nationalen Selbstversorgung unfähig und vom internationalen Zwischenhandel abhängig machen. Alle Wirtschaftsstrukturen sind so umzugestalten, daß sie immer neuen Handel erzwingen. Die Wege zwischen Rohstoffen, Fertigprodukten und ihrem Absatz müssen so verlängert werden, daß sie dem Zwischenhandel riesige Profite verschaffen.

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