„La non-demande en marriage”: Eine Absage an die Ehe verkündeten um 1970 Chansonniers wie George Brassens. Sie brachten damit das Lebensgefühl einer Bohème zum Ausdruck, die mit bürgerlichen „Konventionen” radikal brechen wollte.
Die Ehe war damals noch „die Norm des Erwachsenendaseins” und als solche den Kritikern der bestehenden Sozialordnung zutiefst suspekt:
Die eheliche „Kleinfamilie” denunzierten sie als Hort der Repression von Frauen und Kindern, in dem „totalitäre Umfangsformen”, „Privatismus” und „Gruppenegoismus” herrschen (1).
Aus dieser Sicht heraus forderte schon 1975 der Zweite Familienbericht der sozialliberalen Bundesregierung , dass „nichtlegalisierte Partnergemeinschaften, Wohngemeinschaften, Kollektive etc. gegenüber der historischen Form der heutigen „Normalfamilie” nicht diskriminiert werden dürfen” (2).
An diese Emanzipations-Agenda knüpften später die GRÜNEN an, als sie seit den 1980er Jahren eine „Lebensformenpolitik” zugunsten Homosexueller forderten. Die Bundesregierung lehnte ihr Verlangen nach einem Ehe-Surrogat damals noch lapidar ab, da dies dem besonderen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG widerspreche (3).
Nach ihrer Regierungsübernahme 1998 führten die Grünen dann – gemeinsam mit der SPD – die „eingetragene Lebenspartnerschaft” ein. Dieses Rechtsinstitut imitierte von Beginn an die bürgerliche Ehe; im Steuer-, Sozial- und Erbrecht blieben zunächst noch gewisse Unterschiede bestehen (4).
Auf diese Weise sollte ein gewisser „Abstand” zur Ehe vorgespiegelt werden, um die Ehe möglichst ungestört durch das Bundesverfassungsgericht entprivilegieren zu können.
Die Rechnung ging auf: Die Verfassungsrichter akzeptierten die „eingetragene” Lebenspartnerschaft”, sie stelle als Institut für gleichgeschlechtliche Paare keine Konkurrenz zur Ehe dar. Die Rechtmäßigkeit der Lebenspartnerschaft begründeten die Richter damals noch mit ihrer „Andersartigkeit” im Vergleich zur Ehe.
In ihrer jüngsten Rechtsprechung argumentieren die Richter dagegen mit der Gleichartigkeit beider Rechtsinstitute, um die Rechte von Lebenspartnern sukzessive der Ehe anzugleichen (5).
Die „bloße Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG” rechtfertige keine Vorrechte der Ehe, urteilten die Richter in Entscheidungen zu Erbschafts- und Hinterbliebenenfragen (6).
In einer erstaunlichen sophistischen Dialektik beseitigen so ausgerechnet die Verfassungshüter den „besonderen Schutz” der Ehe (7).
Diese Rechtsprechung begünstigt keineswegs nur kleine, früher oft benachteiligte Minderheiten, sondern wirkt systemverändernd: Die vermeintliche „Homo-Ehe” setzt allein das gleiche Geschlecht der Ehepartner voraus, ihre „sexuelle Orientierung” ist dafür unerheblich – sie geht den liberalen Rechtsstaat ja auch gar nichts an.
Die Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist damit auch für Alterslebensgemeinschaften interessant: So können sich zum Beispiel Witwen für den Todesfall ihrer Mitbewohnerin wechselseitig mit ihrem Vermögen absichern (8).
Von der Lebenspartnerschaft ausgeschlossen sind allerdings unmittelbar Verwandte – dies ist eine echte Diskriminierung: Denn warum sollten zwei im Alter zusammenlebende Schwestern, die wechselseitig die Pflege der jeweils anderen übernehmen, weniger Rechtsschutz erhalten als andere Lebensformen?
Menschen, die in Lebensgemeinschaften „Verantwortung” für andere übernehmen, verdienten Anerkennung. So lautet das Credo von Politik und Justiz fast überall in Europa, das die Ent-Privilegierung der Ehe legitimieren soll (9).
Warum aber muss der Staat die von Erwachsenen frei gewählten Lebensformen stärker verrechtlichen?
Versprach die Emanzipation von der Ehe nicht einst Freiheit von „institutionellen Zwängen”? Statt mehr Freiheit bringt die Absage an die Ehe mehr Bürokratie: Dies zeigen die Prozesse um das Sorgerecht für Kinder aus gescheiterten Beziehungen: Richter müssen nun im Einzelfall entscheiden, ob und wo eine „sozial-familiäre Beziehung” die Sorge für das Kind rechtfertigt.
Mehr Streit, Willkür und Rechtsunsicherheit sind die Folge (10). Darunter zu leiden haben letztlich die Kinder, die als schwächste Mitglieder der Rechtsgemeinschaft unverschuldet und fremdbestimmt die horrenden Kosten für die Abkehr vom Leitbild der „Normalfamilie” zahlen müssen.
Quelle dieses Artikels: IDAF Nr. 12-13 /2012 (www.i-daf.org)