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Katholische und evangelische Schlesier blicken geschichtsbewußt auf Europa

Das FOTO zeigt von links nach rechts: Generalsuperintendent i. R. Martin Herche, Prof. Dr. Rainer Bendel, ev. Regionalbischöfin Theresa Rinecker, Pfr. Dr. Matthias Paul, Dr. habil. Robert Zurek, Dr. Bernhard Jungnitz

Von Stefan P. Teppert

Zu ihrer zweiten gemeinsamen Jahrestagung hatten die „Gemeinschaft evangelischer Schlesier“ und das „Heimatwerk Schlesischer Katholiken“ am 17./18. Februar 2024 in den Erbacher Hof in Mainz geladen, um „Schlesische Perspektiven auf Europa“ zu erkunden. Sie wollten die damit verbundenen Erfahrungen, Hoffnungen und Befürchtungen in Deutschland und Polen vor der Europawahl ausdrücken.

Generalsuperintendent i. R. Martin Herche aus Görlitz, Vorsitzender der Gemeinschaft evangelischer Schlesier, sowie Dr. Bernhard Jungnitz aus Holzwickede, Vorsitzender des Heimatwerks Schlesischer Katholiken, begrüßten die Teilnehmer und freuten sich über einen gut gefüllten Saal.

Prof. Dr. Rainer Bendel, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft katholischer Vertriebenenorganisationen (AKVO) in Stuttgart, hatte die Tagung zusammen mit den Veranstaltern organisiert und erläuterte die Motive der diesjährigen Themenwahl.

Die Vertriebenen stünden allein schon durch ihre Geschichte für die Verbindung der beiden Lungenflügel Europas – des Westens und des Ostens. Bei ihnen sei Europa seit den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts ein zentrales, immer wieder diskutiertes Thema gewesen, vor allem auf dem Hintergrund der Frage nach Verständigung und Versöhnung.

Im christlichen Kontext – also sowohl auf katholischer wie evangelischer Seite – spielten die Themen Schuld und Schuldbewältigung eine lange und intensive Rolle.

Ein zweites Movens, so Bendel, war die christliche Soziallehre. Sie soll die wirtschaftlich fundierte Union durch Solidarität und Subsidiarität ergänzen.

Nicht mit fertigen Antworten, sondern mit Fragen ans Publikum sollte die Tagung beginnen. Wann ist mir Europa zum ersten Mal begegnet? Was bewegt mich oder was ist mir ein Anliegen hinsichtlich Europas?

Pfarrer Dr. Matthias Paul aus Görlitz erzählte als Impuls von seiner ersten Begegnung mit Europa in Form der Essays und Reden des polnischen Schriftstellers Andrzej Szczypiorski (* 1928, † 2000) in seinem Buch „Europa ist unterwegs“ (Zürich 1996).

Darin fasst der Autor zwei große Probleme ins Auge, die zu Anfang des neuen Jahrtausends die Aufmerksamkeit aller Christen auf sich konzentrieren werden: 1) die Notwendigkeit, den östlichen Teil Europas zu integrieren; 2) den Konflikt zwischen dem begüterten Norden und dem armen, rückständigen Süden.

Paul gab den Teilnehmern eine halbe Stunde, um sich Antworten zurechtzulegen, auch im Gespräch miteinander. Wer gehört zu Europa und wer entscheidet darüber? Wie wesentlich sind die jüdischen, antiken und christlichen Werte für Europa (noch)?

Prof. Dr. Anita Ziegerhofer ist an der Universität Graz Leiterin des Fachbereichs Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung. Sie konnte nicht anwesend sein und stellte per Video ihre Präsentation der Persönlichkeit und des Lebenswerks von Richard Coudenhove-Kalergi vor. Er hatte die Idee einer Vereinigung der Völker Europas und war der Erste, der versucht hat, sie mittels Paneuropa-Union organisatorisch, programmatisch und politisch umzusetzen.

Dr. habil. Robert Żurek machte die Teilnehmer mit seiner Präsentation über die Begegnungsstätte in Kreisau (Krzyżowa) bekannt, ein Ort in Niederschlesien, wo sich während der Zeit des Nationalsozialismus eine zivile Widerstandsgruppe (der „Kreisauer Kreis“) um Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg mit Plänen zur politisch-gesellschaftlichen Neuordnung nach dem erwartbaren Zusammenbruch der Hitler-Diktatur befasste.

An dieser symbolträchtigen Stätte fand am 12. November 1989 eine Versöhnungsmesse statt, bei der die damaligen Regierungschefs Deutschlands und Polens Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki ein Friedenszeichen austauschten. Diese Messe sei auch die Geburtsstunde der deutschen Minderheit in Schlesien nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, so Żurek. 

Nach dem Nachtmahl zeigte Dr. Bernhard Jungnitz Fotos von den Wandertagen in Schlesien 2023 des Heimatwerkes Schlesischer Katholiken und erläuterte sie historisch und kunstgeschichtlich.

BILD: Der geschichtsträchtige Annaberg in Schlesien

Der Görlitzer Sprengel der Generalsuperintendentin oder Regionalbischöfin Theresa Rinecker umfasst das Gebiet der schlesischen Kirche im heutigen Sachsen und Brandenburg, sie ist also in einem großen Gebiet mit 150.000 Christen unterwegs und sitzt auch in der Kirchenleitung von Berlin-Brandenburg und der Schlesischen Oberlausitz.

Die evangelische Bischöfin begann ihren Vortrag mit dem Hinweis, dass es seit 2019 ein regelmäßiges ökumenisches Treffen der Bischöfe an Oder und Neiße gibt, das einen wertvollen Austausch und Lernprozess in Gang gesetzt habe und in diesem Jahr zum dritten Mal in Breslau stattfinden solle. Man pflege ein intensives Verhältnis auch zur Evangelischen Kirche (Augsburgischen Bekenntnisses) in Polen, die sich mit nur 30.000 Mitgliedern in einer extremen Diasporasituation befindet.

In der von Generalsuperintendent Herche moderierten Schlussrunde ging es um Eindrücke der Teilnehmer zum Tagungsverlauf. Im Wesentlichen zeigte sich das Auditorium zufrieden mit den anregenden Vorträgen, Diskussionen und Gesprächen. Für die nächste Tagung wurde das Thema „80 Jahre nach Kriegsende“ vorgeschlagen.

Kommentare

3 Antworten

  1. —————————————————-
    Sie konnte nicht anwesend sein und stellte per Video ihre Präsentation der Persönlichkeit und des Lebenswerks von Richard Coudenhove-Kalergi vor. Er hatte die Idee einer Vereinigung der Völker Europas und war der Erste, der versucht hat, sie mittels Paneuropa-Union organisatorisch, programmatisch und politisch umzusetzen.
    ———————————

    Die Paneuropa-Union vertrat und vertritt anti-demokratische Ideen und Zielsetzungen, bis hin zu Eugenik und Menschenzucht.
    Coudenhove-Kalergi hat dies in seinen Büchern klar und deutlich dargelegt.

  2. Das friedliche Zusammenleben der Völker und Nationen Europas zu fördern, ist ein sehr wichtiges Streben.

    Natürlich kommt es bei diesen Bestrebungen aber auch auf die Hintergründe und Ziele an. Im vorliegen CF-Beitrag wird Frau Prof. Dr. Anita Ziegerhofer im Zusammenhang mit Richard Coudenhove-Kalergi erwähnt:

    „Prof. Dr. Anita Ziegerhofer ist an der Universität Graz Leiterin des Fachbereichs Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung. Sie konnte nicht anwesend sein und stellte per Video ihre Präsentation der Persönlichkeit und des Lebenswerks von Richard COUDENHOVE-KALERGI vor. Er hatte die Idee einer Vereinigung der Völker Europas und war der Erste, der versucht hat, sie mittels Paneuropa-Union organisatorisch, programmatisch und politisch umzusetzen.“

    https://expose-news.com/2022/03/19/the-genocide-of-the-peoples-of-europe/
    (Der Coudenhove-Kalergi-Plan – Der Völkermord an den Völkern Europas, mit deutscher Übersetzung)

    Es ist wichtig, diese Hintergründe, zusammen mit noch viel mehr vielseitigen und breiten Informationen zu beleuchten, um die Ziele der EU besser zu verstehen.

    Wer bei der EU kritisch und skeptisch ist, kann die friedliche Zusammenarbeit der Völker Europas auf der Grundlage ihrer jüdisch-christlichen Wurzeln durchaus als eine wunderbare Idee fordern und fördern.

    https://tkp.at/2022/08/29/das-europaeische-energiedesaster-dank-great-reset-lockdown-und-sanktionen/

    https://tkp.at/2023/11/24/mehrheit-im-eu-parlament-fuer-umwandlung-der-eu-in-superstaat/#awb-oc__25782

    Den jüdisch-christlichen Wurzeln verdanken wir es, dass wir in Europa – in jahrhundertelangem Streben und trotz schrecklicher Rückschläge, oft gegen vehementen Widerstand der Mächtigen aus Gesellschaft, Staat und Kirchen – Vorstellungen und Realisierungen von Menschenwürde, Menschenrechten, Wahrheitsliebe, Wissenschaft, Nächstenliebe, sozialer Verantwortung, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entwickeln und erleben konnten:

    Doch wenn wir die Grundlage abbauen, fällt das ganze wie ein Kartenhaus zusammen.

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