Klein ist, mein Kind, dein erster Schritt,
Klein wird dein letzter sein.
Den ersten gehn Vater und Mutter mit,
Den letzten gehst du allein.
Sei’s um ein Jahr, dann gehst du, Kind,
Viel Schritte unbewacht,
Wer weiß, was das dann für Schritte sind
Im Licht und in der Nacht?
Geh kühnen Schritt, tu tapfren Tritt,
Groß ist die Welt und dein.
Wir werden, mein Kind, nach dem letzten Schritt
Wieder beisammen sein.
Albrecht Goes
(evangelischer Pfarrer)
Eine Antwort
Man beachte in dem Zusammenhang:
Elisabeth Goes, die Pfarrersfrau und als „Gerechte“ von Yad Vaschem ausgezeichnet:
Am 22. August 1944 nahm sie das jüdische Ehepaar Max und Ines Krakauer im Pfarrhaus auf. Es hatte seit November 1943 bei Otto Mörike, seiner Frau Gertrud und den fünf Kindern des Paars gelebt.[1] Max Krakauer hatte in Leipzig einen Filmverleih betrieben, zu dessen Aufgabe er 1933 gezwungen worden war. Krakauer und seine Frau versuchten vergeblich zu emigrieren, ab 1939 lebten sie in Berlin. Nur der Tochter Inge gelang es 1939, nach Großbritannien zu entkommen. Max und Ines Krakauer lebten bis zum 20. September 1944 als angebliche Bombenflüchtlinge aus Berlin bei Elisabeth Goes und ihren Kindern. Lediglich ein Bauer, der sie mit Lebensmitteln versorgte, wusste, dass sie Juden waren. Max Krakauer notierte später in seinen Erinnerungen den Mut der auf sich allein gestellten Pfarrfrau.[2] Elisabeth Goes bot später noch zwei jüdischen Frauen Zuflucht.
Die letzte Strophe des Gedichts von Albrecht Goes sollte man nicht vorschnell – quasi als Trost – jenseitig im Sinne: (erst) nach dem Tode – lesen und verstehen. – Was vereint – mitten in dieser Welt – ist ja das Tun des letzten Schritts (der – auch ewig – unmöglich „umsonst“ gewesen sein kann!)